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Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

655-659

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hurwitz, Siegmund

Titel/Untertitel:

Die Gestalt des sterbenden Messias 1959

Rezensent:

Ehrlich, Ernst Ludwig

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

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von ihm Abb. 7 wiedergegebene russische Ikone aus dem 14.
Jahrhundert einige Probleme auf. Sie ist das früheste Beispiel
dieses Typs in Rußland (Geschichte der russischen Kunst, 2. Bd.,
Dresden 1958, S. 160, 164). Ich glaube nicht, daß die „Vaterschaft
" eine „Nachahmung analoger westlicher Vorbilder"
(S. 81) ist. Denn nicht nur die Trinitätstheologie, sondern auch
die theologischen Gedanken zur Verkündigung Maria haben ganz
entscheidend auf die Novgoroder Ikone eingewirkt. Das läßt
sich auch stilkritisch nachweisen. Auch der von G. herangezogene
Ps. 110, 3 ist hierfür wichtig. —

Gertrude G s o d a m: Die Fresken von Nerezi. Ein Beitrag
zum Problem ihrer Datierung S. 86—89 möchte diese mit dem
Jubilar in den Anfang des 13. Jahrhunderts setzen, womit in der
Tat die Malereien der Balkanländer in dieser Zeit und die von
Nerezi in einen organischen Zusammenhang gestellt wären. —
Eberhard H e m p e 1 : Der römische Barock in Weinligs klassizistischer
Kritik S. 90—101. — Victor Laurent: Un portrait
inedit de Romain Ier Lecapene S. 102—108 — Elisabeth Lucche-
si-Palli: Ein bisher unbeachtetes Relief an der Kirche San
Michele in Lucca S. 109—113. — Otto R. vonLutterotti:
Bildende Kunst und Dichtung. Von der Ilmschöpfung des Kunstwerkes
ins Wort S. 114—118. — P.Thomas Michels: Die
Dornenkrönung als Triumph Christi S. 120—124 belegt sein
Thema mit Väteraussagen. — Antonio Morassi: Ritratti del
periodo Giovanile di Tiziano S. 125—131. — Otto Reicher:
Der Schauer vor dem Göttlichen (Pavor venerabilis) S. 132
—135. — Hans Reuth er: Die Entwicklung und Bedeutung der
Vierungskuppel im steirischen Sakralbau des Barock S. 136—143.
— David TalbotRice: On „Seeing" byzantine art S. 144
—145. — Hans Riehl: Der Bedeutungswandel der Kunst im Ablauf
der Geschichte S. 146-153. — Steven Runciman: The
populär bronze reliquary crosses of Byzantium S. 154—157. -
Balduin Saria: Aetiologische Deutung von Bildwerken im
alten Rom S. 158—162. — Wilhelm Suida: Kooperation in
alten Gemälden S. 163—168. — Fritz V a 1 j a v e c: Die Kunst im
Zeitalter der Aufklärung S. 169-173. - Paolo Verzone:
Quartadecima Regio S. 17-177. - Hermann Wiesflecker:
Maximilian I. und die heilige Liga von Venedig S. 178-199. -
Paolo Lino Z o v a 11 o: Monogrammi Gradesi del sec. VI S. 200
-207. - Eine Übersicht über die wissenschaftlichen Arbeiten des
Jubilars S. 205-207 schließt den Band ab. Von kunsthistorischen
Einzeluntersuchungen über interessante Fragen der Photographie
und Reproduktion bei Talbot Rice bis zu grundsätzlichen Erörterungen
wie die von Reicher und Riehl, deren kritische Besprechung
, zu der sie geradezu herausfordern, hier aus Raumgründen
unterbleiben muß. spannt sich der Rahmen dieser Festgaben
, die zugleich ein schönes menschliches Zeugnis für die
weiten Horizonte des Lehrers, dem sie gewidmet sind, geben.

Halle/Saale Konrad O n a s c h

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Hnrwitz, Siegmund: Die Gestalt des sterbenden Messias. Religiorus-
psychologische Aspekte der jüdischen Apokalyptik. Mit einem Vorwort
von A. Alt mann. Züridi-Stuttgart: Rascher 1958. 238 S.
gr- 8" - Studien aus dem C. G. Jung - Institut Zürich, Bd. VIII.
Lw. DM 19.—.

Der Verfasser der vorliegenden Studie hat sich die Aufgabe
gestellt, die religionsgeschichtliche Forschung durch psychologische
Auffassungen aus der Schule C. G. Jungs zu ergänzen und
zu erweitern. Dabei geht Hurwitz von der Hypothese aus, daß
wir den äußeren Prozeß historischer Phänomene für eine Spiegelung
einer gleichzeitigen innerseelischen Entwicklung zu halten
haben. C. G. Jung hält es für möglich, Geschichte als Reflex irrationaler
, schicksalhafter innerer Konstellationen begreifen zu
können. Bleibt man sich bewußt, daß es sich bei dem System von
C. G. Jung um Arbeitshypothesen handelt, so können sie auch
der religionsgeschichtlichen Forschung Anregungen vermitteln;
verwendet man jedoch diese Hypothesen im Sinne gesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnisse, so entsteht ein schiefes Bild, weil
hier Spekulation als Wissenschaft ausgegeben wird. Für Hurwit^

sind die Auffassungen seines Meisters C. G. Jung Glaubenswahrheiten
; die antiken Texte dienen dem Verfasser dazu, einmal
mehr die Richtigkeit des psychologischen „Dogmas" zu erhärten
.

