Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 9

Spalte:

654-655

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Festschrift W. Sas-Zaloziecky zum 60. Geburtstag 1959

Rezensent:

Onasch, Konrad

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

653

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 9

654

In den bedeutendsten dieser Aufsätze klingt deutlich ein Doppelmotiv
, das doch innerlich einheitlich geartet ist, wider: einerseits
die leibseelische Einheit des Menschen, andererseits die
durchaus auch auf die irdische Zukunft bezogene Reichgotteserwartung
und -ausrichtung. Die erste Sicht wird eindrucksvoll
vor allem in Richard Siebecks abgewogenem und vorsichtig formuliertem
Aufsatz über „Die Einheit des Menschen in ihrer Bedeutung
für die medizinische Wissenschaft" entfaltet. S. wendet
sich in diesem Artikel mit gleicher Energie gegen eine nur
naturwissenschaftlich ausgerichtete Medizin, wie gegen eine e i n-
seitig vorgehende psychosomatische Methode: „die Erkenntnismethode
der Medizin ist strenge Naturwissenschaft und
persönliches Verstehen aus deT Biographie" (S. 18 8). Er macht das
an einigen „Fällen" klar, an Angina pectoris, an Unfällen und an
arteriellem Hochdruck, und zeigt auf, daß in solchen Fällen neben
die selbstverständlich genaue technische Untersuchung auch die
Aufhellung lebensgeschichtlicher Zusammenhänge treten müsse
und oft äußerst erhellende Resultate zu Tage fördere. Eine Menge
feiner Bemerkungen über die Beseeltheit des Leibes, die Eigenart
des Menschen im Vergleich zum Tier usw. geben dem Beitrag
des Mediziners einen besonderen Reiz, dem sich auch der Theologe
nicht entziehen sollte. — Von dem anderen diese Sicht ergänzenden
Gedanken, daß man Reich Gottes nicht spiritualisierend verstehen
dürfe, sondern durchaus die Seligpreisungsverheißung: „sie
sollen das Erdreich besitzen" ernst nehmen müsse, dementsprechend
, daß Blumhardt der Jüngere (über ihn hat ja Thurn-
eysen ein Buch geschrieben) ja auch nach dieser Seite hin Blumhardt
den Älteren ergänzt hat, spricht in diesem Band erstlich
Lüthi in seiner Bibelarbcit über Josua 1, in der in sehr packender
Weise der Gedanke der Landnahme im Sinn jener Seligpreisung
weitergeführt wird, und — freilich z. T. mit etwas fragwürdigen
Argumenten unterbaut — Roland de Pury in dem Beitrag „Das
Evangelium und die Zivilisationen". Der Grundgedanke Pury's
ist zweifellos richtig. Auf der einen Seite betont er in aller Deutlichkeit
, daß in Analogie zur Flei6chwerdung Gottes in Christus
das Evangelium die Gegenwart Gottes in der Welt klar zu bezeugen
hat, freilich nicht in der Weise äußerlich machtvoller
Herrschaft, sondern selbstlosen Dienstes. Andererseits gibt aber
die notwendige Diastase, in der sich das Evangelium von den
Völkern und ihren Kulturen halten muß, dann ja auf dem Boden
der Völker auch wieder Freiheit zu neuartigen irdischen Kulturverwirklichungen
, ausgerichtet auf das Ziel des Gottesreichs.
Bedenklich aber scheint mir zu sein, wenn Pury die Diastase der
Völker und ihrer Zivilisationen vom Evangelium damit begründet
, daß Jesus ein „Jude" gewesen sei und damit also jedem
Volkstum fremd gegenüber 6tände. Würde P. sagen, daß die
Fleischwerdung des Worts auf dem von Gott heilsgeschichtlich
bereiteten Boden „Israels" sich vollzogen habe, dann wäre diese
Aussage unanfechtbar. Aber er betont 60 stark das nationale
Moment in dem Wort „Jude", daß damit seine These selbst in
Gefahr gerät, sich aufzuheben: dann wäre ja auch gegen ein „griechisches
", „französisches", „deutsches" Christentum nichts einzuwenden
.

Der aufregendste Beitrag ist wohl der von Johannes Hamel
über die „Verkündigung des Evangeliums in der marxistischen
Welt". Ob er alles richtig sieht, darüber kann ein im Westen
lebender Kritiker nicht urteilen. Jedenfalls ist dieser Beitrag
ernster Erwägung wert, kommt er doch aus der Feder eines Mannes,
dem weder Sachkenntnis noch Verantwortungsernst in der Ausrichtung
der Verkündigung abgesprochen werden kann.

Auch die noch nicht von mir genannten Beiträge sind, - nicht
bloß als ein reiches Echo auf das Wirken des Jubilars, sondern
auch um ihres sachlichen Werte6 willen —, beachtenswert. Daß
aus dem Kreis der Psychotherapeuten der Arzt Staehelin zu der
rage der „Schuld als Problem der Psychiatrie" das Wort nimmt,
. da ja auch Thurneysen in seinem Buch über die Scelsorge der
rage der Psychoanalyse nicht aus dem Wege geht, nur sinnvoll,
unterscheidet ein „elementares" und ein „individuelles" Gewissen
und führt jm Verlauf seiner Untersuchung die heutigen

