Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

661-663

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bernhardt, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Gott und Bild 1959

Rezensent:

Rost, Leonhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

661

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

662

mazzäröt, worunter entweder Venus als Morgen- und Abendstern
, die Hyaden oder die südlichen Tierkreisbilder zu verstehen
sind". Anstelle der jüngeren tiberischen Aussprache bieten Sep-
tuaginta und Theodotion fiatovQwü, wodurch lQH mzwrv/l
als mazüröt bestätigt wird. Die Wortgruppe bhtiwmm gljhm
andererseits kann nur bedeuten: „indem sich ihre Wogen (seil,
im feindlichen Sinne) erhoben"; dann aber stellen 'p'h und sw
nichts anderes dar als Ausdrücke für das mythisch vorgestellte,
gottfeindliche Chaos, wobei in 'Ei'a offensichtlich der Gedanke
vom widergöttlichen Urmeer bzw. „Meerdrachen" und „Nichts"
(= Leviathan), in Saw dagegen die Idee vom „Nichts" und vom
„Frevel" (= Belial) mitschwingt. Eine Übersetzung kann nur
annäherungsweise geboten werden und müßte, um im Bilde zu
bleiben, etwa lauten:

„Leviathan und Belial drangen bis zu den Sternen empor,

indem sich ihre Wellen [stolz] erhoben".
Mit dieser Vorstellung vom chaotischen Urmeer, das gegen den
Herrn des Kosmos aufbegehrt, befinden wir uns mitten in einem
MythenkTanz, wie er sich auf kanaanäischem Boden im Ba'al-
Anat-Zyklus von Ugarit belegen läßt, wo vom feindlichen Andringen
des „Fürsten Meer" und „Richter Fluß"3 bzw. seiner
Gesandten gegen El und seine Versammlung die Rede ist*. Im
Zusammenhange von lQH II, 20 ff. hat das Motiv vom Aufbegehren
des Chaos, das auch in der kanonischen Psalmenliteratur
noch eben anklingt, natürlich längst sein mythisches Eigengewicht
verloren; aber indem es in einem „Danklied des Einzelnen" aufklingt
, zeigt sich deutlich die vorgegebene Bindung an eine feste,
auch religionsgeschichtlich äußerst interessante Tradition.

Die hier gegebene, kurze Ergänzung soll in keiner Weise
den Wert der von D.-S. vorgelegten Übersetzung von lQH
herabmindern; es möge hieran nur deutlich werden, wie schwierig
es heute teilweise noch ist, Qumrän-Texte zu interpretieren.

Jena Rudolf Meyer

2) L. Koehler - W. Baumgartner, Lcxicon in Veteris Testamcnti
libros 1953, s.v. mazzäröt.

*) Man beachte das Hcndiayoin!

*) Vgl. R. Pritdiard, Ancient Ncar Eastern Texts Relating to the
Old Testament, 1950, S. 129 f. |H. L. Ginsberg].

Bernhardt, Karl-Heinz: Gott und Bild. Ein Beitrag zur Begründung
und Deutung des Bildverbotes im Alten Testament. Berlin:
Evangelische Verlagsanstalt [1956]. 164 S. 8° = Theologische Arbeiten
, hrsg. v. H. Urner, Bd. II. DM 7.50.

Die hier anzuzeigende Untersuchung gTeift ein schwieriges
religionsgeschichtlichcs Problem auf und versucht, wie der Verfasser
C6 am Schluß 6ciner mit viel Sachkenntnis vorgenommenen
Arbeit bescheiden formuliert, „keine fertige Lösung des ganzen
Problems des Gottesbildes in Israel" vorzulegen. Die Untersuchung
,,i6t nichts als ein Baustein, der nur darauf wartet, daß
— ebenso wie er 6ich auf andere gründet — auch auf ihm mit größerem
Wissen und besseren Methoden weitergebaut wird". In
dieser Begrenzung ist die Arbeit eine sehr verdienstvolle Leistung.

Eine kurze Einleitung redet vom Problem des Bilderverbots
und zeigt an gut gewählten Beispielen die Haltung Einzelner
und religiöser Gemeinschaften dem Bild gegenüber. Drei Hauptteile
folgen, von denen der erste das Götterbild in der Umwelt
des Alten Testaments behandelt, der zweite eine kritische Würdigung
bisheriger Versuche einer Ableitung und Deutung des
alttestamentlichen Bilderverbotes bringt und der dritte den Versuch
einer Begründung und Deutung des Bilderverbotes unternimmt
.

Umsichtig wird reiches religionsgeschichtliches Material entfaltet
und geordnet, wobei jeweils entsprechende alttestament-
liche Stellen mit herangezogen werden. Nicht alles ist natürlich
gleich beweiskräftig, und man kann fragen, ob auf diese Weise
feinere Nuancen etwa des ägyptischen oder des babylonischen
^.^"srändnisses ganz geklärt werden können. Aber das ist
schließlich nicht die Absicht des Verfassers, dem es darauf ankommt
, die Vielschichtigkeit des Problems zu illustrieren, um
so als Ergebnis des ersten Teils zusammenzufassen, daß das
Götterbild nicht „Abbildung der Gottheit im Sinne einer getreuen
Nachbildung eines himmlischen Urbildes ist", sondern
„ein Körper, den das göttliche Fluidum beseelt" (S. 67). Von da
aus wird verständlich, daß auch Ungeformtes, wie Felsblöcke und
Steine, aber auch Symbolzeichen als Träger göttlicher Kraft und
damit Zeugen göttlicher Gegenwart verehrt werden können.