Selbst unter der Voraussetzung, daß man um den hypothetischen
Charakter der tiefenpsychologischen „Amplifikation"
weiß, erheben sich noch andere Bedenken: Hurwitz 6tellt fest,
daß das Material über die nachbiblische jüdische Apokalyptik vor
allem aus den Volksschichten stammt, also im Unterschied zum
gesetzlichen Schrifttum eine Volksliteratur darstellt. Hurwitz
will nun aus den apokalyptischen Texten „das Unbewußte" jener
Zeiten erschließen (S. 29). Man kann jedoch bestenfalls bestimmte
unterschwellige Strömungen einiger Volkskreise daraus entnehmen
. Warum sollte sich nicht auch im halachischen und
haggadischen Gut der Rabbinen Unbewußtes spiegeln können?

In seiner Einleitung untersucht Hurwitz zunächst die verschiedenen
Formen der Mythisierung der Geschichte, wobei dem
Verfasser die grundlegende Arbeit von J. Hempel, Glaub«, Mythus
und Geschichte im AT (ZAW 65, 1953, S. 109ff.) leider unbekannt
geblieben ist. Hinter der mythischen Fassade von Dan. 7
steht kein echter Mythus mehr, sondern eine allegorisierte Geschichte
. Hurwitz arbeitet heraus, daß es im nachbiblischen Judentum
niemals nur eine einzige Vorstellung vom Messiasbilde gegeben
hat. Je nach dem geistigen Standpunkt dominiert bald mehr
der diesseitige, bald mehr der jenseitige Aspekt im Erlöserbild.
In diesem weiten Spannungsfeld zwischen himmlischer (Apokalyptik
!) und irdischer Messiaserwartung (Rabbinismus!) entfaltet
sich der Reichtum der jüdisch-eschatologischen Vorstellungen.

Bei seiner Untersuchung der Gestalt des sterbenden Messias
im Talmud geht Hurwitz von einem Beleg in bSukka 52a aus.
wo neben dem Messias, Sohn Davids, der Messias aus dem
Stamme Josef erwähnt wird. Diese talmudische Äußerung enthält
eine Tendenz: Durch den Hinweis auf den getöteten Messias ben
Josef soll verdeutlicht werden, daß dem Messias ben David „langes
Leben für immer und ewig" (Ps. 21, 5) verheißen ist. In diesem
Zusammenhange verweist der Talmud auch auf Ps. 2, 7 f., wo berichtet
wird, wie JHWH dem König eine Bitte gewährt. Die
Königspsalmen 2, 7 f. und 21,5 enthalten das Motiv der Gottes-
sohnschaft bzw. der Unsterblichkeit des Herrschers. Hurwitz zeigt
nun die lange Entwicklung auf, die von der Vorstellung von der
altorientalischen Königsideologie bis zur entmythologisierten
Form der Allegorie Teicht. Das Mythologem der Gottessohnschaft
ging allmählich verloren, als in nachexilischer Zeit das davidischc
Königtum aus der Geschichte verschwand, und damit die den alt-
testamentlichen Verhältnissen angepaßte allgemein-orientalische
Idee von der besonderen religiösen Funktion des Königs ihren
„Sitz im Leben" verlor. Zur weiteren Erklärung der Vorstellung
vom Messias ben Josef zieht Hurwitz einen Beleg aus bSukka 52b
heran, der auf Sach. 2, 1-^1 Bezug nimmt. Der Talmud erklärt die
in Sach. 2, 3 erwähnten „vier Schmiede" als Messias ben David,
Messias ben Jo6ef, Elijja und den Priester der Gerechtigkeit.
Hurwitz erörtert auf Grund des Materials aus Qumrän und der
rabbinischen Quellen die Bedeutung der in Sukka 52b genannten
eschatologischen Persönlichkeiten. Der Verfasser nimmt dann
freilich die Vierzahl dieser Gestalten zum Anlaß einer psychologischen
Spekulation über den ..Quaternio". Wir begnügen un«
damit, festzustellen, daß der rabbinischc Tradent aus der 2. Hälfte
des 3. Jhdts. n. Chr. alle bis zu seiner Zeit aufgekommenen endzeitlichen
Heilbringergestalten resümieren will. Die Vierzahl ist
in diesem Zusammenhange ohne Bedeutung, denn einige Jahrhunderte
später besaß man bereits drei bis vier weitere cschato-
logische Heilspersönlichkeiten, die in jüngeren Midraschim aufgezählt
werden (vgl. Num. r. Abschn. 14: Midr. Ps. zu 60,9)-
Aus der Erwähnung in Sukka 52b geht nur hervor, welche As'
pekte der Messiasvorstellung im 3. Jhdt. vorhanden gewesen
sind: Der König Messias ben David, der kriegerische Messias ben
Josef, dessen Vorläufer, der Prophet Elijja, sowie schließlich ein«
priesterliche Heilsgestalt. Da zur Zeit des talmudischen Tradcntc"
R. Hana bar Bizna vier endzeitliche Gestalten im Denken de*
Judentums anzutreffen waren, suchte der Talmud eine Begründung
für diese Vierzahl im AT zu finden und zog daher Sach. 2, 1—*
heran. Diese Stelle bietet zudem noch den Vorteil, indirekt au