dadurch^ ß Uf n'rÜck' daß bc' Vielen kranken Menschen heute
.1 ,. ' jj° sich unter der völligen Gottentfremdung kein individuelles
Gewissen mehr entwickele und daran auch das elementare
, durch Erziehung und unbewußte Umgebungseinwirkung erwachsende
Gewissen zum Verkümmern gebracht werde, alle möglichen
Triebe und Süchte beherrschend würden. Daran sei aber
auch eine allzu „verständnisvolle" Seelsorge schuld; es müsse in
ganz neuer Weise eine Gewissenserziehung, die an Gottes Gebot
die Menschen ausrichte, diesem Verfall entgegenwirken. Man
sieht, wie hier der Arzt dem Theologen, bzw. dem Seelsorger oder
Erzieher etwas zu sagen hat, da6 er beachten sollte, auch wenn
er vielleicht im einzelnen gegen die hier gegebene Anthropologie
Einwände zu erheben sich für berechtigt ansehen könnte.

Indem Beitrag von Wilhelm Vischer über „Alttestamentliche
Vorbilder unseres Pfarramts", — als solche sieht er den „Hirten",
„Priester", „Weisen" und „Propheten" an, — scheint mir etwas
zu viel an persönlicher Beziehung zum Jubilar zum Ausdruck zu
kommen. Gewundert hat mich, daß V. bei dem Wort „Priester"
nicht auf die fürbittende Funktion stärker hingewiesen hat. Für
reichlich überladen halte ich den Beitrag von Gottlob Spörri über
„Evangelische Frömmigkeit": auf knapp 30 Seiten wird hier ein
Bild der gesamten Frömmigkeitshaltung eines evangelischen Christen
, d. h. also auch das gesamte Ethos eingeschlossen, zu zeichnen
versucht. So fein das geschieht, so können im einzelnen die
ja immer nur andeutenden Aussagen doch nicht recht befriedigen.
Der Band schließt, abgesehen davon, daß auch eine Bibliographie
des Jubilare angefügt ist, mit einem Beitrag von Ruth Speiser
über „Die Gestalt des Zeugen im Neuen Testament", der vor
allem das Bild des „Zeugen vor Gericht" in den Mittelpunkt
stellt, ihn also juristisch interpretiert, vielleicht damit die Situation
, in der der das Evangelium heute Bezeugende 6teht, besonders
scharf beleuchtend!

Um des Ernstes willen, mit dein hier alle Freunde Th's zu
uns reden, muß man wünschen, daß dieser Band viele aufmerksame
Leser finde.

Heidelberg Renatus Hup fei d

[S a s - Z a 1 o z i e c k y, W.:] Festschrift W. Sas-Zaloziecky zum 60. Geburtstag
. Hrsg v Gcrtrude Gsodam. Graz: Akademische Druck-
Verlagsanstalt'l956. VIII, 214 S. m. 9 Abb., 68Taf. gr. 8».

Diese bereits 1956 erschienene Festschrift soll hier wegen
'hrer für die Kunstgeschichte wichtigen Aufsätze wenigstens
nachgetragen werden: Eduard Andorf er: Das Zunfttypar der
Grazer Goldschmiede aus dem Jahre 1633 S. 1-9. - Sergio
ßettini: Saggio di critica „alle Viennese" di una cittä coma
opera d'arte S. 10-20. - Eduard Coudenhove: Die additive
Landschaftsphysiognomie des florentinischen Quattrocento S. 21
-29 behandelt ein Problem, dessen Auswirkungen auch in der
Ikonenmalerei Rußlands, wenn auch in einem anderen „Aggregatzustand
" zu verspüren sind. - Erna Diez: Spätantiker Porträtkopf
in Graz S. 30-33. - Ejnar Dyggve bringt mit seinem
Beitrag: „Basilica Herculis"S. 34-39 ein weiteres Zeugnis zum Fragenkomplex
der Abstammung der christlichen Basilika. - Rupert
Feuchtmüller: Louis Montoyer und sein Palais Rasumofski in
Wien S. 40-48. - Walter Felicetti-Liebenfels: Entstehung
und Bildprogramm des byzantinischen Tempions im
Mittelalter S. 49-58 bezweifelt, daß die um die Deisis gruppierte
hohe Bilderwand erst in Rußland entstanden sein soll. Das soll
nicht bestritten werden. Nur nannten die Russen bereits sehr
früh das griechische „jfymlöv"„Deisus" und haben sowohl thematisch
als auch technisch den Weg zur hohen Bilderwand im
Laufe der Jahrhunderte konsequent beschritten (Lazarev, in: Geschichte
der russischen Kunst, l.Bd., Dresden 1957, S. 299 f.).
Wahrscheinlich ist der „Deisus" in dem berühmten Sendschreiben
des Novgoroder Erzbischofs Vasilij (1 331-1352) solch ein Ttfi-
TtAov-Deisus" gewesen. — George Bingham Fowler: Some
autographs of Engelbert of Admont S. 59—67. — Karl Garza-
rolli-Thurnlackh: Der Maler des Königszuges in Zweinitz
und seine Werke in der heutigen Obersteiermark S. 68-78.
— Hans Ger6tinger: Über Herkunft und Entwicklung der
anthropomorphen byzantinisch-slawischen Trinitätsdarstcllungen
des sogenannten Synthronoi- und Patcrnitas-(Otcchestow)Typus
S. 79—85, wobei es richtig heißen muß: Otetschestwo. G.s Ausführungen
ordnen die mit diesem ikonographischen Typus zusammenhängenden
Fragen und klären manches. Indessen gibt die