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1959 Nr. 8

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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Lebenszusammenhang, damit er ganz frei ist für den Dienst.
Aber wenn er herausgenommen ist, dann soll er nicht vereinsamt
6ein, dann wird ihm eine Lebensgemeinschaft geschenkt, Gemeinschaft
mit denen, die zum gleichen Dienst abgeordnet €ind."
Hier ist zu fragen, ob diese Gruppenbildungen im Neuen Testament
ausreichen, die Mutterhausgemeinschaft zu rechtfertigen,
die nach Fliedner richtiger von soziologischen Gesichtspunkten
her begründet werden muß.

Im 2. Referat werden die Grundsätze für die diakonische
Schwesternschaft in Braunwald näher ausgeführt. Da bei Übernahme
des Vorsteheramtes in Neumün6ter der Auftrag, die
Schwesternschaft zu erneuern, für Spörri nicht bedeuten konnte,
sie zu modernisieren, sondern zurückzugehen auf die biblischen
Grundlagen der Diakonie und dieser Auftrag dort nicht 60 zu
verwirklichen war, wie es dem Verfasser vorschwebte, kam es
zur Trennung. Die Hindernisse solcher Verwirklichung lagen
nach Meinung des Verfassers vor allem darin, daß die alte
Diakonie sich einseitig auf das Feld der Krankenpflege begeben
habe und nun unter den wirtschaftlichen Sicherungen, die der
Wohlfahrtsstaat seinen Mitarbeitern bietet, sowie unter den
einseitigen Anforderungen der Medizin nicht mehr die neu-
testamentliche Diakonie ausüben könne. Der neue Weg, den die
diakonische Schwesternschaft geht, ist: Es gibt keine Sicherung.
,,Wir leben von unserem Herrn, der über Mittel verfügt." Die
diakonische Schwesternschaft muß leben durch die Hilfe der
Gemeinde. „Eine sich selbst erhaltende Diakonie, das ist ein
Widerspruch in sich selber, das ist keine Diakonie, sondern Geschäft
." Die Unterordnung unter die Vorsteherschaft — mag sie
dort strenger sein als anderswo — odeT die Verpflichtung, die
Tracht dauernd zu tragen, ist nichts der Braunwalder Schwesternschaft
Eigentümliches. Gewiß, manche Mutterhäuser haben auch
in der Kleidung Konzessionen gemacht. Spörri sagt: ,,Linser
Stolz ist es, daß wir das altmodischste Mutterhaus Europas
sind." Neu und bemerkenswert scheint mir vor allem folgendes
zu sein: 1. Die rechtliche Form ist die einer freien Genossenschaft
der Schwestern, die unabhängig von einer anderen
Körperschaft ist. 2. Alle Berufsausbildung wird abgelehnt. Das
Magdsein wird neu betont. Der geringste Dienst ist eben echte
Diakonie. In gegenseitiger Liebe, unter dem Worte Gottes und
in der Anbetung lebt diese Schwesternschaft, ,,die in der Zeit, die
übrig bleibt, bis zur nahen Wiederkunft Christi ihr Letztes verbraucht
". Man kann sich hierbei nicht ganz des Eindrucks erwehren
, daß Spörri die volle Übersicht über die Entwicklung der
Mutterhäuser auf dem ganzen europäischen Festland fehlt. Er
6ieht zu sehr nur die Entwicklung der Diakonie im modernen
Wohlfahrtsstaat; er übersieht die Bemühungen anderer Schwesternschaften
, heute wieder zu echter biblischer Diakonie zu kommen
und ähnliche Wege zu gehen und ähnliche Formen zu finden, wie
sie in Braunwald verwirklicht werden. Eine Schwesternschaf'
ähnlichen Types gab es bis vor kurzem in Ungarn und gibt es
heute noch z. B. in dem kleinen Mutterhaus Lobetal in Mecklenburg
.

Die Jahresberichte sind ohne Jahrcsangabe, ergeben aber einen guten
Querschnitt durch die Jahre, die das Werk besteht und lassen deutlich
die Entfaltung der diakonischen Schwesternschaft erkennen. Der
Glaube, aus dem das Werk erhalten wird, ist nicht enttäuscht worden.
..Wir können nicht um Gaben bitten", schreibt der Verfasser, „aber die
Gaben kommen." Wichtiger als das Geld sind die Schwestern selbst.
Es werden im Anfang Zahlen genannt. Dabei erfährt man, daß es eingesegnete
Schwestern, Probcschwcstcrn und Schwestern ohne Haube gibt
(damals 32 im ganzen). Die weitere zahlenmäßige Entwicklung wird
nicht berichtet. Die G ründc, die dafür angegeben werden, daß die
Schwesternschaft sich nur langsam entwickelt, 6ind dieselben, die der
gesamten Diakonie Nnchwuchsschwierigkeiten bereiten: Verständnis-
losigkeit für die diakonische Hingabe auch in christlichen Kreisen, die
Technisierung des Lebens, das Sicherungsbedürfnis des modernen Menschen
, die großen Möglichkeiten der Frauenberufe, der Freiheitsdrang
des heutigen Menschen. Interessant ist. wenn auch* nicht neu, daß hier
der Respekt vor einem Handeln wider die Natur, der lutherische Berufsgedanke
und die Verlagerung des Glaubcnslebcns in die reine Innerlichkeit
, die zum Dienen blind macht, hinzugefügt werden. Hier bricht noch
einmal die Frage auf, ohne ausreichend beantwortet zu werden, die auch
in dem fast gleichzeitig erschienenen Buche von P. Lagny ,,Le reveil de
18 30 et les origines des diaconcsses de Reuilly". einer Übersicht über die
100jährige Geschichte des Pariser Mutterhauses, angeschnitten wird:

Inwieweit ist der Weg der Mutterhausdiakonie ein echt evangelischer
Weg? Der legitimen Antwort auf diese Frage müßte in der Diakonie
noch breiterer Raum gegeben werden.