Wie schon gesagt bringt der zweite Hauptteil eine kritische
Würdigung bisheriger Deutungen des alttestamentlichen Bilderverbotes
. Die einzelnen Deutungen werden ausführlich behandelt
und ihre mehr oder minder große Fragwürdigkeit wird aufgewiesen
. Hier sind eine Reihe trefflicher Einzelbeobachtungen
und -Untersuchungen zu verzeichnen, z. B. die weitgTeifendc
Untersuchung über die Wurzel KSp. Abgeschlossen wird dieser
Teil durch einen Exkurs über den Bildzauber.

Der eigene Versuch, der das dritte Kapitel bildet, geht von
der Feststellung aus: „Das Bilderverbot gehört zum Eigentümlichen
des israelitischen Gottesglaubens; und von hier aus muß
auch die Frage nach seinem Sinn gestellt werden" (S. 110). Vom
Beispiel des Christentums und des Islam ausgehend, wird die
i hese formuliert, daß „auch für Israels Religion in der Antwort
auf die gestellte Frage nach dem Eigentümlichen der Jahwereligion
, die zu einer Begründung des Bilderverbots führen soll, ein
solcher einmaliger historischer Ansatzpunkt, in dem bereits die
weitere besondere Entwicklung der Jahwereligion beschlossen
'■egt, vermutet werden" darf. Indem versucht wird, eine Kurzform
des Bilderverbots aus Ex. 20, 4a a bereits als aus der Mosezeit
stammend zu gewinnen, wird die Möglichkeit gewonnen, in
der Midianitertradition des Buches Exodus die Schicht zu sehen,
die dem Ereignis am nächsten steht, das die Übernahme der
Jahweverehrung durch Mose und Israel, oder richtiger nur einen
Teil des späteren Volkes, bewirkte. Die als Thronsitz oder Thronschemel
des unsichtbaren Gottes aufgefaßte Lade ist die Bürgschaft
für die Anwesenheit Jahwes im Volk. Diese nur in einem
Exemplar vorhandene Lade duldet neben sich kein Gottesbild,
das durch seine Anschaulichkeit die Lade hätte verdrängen müssen
. Mit der wandernden Lade verband sich die Idee des Führergottes
, der Gehorsam heischt, während ein Bild eher den Menschen
dazu verleitet hätte, sich des Gottes zu bemächtigen. Diese
Thesen sind sorgfältig gegen mögliche Einwände abgeschirmt, wie
überhaupt das ganze Buch von großer Vertrautheit mit den Problemen
und der dazu vorliegenden Literatur zeigt.

Ohne Zweifel hat B. recht, wenn er das Bilderverbot in die
Anfänge der Begegnung Jahwes mit Israel setzt. Und vieles, was
der Verfasser in diesem Zusammenhang 6agt, ist sehr erwägenswert
. Und doch wird man einige Fragen ofren sehen, auf die er
die Antwort schuldig geblieben ist und angesichts der Überlieferungsverhältnisse
auch schuldig bleiben mußte. Wurde Jahwe
schon als midianitischer Gott bildlos verehrt? Wenn ja, dann
verschiebt sich die Frage nach der Herkunft des Bilderverbots um
«ine Stufe zurück. Welche Bedeutung hat für das ganze Problem
die Jahweerscheinung im brennenden Dornbusch Ex. 3, 1 ff.? Hier
sieht Mose keine Gestalt, sondern vernimmt au6 dem brennenden
Busch eine Audition. Ist über die These von der Lade als
leeren Gottesthron schon das letzte Wort gesprochen? Müßte
nicht einmal das ganze Bildmaterial, das der alte Orient von
thronenden Göttern und von leeren Götterthronen bietet, einschließlich
der hierher gehörigen literarischen Bezeugungen daraufhin
untersucht werden, ob ein Gortesthron, auch wenn er zum
Tragen bestimmt ist, die Gestalt eines Kastens haben kann, die
jedenfalls in der Vorschrift über den Bau der Lade gefordert wird?
Ob die Stele Nabuna'ids VIII, 16 ff. wirklich einen leeren Gottesthron
meint, ist mir fraglich. Könnte es sich nicht hier eher um
einen neuen Thronsitz für einen thronenden Gott handeln, der
einen älteren, weniger kostbaren ersetzen soll? Wenn man sieht,
welche Mühe sich die Überlieferung gibt, die beiden Steinplatten
als von Gottes Hand in Gottes Schrift beschriebene Gesetzestafeln
herauszuarbeiten, fragt man sich erst recht, ob die Theorie
vom leeren Gottesthron zutrifft. Ist ein leerer Gottesthron eine
geeignete Aufbewahrungsstätte für Steinplatten, die als Gesetzes tafeln
gedeutet werden?

Ich breche ab. B. hat sich ein wirkliches Verdienst erworben,
daß er die Frage Gott und Bild in diesen weiten religionsgeschichtlichen
Rahmen hineingestellt hat und daß er mit so viel