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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

659-661

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dupont-Sommer, André

Titel/Untertitel:

Le livre des hymnes découvert près de la mer morte (1QH) 1959

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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Zuflucht zu nehmen brauchen, die ohnehin den in diese Lehren
nicht Eingeweihten merkwürdig anmuten: „Es handelt 6ich hier
um eine archetypische Gestalt, genauer gesagt, um einen Teilaspekt
der umfassenderen und komplexen Figur des endzeitlichen
Heilsbringers. Dieser selbst ist ein „Erlöser", der den Menschen
aus seiner konflikthaften Zerrissenheit befreien soll, sowie ein
„Heilsbringer", welcher den in 6eine Gegensätze zerspaltenen
Menschen „heilt", d. h. heil oder ganz macht. Der Messias ben
Josef ist der Vorläufer und Begleiter des eigentlichen Erlösers,
des Messias ben David, dessen diesseitigen Aspekt er verkörpert.
Er trägt vor allem Züge eines mythischen Helden. Als „ein sterbender
und wiederauferstehender Gott" ist er Träger der Wandlung
und Erneuerung. Psychologisch gesprochen stellt er den
irdischen Aspekt der durch den Messiasquaternio ausgedrückten
Einheit und Ganzheit, d. h. des Selbst dar" (S. 237).

Gleichwohl ist das Buch von S. Hurwitz wegen der vom Verfasser
herangezogenen Quellen und einiger Literaturhinweise'
anregend, wenn es auch nur dazu dienen mag, den Leser zu
zwingen, seinerseits die Probleme noch einmal zu überdenken.
Basel Ernst Ludwig Ehrlich

*) Man vermißt die Kenntnis des grundlegenden Werkes von
S. Mowinckel, He that cometh, 19 56, ferner die Verwendung des Budies
von J. Klausner, The Messianic Idea in Israel, 1955. Hurwitz zitiert
Klausner nur nach der bereits 1904 erschienenen Arbeit: Die messian.
Vorstellungen des jüd. Volkes im Zeitalter der Tannaiten. Die Konsultation
einer modernen Einleitung in das Alte Testament, etwa derjenigen
von O. Eißfeldt, 2. Aufl. 1956, hätte Hurwitz manchen Irrtum
erspart: Deuterosacharja pflegt man heute um 300 v.Chr. anzusetzen,
nicht wie Hurwitz behauptet, zwischen 170 und 135 v.Chr. (S. 62).
Aus der Tatsache, daß Fragmente der „Testamente der zwölf Propheten"
in Qumrän gefunden wurden, folgt noch längst nicht, daß das in griech.
Sprache erhaltene pseudepigraphische Werk nicht christlich überarbeitet
oder interpoliert ist (S. 194). Schließlich hätte sich Hurwitz auch der
vorzüglichen Textzusammenstellung von Juda Ibn-Shmuel (Kaufman),
Midrashim of Redemption (Hebr.), Tel-Aviv, 1943 bedienen können.

ALTES TESTAMENT

-Dupont-Sommer, A., Prof.: Le Livre des Hymnes decouvert
pres de Ia Mer Morte (lQH). Traduction intregale avec introduction
et notes. Paris: Adrien-Maisonneuve 1957. 120 S., 1 Taf. 40 =
Semitica VII. ffr. 900.—.

Etwa zur gleichen Zeit, wo J. Licht in hebräischer Sprache
eine kommentierte, mit einer umfassenden Einleitung versehene
Handausgabe der Danklieder aus Qumran hat erscheinen lassen1,
hat auch der verdiente Forscher A. Dupont-Sommer eine vollständige
Übersetzung der Hodajot-Rolle aus Höhle 1 (lQH)
ins Französische vorgelegt.

Der Übersetzung geht eine Einleitung voran (S. 5-20), die
durch eine bis 1956 reichende Bibliographie der vom Verf. benutzten
Literatur ergänzt wird (S. 21 ff.). Verf. bespricht zunächst
kurz die äußere Form der ziemlich stark beschädigten Rolle, die
offensichtlich von zwei Schreibern abgefaßt ist (S. 5 f.). Hinsichtlich
der Gattung der Lieder schließt er sich H. Gunkel an und
bezeichnet sie als „Danklieder des Einzelnen", möchte jedoch
diesen Begriff nicht allzu eng angewendet wissen: „Ce sont ä la
fois des elevations et des confessions, dont le lyrisme s'inspirc
non 6eulement des Psaumes, mais encore de Jeremie, des Lamen-
tations, de Job" (S. 7). Anschließend wirft Verf. die Frage auf,
wer hinter dem „Ich" dieser Hodajot steht. Zwar muß er zugeben,
daß es immerhin vier Fragmente gibt (Nr. 10, 18, 47 und 55),
in denen das „Wir" der Gemeinde begegnet, gleichwohl sieht er
in diesen Psalmen eine ausgeprägte und gewaltige Persönlichkeit
am Werke, wenn er auch andererseits einräumt, daß sich an bestimmten
Stellen das „Ich" der Hodajot auch auf jedes gewöhn-
j j i'ed der Gem«inschaft beziehen kann (S. 7), wie dies in
der dichterischen Schlußkomposition der „Ordensrcgel" (lQS
X-XI) eindeutig der Fall ist. In bezug auf den Autor der Rolle
neigt Verf. zu der wohl zuerst von E. L. Sukenik vermutungs-

') J. Licht. The Thanksgiving Scroll. A Scroll from thc Wilderness
of Judaea. Text, Introduction, Commentary, and Glossary. Jerusalem
1957.

weise geäußerten Annahme, daß der „Lehrer der Gerechtigkeit",
dessen an sich immer noch wenig greifbare Gestalt er unter den
Themen „Le Prophete", „L'Homme de douleurs" und „Le Chef
de l'Eglise" zu zeichnen versucht (S. 13-20), entweder ihr Autor
sei oder 6ie zumindest inspiriert habe: „ .. . cet ouvrage est de
toute maniere authentiquement et profondement marque par la
doctrine et par la pereonnalite du Maitre" (S. 12).