Die wiedergegebenen Jahresberichtsabschnitte ergeben dann einen
Überblick über die Unternehmungen des Werkes und den Einsatz der
Schwesternschaft. Die Schwestern sind u. a. verteilt in Nerven- und
Sozialpflege, Kinder-, Alters- und Epileptischenarbeit. Einzelne Sdiwe-
stern stehen in niederem Dienst, andere als Lückenbüßer in den Gemeinden
. Alle Dienste, ja selbst Krankenpflege, werden von Braunwalder
Schwestern versehen, nicht berufsmäßig, sondern diakonisch, und diakonisch
heißt: dem Lamme nachfolgen, wohin es geht. So will die diakonisch
dienende Schwesternschaft in Braunwald die Mitte sein zwischen
Berufsschwesternschaft und liturgischer Schwesternschaft.

Hier muß ernstlich darauf hingewiesen werden, daß auch in
allen anderen Mutterhäusern der Dienst der Schwestern, selbst
wenn er von berufsmäßig ausgebildeten Krankenschwestern ausgeübt
wird, diakonisch ist. Ja, es muß gesagt werden, daß selbst
ein Gehaltsempfang über die diakonische Haltung eines Menschen
nichts Letztes aussagt.

So ist die Existenz der diakonischen Schwesternschaft in
Braunwald eine ernste Frage an die alte Diakonie. Noch ist vieles
, was Spörri zu verwirklichen sucht, auch in der alten Diakonie
nicht ausgestorben, etwa in der Diakonie Löhes oder in dem
Werk von Mutter Eva von Tiele-Winckler oder in der Gemein-
schaftsdiakonie. Alle Mutterhäuser wissen um die Problematik,
die die moderne Krankenpflege ihnen auferlegt. Aber solange
Gott uns noch den Auftrag gibt, Kranke sachgemäß zu pflegen,
können wir auch unter erschwerten Umständen uns ihm nicht
entziehen. Gegen die Gefahr der Verbürgerlichung und Verweltlichung
der weiblichen Diakonie soll uns der franziskanische Weg
der Braunwalder Schwesternschaft Mahnung und Hilfe sein.

Spörri schreibt einfach und anschaulich. Die bildhafte Sprache
verrät den ausgezeichneten Lehrer und Seelsorger. Man liest das
Buch mit großem innerem Gewinn. Man spürt etwas von der
tiefen Tragik, die in dem Versuch begründet liegt, in einer veränderten
Welt echte biblische Diakonie Gestalt gewinnen zu
lassen. Man wird ergriffen von dem Glauben, der aus jeder Zeih
dieses Buches spricht, daß über solchem Tun dennoch Verheißung
liegt.

Leipzig Paul Meis

Doerne, Martin: Die Versuchung Christi in Luthers Predigt.

Luther - Mitteilungen der Luthergesellschaft 19 59 S. 1-23.
GräV, John: Catechismus To-day.

The Expository Times LXX, 1959 S. 274-275.
Jacob, Günter: Der Dienst des Laien in der Kirchengemeinde heute.

Die Zeichen der Zeit 13, 1959 S. 203-211.
M c 1 n t y r e, John: The Structure of Theological Education.

The Expository Times LXX, 1959 S. 210-215.
R a s k e r. Albert J.: Politische Predigt heute.

Evangelische Theologie 18, 1958 S. 531—551.
Ross, J. M.: A Reconsideration of the Diaconate

— — j. m.j f rveconsiaeiaiivu vi -----------

Scottish Journal of Theology 12, 1959 S. 151-160.
Scharfenberg, Joachim: Zur Lage der evangelischen Seelsorge

n der Zeit 1959 S. 125—133.

MISSIONSWISSENSCHAFT

Oosthuizen GC Dr Theological Discussions and Confessional
Developments' in the Churchcs of Asia and Africa. Franeker:
Wever 1958. 327 S. 8°. Kart. hfl. 12.-.

Das Buch füllt eine große Lücke in der missionswissenschaftlichen
und dogmcngeschichtlichen Literatur aus, denn der Verfasser
macht den Versuch, uns einen Einblick in die theologischen
Diskussionen und Bekenntnisbildungen der Kirchen Asiens und
Afrikas zu geben. Er geht dabei der Frage nach, wieweit sich die
„jungen Kirchen" miHhrer Umwelt (Volkstum, Kultur, Religion)
auseinandergesetzt haben. Wir werden dabei mit einer Fülle von
Stoff und Literatur vertraut gemacht, die wir uns bisher nur
mühsam und unvollkommen sammeln konnten.

In der Einleitung versucht der Verfasser zunächst einmal das
Kriterium zu finden, wie es von der Offenbarung her in der Ein-