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Ausgabe:

1959 Nr. 8

Spalte:

632-636

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Minneapolis 1957 1959

Rezensent:

Noetzel, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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heit und dem Wesen der Kirche gegeben ist, die sich nicht mit
dem Corpus Christianum deckt, welches durch die Entwicklung
des Abendlandes in Verfall geraten ist. Er stellt fest, daß sich
das Wesen der Kirche immer nur von der Christologie her bestimmen
lasse. Sie kann immer nur Kirche im Volke sein, muß
in der Antithese zur Welt stehen, darf sich nicht mit dem
Christentum und seiner Zivilisation identifizieren und muß
missionarisch auf die Welt wirken. Ihr Verhältnis zur Welt kann
nie durch Anpassung bestimmt sein, sondern muß sich in der
Durchdringung der Umwelt mit der Botschaft des Evangeliums
äußern. Je mehr die Kirche Kirche Jesu Christi ist, desto mehr
wird sie auch bodenständige und einheimische Kirche.

In Kapitel I behandelt er die Versuche indischer Theologen,
sich von der Offenbarung her mit dem indischen Geisteserbe
auseinanderzusetzen. Kapitel II bringt die Darstellung indischer
Glaubensaussagen und Bekenntnisbildung in Zusammenhang mit
den kirchlichen Unionsverhandlungen. Kapitel III zeigt die theologischen
Auseinandersetzungen in China und Japan auf, wobei
man erfreulicherweise auch über die Stellung der Kirche zum
Kommunismus etwas erfährt. Kapitel IV befaßt sich mit den
Unionsverhandlungen, Lehrge6prächen und Bekenntnisbildungen
in Asien, wobei die Linie auf die übrigen asiatischen Länder und
auf Indonesien ausgezogen wird. Kapitel V stellt die Unionskirchen
(Kirche Christi) in China, Thailand, Philippinen und Japan
dar. Kapitel VI macht uns mit den theologischen und missionarischen
Problemen in Afrika bekannt. Kapitel VII bringt die Ergebnisse
der Untersuchung. In jedem Kapitel bietet uns der Verfasser
zugleich eine theologische Analyse.

Es hat bei der Fülle des Stoffes keinen Wert, auf Einzelheiten
einzugehen. Es sind die speziellen Fragen jedes Raumes
aufgegriffen, so daß man durch dieses Buch zugleich einen Umriß
der Missionskunde vermittelt bekommt. Wir wollen hier versuchen
, das allen Kirchen Gemeinsame herauszuarbeiten. Es ist
dabei überraschend und bedrückend zugleich, daß nur wenige
originelle Ansätze asiatischer und afrikanischer theologischer
Arbeiten aufgezeigt werden konnten. Das hängt ohne Frage mit
der geringen theologischen Führerschaft der „jungen Kirchen"
zusammen, aber vor allem auch damit, daß diese ihre Ausbildung
in der Vermittlung abendländischer Theologie erhielten, ohne
daß eine Umdenkung in die Mentalität der betreffenden Völker
vollzogen wurde. So ist die Dogmengeschichte Asiens und Afrikas
weithin eine Auswirkung der theologischen Diskussionen der
..alten Kirchen'. Wir haben hier den Beweis, wie stark die „jungen
Kirchen" theologisch von ihren Missionaren geprägt wurden. Sie
sind „geistige Kolonien" (H. Kraemer) der alten Christenheit.
Diese Tatsache ist aber auch ein Beweis dafür, wie wenig die
Missionare sich den theologischen Fragen in der missionarischen
Auseinandersetzung gestellt und die Theologen der „jungen
Kirchen" selbst zur Auseinandersetzung mit der Umwelt geführt
haben.

1. So finden wir bei der Klärung des Verhältnisses von
Kirche und Volk, bzw. Offenbarung und Religionen die ganze
Variante der religionswissenschaftlichen Schule, die in Assimilation
und Übung des Ekklektizismus in den Religionen unter
Außerkraftsetzung des AT eine Vorstufe des Evangeliums sah.
bis hin zu dem radikalen Nein K. Barths, das ja noch keine Auseinandersetzung
mit den aggressiven Religionen bedeuten muß,
sondern sich in der Abwehr vollziehen kann und darum keine
eigentliche Hilfe ist. Nur hier und da blitzt in dem Buch etwas
von dem eigenen Ringen der „jungen Kirchen" auf.

2. In den Lehrgesprächen und Bekenntnisfragen stehen die
Kirchen Indiens, Chinas und Japans weithin unter der Fragestellung
der amerikanischen liberalen Theologie und des „social
gospel". Es ist z. B. erstaunlich, in welcher Leidenschaft in Indien
und China der Apostolikumstreit, vor allem um die Jungfrauengeburt
weitergeführt wurde. Dabei scheint aber etwas von den
eigentlichen Problemen hindurch. War Jesus nur ein Avatar, ein
vergöttlichter Mensch oder wirklich der in die Geschichte eingetretene
Gottessohn? Andererseits finden wir wieder von der
meditativen zur Mystik führenden Denkweise Indiens und von
dem auf Harmonie ausgerichteten Universalismus Chinas sehr
wenig.