Es 60ii keineswegs bestritten werden, daß die meisten Hodajot
— zumindest formal gesehen — von individuellem Selbstbewußtsein
getragen sind und 6omit auch die Möglichkeit besteht,
den einen oder anderen Hymnus auf den „Lehrer der Gerechtigkeit
" zu beziehen. Aber um mehr als eine Möglichkeit, die dazu
noch stark von der jeweiligen Interpretation der einzelnen Lieder
abhängt, kann es sich nach Maßgabe dessen, was wir bisher überhaupt
6agen können, kaum handeln. J. Licht (a.a.O., S. 24 ff.)
kommt dem Sachverhalt sicherlich näher, wenn er vermutet, daß
lQH auf irgendeinen führenden Mann der Gemeinde, wie ein
solcher zu jeder Zeit während ihres Bestehens denkbar ist,
zurückgehen kann, daß zugleich aber dieser mutmaßliche Psalmenautor
nicht ohne feste Verankerung in der Gemeinschaft von
Qumrän und ihrer Theologie vorstellbar ist. Vielleicht aber wird
man noch ein Stück weitergehen und fragen müssen, ob es nach
dem gegenwärtigen Stand der Forschung überhaupt statthaft ist,
nach einem „Verfasser" im modernen Sinne des Wortes oder nach
einer Persönlichkeit zu suchen, die lQH inspiriert haben könnte.
Da die Einheitlichkeit im Stil und Sprachgebrauch sich ohne
Schwierigkeit aus der Bindung einzelner, nicht mehr greifbarer
Dichter an eine bestimmte hymnische Tradition erklärt, außerdem
aber die forme!- und gleichnishafte Verwendung von Motiven
aus Natur, Geschichte und Mythus das spezifisch Individuelle und
Einmalige zurücktreten läßt, sollte man sich m. E. mit der vorläufigen
Feststellung begnügen, daß lQH eine Komposition
etwa im Sinne einer Handreichung darstellt, die als Auswahl aus
dem hymnischen Gut der Gemeinde zur Erbauung der Gruppenangehörigen
diente. Anderes derartiges Gut findet sich in lQS
X—XI und nach vorläufigen Berichten auch in Höhle 4.

Die von D.-S. vorgelegte Übersetzung der 32 Hodajot.
die merkwürdigerweise nicht numeriert, sondern als A —Z
und A'—F' aufgeführt sind, ist in Anbetracht des schwierigen und
teilweise unvollständigen Textes 6ehr flüssig und allgemeinverständlich
; 6ie wird ergänzt durch die Fragmente 1—13, 15—21,
45—48 und 50 der Erstausgabe von E. L. Sukenik, Thc Dcad Sea
Scrolls of the Hebrew University, Jerusalem 1955, Tafel 53 ff-,
sowie durch lQ 35, 1. 2 nach D. Barthelemy-J. T. Milik, Dis-
coveries in the Judaean Desert I, Qumran Cave I, Oxford 195 5.
S. 136 ff. Der Kommentar in Gestalt von Fußnoten von nur teilweise
größerem Umfange ist vom Verf. absichtlich knapp gehalten
und beschränkt sich vornehmlich auf philologische und tcxt-
kritische. die Übersetzung begründende Bemerkungen; außerdem
werden Parallelen und Anklänge au6 der kanonischen Literatur
angeführt und mitunter Hinweise auf das apokryphe und pseud-
epigraphische Schrifttum gegeben. Wenn Verf. auch mit der
Feststellung im Rechte ist. wonach die Zeit für einen umfassenden
Kommentar zu lQH noch nicht gekommen ist (S. 26), so
wäre hier und da doch wohl eine ausführlichere Diskussion der
Übersetzung und ihrer Vorlage am Platze.

Als Beispiel sei eine anerkannt schwierige Stelle in

lQH

II, 20-30 (D.-S.: Hymnus C; J. Licht: Nr. 3) herausgegriffen.
Auf Zeile 27 f. dieses Psalms begegnet das Motiv von der Verfolgung
des Beters im Gleichnis vom Wolkenbruch. der as
menschliche Leben bedroht. Das Bild schließt mit dem bat .

lmzwrwt jbq'w 'p'h wsw bhtrwmm gli^m'
den D.-S. mit den Worten:

„Tcls des oeufs pourris, ils font eclore I'Aspic et la

Vanite, tandis que s'elevent leurs Hör«
übersetzt. Verf. verweist für seine Übersetzung auf Anklänge in
Jes. 59,5; aber wie auch J.Lldlt, a. a O., S.71 z. St. dMeurich
werden läßt, genügt dieser Hinweis allein nicht. Das Bild wird
erst sichergestellt durch die Deutung von lmzwrwt, das m. *
nicht einfach der Konjekturalkritik unterworfen werden dari
(S. 34, Anm. 4). Der Form lmzwrwt entspricht in Hi. 38, 22