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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

666-667

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jepsen, Alfred

Titel/Untertitel:

Wissenschaft vom Alten Testament 1959

Rezensent:

Preß, Richard

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665 Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9 666

Weir übersetzt und mit ausführlichen Anmerkungen zur Paral-
lelisierung mit dem Alten Testament versehen worden (S. 1U
bis 113). Kleine Stücke aus den drei großen ugaritischen Epen
werden von J. Gray vorgeführt. Dem Mangel an philologischen
Anmerkungen ist durch das Werk des Verfassers „The Legacy
of Canaan" abgeholfen.

Von den aufgenommenen ägyptischen Texten wurden die
Merneptah-Stele, die lange Atonhymne aus dem Eje-Grab in
el-amärna und der Bußpsalm auf der Berliner Stele 20377
von R. J. Williams (S. 137—154) bearbeitet und mit Anmerkungen
versehen, in denen oft auf den Gebrauch der Paronomasie
in den ägyptischen Texten hingewiesen wird10. T. W. Thacker
bietet Auszüge aus der Instruktion für Merikare" und aus dem
„Lebensmüden" (S. 15 5-167), J. M. Plomley die Geschichte der
zwei Brüder als Parallele zu Gn 39, Auszüge au6 der Instruktion
des Amenemope und vier ägyptische Liebeslieder als Parallele
zu Cant (S. 168-191). Der Vergleich der israelitischen mit der
ägyptischen Weisheit ist unbefriedigend. Muß Abrahams Aufenthalt
in Ägypten zitiert werden (S. 156), um die gegenseitigen
Berührungen plausibel zu machen? Wozu dienen die Vergleiche
der Merikare-Instruktion mit Äußerungen der israelitischen Propheten
(S. 157), ist beides „motivated by the same humane feel-
ings"? Der „moralische Charakter" der Merikare-Instruktion
wird aus dem Untergang des Alten Reiches abgeleitet (S. 157),
andererseits wird die Amenemope-Instruktion in den Gegensatz
zu den älteren ägyptischen Instruktionen gestellt, die „fast vollständig
materialistisch" eingestellt seien (S. 174). Wird die Arbeit
A. de Bucks „Het religieus karakter der oudste egyptische
wijsheid" (NThT 21 (1932) S. 322 ff.) völlig ignoriert? Wieso
ist das Ideal des Schweigenden ein Charakteristikum für Amenemope
(S. 174)? Es findet sich schon in der ältesten Instruktion,
in der für Kagemni (I l). Wieso ist erst die Weisheit des
Amenemope „monotheistisch" (S. 174)? Schon von Anfang an
ist in den ägyptischen Weisheitstexten von „Gott" oder „dem
Gott" die Rede12.

Von den nordwestsemitischen Inschriften hat E. Ullendorf
die Mescha-Inschrift behandelt (S. 195—198)13, J. Mauchline den
Gezer-Kalender (Z. 5: „Month when everything [eise] is har-
vested". S. 201-203), J. N. Schofield die Samaria-Ostraka 1
und 2 (S. 204-208), N. H. Snaith die Siloa-Insdhrift (S. 209
bis 211), D. W. Thomas die Lachisch - Ostraka 1,3 und 1
(S. 212—217). Alle diese Beiträge zeichnen sich durch gründliche
Bearbeitung aus. Besondere Hervorhebung verdienen die ausführlichen
Abschnitte „Seals", „Weigths" (D. Diringer) und „Coins"
(J. Weingreen), die geTade auch einen weiteren Leserkreis interessieren
werden (S. 218—235).

An aramäischen Inschriften sind die 1941 veröffentlichte
Milquart-Stele und die Zakir-Stele von M. Black bearbeitet und
mit detaillierten Anmerkungen versehen (S. 239—250)14, der
1948 publizierte Saqqara-Papyrus von W. D. McHardy (S. 251
bis 255). Von den Elephantine-Papyri 6ind die religionsgeschichtlich
bedeutsamsten (Cowley 21, 30, 32, 33) aufgenommen, die

Die Identifikation von Jncn mit teil en-nefme (S. 140; so
Albright in BASOR 19 (1925) S. 12 f.) ist alles andere als sicher; vgl.
dagegen Alts Vorschlag teil en-na<-am (PIB 24 (1928) S. 52 f.), der
aufgrund der großen Stele Sethos I. von Beth-Sean vorzuziehen ist.

) Die Formulierung S. 156: „There is thus no reason to doubt
the authenticity of the Instruction and its royal authorship. Certainly
there is no question of its being composed in a later age and attribut-
ed to an earlier author in order to give it prestige and dignity ... ist
dem Rezensenten unverständlich. Wird die These von Volten, „Zwei
altägyptischc politische Schriften" (Analecta Aegyptiaca 4), 1945, die
Instruktion sei als Pscudcpigraph zu dem Zwecke abgefaßt, die Thron-
■•»isprüchc von König Mcn'karc zu rechtfertigen, übernommen?
") Vgl. Brunner in HO I 2 S. 95 f.