3. Mit diesen abendländischen Fragestellungen, die nur beiläufig
aktuell einheimisch werden, hängt es auch zusammen, daß
die „jungen Kirchen" den ökumenischen Symbolen recht ablehnend
gegenüberstanden. Sie glaubten weithin mit der Heiligen
Schrift als der Regel und Richtschnur auszukommen und wollten
sich lehrmäßig nicht binden. Die Bekenntnisse haben darum kaum
eine eigene Funktion neben der Verfassung und Kirchenordmung,
sondern sind höchstens in deren Präambel verankert. Dahinter
steht selbstverständlich das Anliegen, diesen Kirchen den Weg
zur eigenen Bekenntnisbildung nicht zu verbauen, entscheidend
war jedoch die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und
Offenbarung, ob das Bekenntnis zum esse der Kirche gehört
oder ob diese nicht ganz aus der Offenbarung leben muß. Damit
ist natürlich die andere Frage gegeben, ob das Bekenntnis etwas
anderes ist als ein Niederschlag des Lehrgehalts der Offenbarung.
Von dieser her sind aber nur ganz wenige Kirchen (z. B. Batak)
zu eigenen Bekenntnissen gekommen.

4. Damit ist für die „jungen Kirchen" das Problem gegeben,
ob die historischen Bekenntnisse, welche sich mit vergangenen
Zeitproblemen auseinandersetzen, eine Hilfe für sie sein können
oder nicht viel mehr durch eine Bindung an sie ein Hindernis zu
einem echten Bekennen werden. Bekennen erfolgt immer in actu
und damit in der Konfrontation mit einer bestimmten Situation.
Trotz dieser berechtigten Fragen ist es aber interessant festzustellen
, daß eigentlich jede Mission ihre Bekenntnisse summarisch
vermittelt und in den Verfassungen der Kirchen verankert
hat. Es kann darum den Kirchen wie Anglikanern und Lutheranern
, welche in den Bekenntnissen den Ausdruck der Kontinuität
der Kirche und im Lehrgespräch die eigentliche Grundlage der
Kirchenvereinigung sehen, kein besonderer Vorwurf der Retro-
spektivität gemacht werden. Sie glauben vielmehr, daß die
„junge Kirche" dann am stärksten für die Auseinandersetzungen
vorbereitet ist, wenn sie ihre Entscheidungen im Zusammenhang
mit der Kirche aller Zeiten und Völker fällt. Sie wird am besten
dafür gerüstet sein, wenn sie nicht erst in Zeiten der Not nach
dem Bekenntnis fragt, sondern dieses als die Zusammenfassung
ihres Glaubens dauernd zur Stärkung der Gemeinden und zum
Lobpreis Gottes gebraucht. Diese Funktion des Bekenntnisses
tritt bei den theologischen Analysen des Verfassers kaum hervor.

Die Ergebnisse deT Untersuchung sind trotz dieser abendländischen
Bestimmtheit der „jungen Kirchen" überraschend. Die
Kirche kann nur eine sein. Sie darf sich nicht mit dem Volke
decken, sondern muß durch ihre missionarische Haltung dieses
gewinnen und sich dabei mit den modernen Einflüssen wie
Nationalismus, Kommunismus, Zivilisation auseinandersetzen.
Das kann am fruchtbarsten in der einheimischen Denkweise ge'
schchen. Dazu hat die Theologie zu dienen, die nur dann legitim
ist, wenn sie von der Offenbarung her die Auseinandersetzung
vollzieht und zum missionarischen Zeugnis führt. Von dieser
Aufgabe her ist die Kirche immer etwas Fremdes, wäre sie diese«
nicht, wäre Bekenntnisbildung nicht erforderlich. Sie kann dabei
alte Bekenntnisse einheimisch machen oder neue schaffen, wenn
sie nur die Umwelt überwindet.

Neuendettelsau Georg F. Vice«!om i

ß

Minneapolis 1957. Das große Treffen des Weltluthcrtums. l1"
Auftrage des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen We»'
bundes unter Mitarbeit von Martin Boyken und Georg Weiß herausgegeben
von Herbert Reich. Berlin: Lutherisches Verlagshaus, 19?*-
134 S. m. Abb. 8°. DM 2.90. A

Kinder, Ernst: Die theologische Arbeit in Minneapolis. Referat-
Kommentare und Dokumente der Dritten Vollversammlung dt»'*~_
therischen Weltbundes. Im Auftrage des Deutschen Nationalkomit^
des Lutherischen Weltbundes hrsg. Berlin: Luth. Verlagshaus l?58'
223 S. 8°. DM 4.-.

Über die bedeutsame dritte Vollversammlung des Luther''
sehen Weltbundes vom 15. bis 25. August 1957 in Minneapol's
(USA) berichten vorstehende zwei Veröffentlichungen, die sich W
glücklicher Weise ergänzen. Das zuerst genannte Buch „Minneapolis
1957. Das große Treffen des Weltluthcrtums" ist eine rn't
vielfältigem, z. T. vorzüglichem Bildmaterial ausgestattete, f"r
einen weiteren Leserkreis gedachte Broschüre, die unter Mit'