DaviH"Di£ WiederSabe von fTHbinN (Z. 12) mit „altarhearth of
«',, ., lst ebenso unbefriedigend wie die mit „lionfigure of David".
£ nn ,XorsdllaB (ANET S. 320) „Arel its chieftain" dürfte unhaltbar
Recht 1 Vc,rwcis auf Am 8, 14 (LXX) zu Tri (TGI S. 48 bb) muß mit
P M r "herholt betrachtet werden nach den Untersuchungen von

S 43- t5 U"d ° N' Frecdman ("Ear|y Hebrew Orthography". 1952,
«iL -n? no cvid«n« f°r the use of internal matres lectionis").
tine plausible Lösung ist noch immer nicht gefunden.

> Die Gunkel-Festschrift ist S. 241 und S. 250 falsch zitiert.

H. H. Rowley übersetzt und mit ausführlichen, allgemeinverständlichen
Einleitungen versehen hat (S. 256—269). Eine kleine
Proverbiensammlung aus Achiqar ist (von zwei Ausnahmen abgesehen
) nicht dem Elephantinefund entnommen, sondern dem
späten syrischen MS. Cambridge Add. 2020 (A. E. Goodman;
S. 270-275).

Tübingen Hartmut Gese

Jepsen, Alfred: Wissenschaft vom Alten Testament. Berlin: Evangelische
Verlagsanstalt [1958]. 34 S. gr. 8° = Aufsätze und Vorträge
zur Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott u. H. Urner,
H. I. DM 1.80.

A. Jepsen geht davon aus, daß Julius Wellhausen eine historische
Interpretation des Alten Testaments als unvereinbar mit
einer theologischen Betrachtung desselben angesehen hat. Müssen
wir „auf die geschichtliche Forschung verzichten", um eine
theologische Betrachtung zu ermöglichen, ist seine Frage.

Der Umfang der Wissenschaft vom Alten Testament wird
von Jepsen durch den Kanon begrenzt. Das AT ist ein Teil des
christlichen Kanons, den es mit Hilfe der historisch-kritischen
Wissenschaft zu erforschen gilt. Durch diese Abgrenzung ist
jedoch bereits die alttestamentliche Wissenschaft als theologische
Wissenschaft gekennzeichnet. Wie das AT im Kanon untrennbar
mit dem NT verbunden ist, so ist für die alttestamentliche
Wissenschaft das AT nur vom NT her, nicht etwa wie im Judentum
vom Talmud oder vom Gesetz her zu verstehen. Das eigentliche
Problem der alttestamentlichen Wissenschaft steckt für
Jepsen in der Frage der „Beziehung" zwischen Altem und Neuem
Testament. Sein Ansatzpunkt ist somit wesentlich anders als
der von G. Fohrer, Messiasfrage und Bibelverständnis, 1957.
Wenn aber Jepsen ein theologisches Verständnis des AT fordert,
so ist er weit davon entfernt, eine theologische Interpretation
etwa in der Art von Vischer zu meinen, die den Boden gesunder
historisch-kritischer Auslegung verlassen hat. Es ist aber ebenso
sehr Tatsache, daß trotz grundsätzlichen Einverständnisses noch
heute viele Alttestamentier den Weg von einer historischkritischen
zu einer echten theologischen Auslegung nicht gefunden
haben. Insofern sind die Ausführungen Jepsens eine sehr
beachtliche Mahnung.

Daß erst der theologische Aspekt das eigentliche Anliegen
der alttestamentlichen Texte enthüllt, erläutert Jepsen am Beispiel
von 2. Sam. 9-20, einem Erzählungskomplex, für den die
Aussage 2. Sam. 17, 14, „wonach Gott in allem Geschehen seine
Hand im Spiel hat", wesentlich ist. Geschichte ist im AT keine
Profangeschichte, sondern ein fortlaufendes Handeln Gottes an
den Menschen. In den historisch greifbaren Fakten der Geschichte
des Volkes Israel wird das Handeln Gottes offenbar. Dem entspricht
, daß das Volk Israel sich als das Gottesvolk versteht, das
seine Geschichte als Gottesgeschichte ansieht. Die alttestamentlichen
Schriften erzählen nicht, was zwischen den Menschen,
sondern was zwischen Gott und den Menschen geschehen ist. Im
Schöße dieses sich existentiell an Gott gebunden fühlenden
Volkes Israel ist das Alte Testament entstanden, nicht als Werk
einer einzelnen Persönlichkeit, auch nicht als Werk von Historikern
, sondern als Bekenntnis einer religiösen Gemeinde. Insofern
als diese religiöse Gemeinde in der Welt lebt, kann sie von
der historischen Wissenschaft erfaßt werden, wenn auch die
eigentliche Mitte dieser religiösen Gemeinschaft einer historischen
Darstellung sich entziehen muß und nur von der theologischen
Wissenschaft aus verstanden werden kann.

Neben der Behandlung der sogenannten Einleitungsfragen
hat die Wissenschaft vom AT die Geschichte Israels, die Geschichte
des atl. Kanons, die „Geschichte der Aneignung des
Gotteswortes, wie sie anfänglich in den alten Rezensionen und
Übersetzungen greifbar wird" (S. 28) und das Bemühen um ein
„Gesamtverständnis des AT" (Biblische Theologie des AT) zum
Inhalt. Die Einheit des AT liegt für Jepsen in der Aussage von
der „Gottesgeschichte" darin, daß der eine Gott in der Geschichte
Israels handelt, „Voraussetzung aller Geschichte" im AT ist die
Schöpfung und die Sündenfallerzählung, letztere als Darstellung
des Menschen, der versucht, seine Geschichte selbst in die Hand
zu nehmen.