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Ausgabe:

1959 Nr. 8

Spalte:

617-620

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bandt, Hellmut

Titel/Untertitel:

Luthers Lehre vom verborgenen Gott 1959

Rezensent:

Kinder, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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rischen Kommunismus nicht zu eigen. — Das wird etwa in einem
Abschnitt wie „Abschied von Gestern" deutlich, der leider allzu
kurz 1933 einblendet. Oder liest man den kurz davor stehenden
Satz: „Es gab so viele Fragen der Nation, des Volkes, der eigenen
Vergangenheit, mit der die Partei nicht fertig wurde, so daß es
den brutalen Herolden der Gewalt ein leichtes war, mit ihnen
fertig zu werden" (S. 129), so bleibt die Frage offen, ob der
Vf. den hier vorliegenden Problemen wirklich gründlich genug
gerecht geworden ist. - Vielleicht dürfen diese Hinweise für das
Weiterdenken dieser Gedanken gemacht werden. Denn gerade
darum, nicht um irgendwelche Abwertung, soll es bei diesen
kritischen Bemerkungen gehen.

Karl Kupisch veröffentlichte 1953 sein Buch „Vom
Pietismus zum Kommunismus"; das vorliegende Buch ist — wie
er im Vorwort schreibt — eine Fortführung dieser sozialpolitischen
Betrachtungen. Dazwischen liegen noch andere kleinere und größere
Arbeiten wie die „Protestantischen Perspektiven" (1957).
In allem zeigt deT Verfasser den Mut, „heiße Eisen" anzufassen
und etwas ganz neu auszusprechen, das unbedingt ins Gespräch
führt. Dafür sei ihm gedankt, nicht zuletzt auch seitens der
Religionssoziologie, deren Hauptaufgabe darin besteht, das Verhältnis
der religiösen Kräfte zu den ökonomisch-gesellschaftlich-
politischen (Troeltsch) immer wieder neu zu dmrehdenken.

Leipzig Kurt Wiesner

Birnbaum. Norman: Säkularisation.

Monatsschrift für Pastoraltheologie 48. 1959 S. 68—84.
P i t c h e r, Alvin: The Significance of "The American Business Creed"

for the Churches: A Summary and Interpretation.

The Journal of Religion XXXIX, 1959 S. 1-24.
Schelsky, Helmut: Religionssoziologie und Theologie.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1959 S. 129—145.
Wickham. E. R.: The Encounter of the Christian Faith und Modern

Technological Society.

The Ecumenical Review XI, 1959 S. 259—267.

SYSTFMAT1SCHE THEOLOGIE

B a n d t, Hcllmut: Luthers Lehre vom verborgenen Gott. Eine Untersuchung
zu dem offcnbarungsgeschichtlichen Ansatz seiner Theologie.
Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1958]. 212 S. 8° " Theologische
Arbeiten, hrsg. v. H. Urncr, Bd. VIII. Hlw. DM 8.80.

Von der „Verborgenheit" Gottes redet Luther in mannigfaltiger
Weise. Zwei Weisen treten besonders heraus, die eine
schier entgegengesetzte Pointe haben: Einmal nämlich „verbirgt"
sich Gott nach Luther i n seiner Offenbarung in Christus, in der
Menschheit, der Niedrigkeit, dem Leiden, der Ohnmacht und
dem Kreuzestode Jesu Christi. Zum anderen ist Gott nach Luther
im Unterschiede zu dem „deus rcvelatus" der „deus
absconditus", also außerhalb seiner Offenbarung in Christus
„verborgen". In dieser letzteren Pointicrung ist Luthers Reden
vom „verborgenen" Gott ja meist bekannt und zitiert. H. Bandt
zeigt dagegen, daß das Eigentliche des Redens Luthers vom „verborgenen
Gott in der Linie des erst genannten zu suchen
ist,, und daß das letztere nur als Funktion hieran zu verstehen
sei.

Der Verf. geht nach einem instruktiven Überblick über die
FoTSchungslage zu dem Thcmabecriff (der erst im 19. Jhdt. seit
Theod. Harnack wicdercntdcckt wurde, seitdem aber eine zahlreiche
, recht verschteden interpretierende Literatur hervorgerufen
hat) den verschiedenen Weisen des Redens Luthers vom „verborgenen
" Gott sorgfältig nach. Seine Arbeit ist in methodischer
Hinsicht, sowohl was die Behandlung und Interpretation der
^"cllcn als auch, was die Herbeiziehung und Diskussion der
an,anSt' cin Musterbeispiel exakter und wirklich förderlicher
Lutherforschung. Sie gliedert sich in drei Teile: I. „Die
ursprüngliche Gestalt der Lehre vom verborgenen Gott.". Hier
wird das Reden des jungen Luther (von der 1. Psalmenvorlesung
!r ™ Heidelb. Disp. und den Resolutionen zu den Ablaßthesen
) von der „Verborgenheit" Gottes herausgearbeitet. Dies
ergeht fast ausschließlich (außer einigen Wendungen in der
Komerbncfvorlcsung) in der Richtung, daß Gott sich in der

Menschwerdung und in dem Kreuz Christi „verbirgt", um sidi
so „sub contrario" den Menschen zu offenbaren und an ihnen
durch Gericht zu ihrem Heile zu handeln: „Deus abscondit sua
ut revelet". Niemals wird hier der „deus absconditus" dem „deus
revelatus" gegenübergestellt, wie später vor allem in „De servo
arbitrio", vielmehr wird hier das Verständnis der „Verborgenheit
" Gottes gerade in engstem Zusammenhang mit der Offen-
barungstat und dem Heilswerk Gottes in Jesus Christus entwickelt
. - II. „Das Problem der Gegenüberstellung des verborgenen
und des offenbaren Gottes". Hier wird Luthers anders
pointiertes Reden von der „Verborgenheit" Gottes während des
2- Jahrzehnts 6einer Lehrtätigkeit herausgestellt, wonach Gott
in seinem „allgemeinen" Handeln außer Christus, in Schöpfung,
Weltregierung und in seinem ewigen Ratschluß, der „verborgene"
ist. Die Analyse und Interpretation der betr. Partien zumal aus
'-De servo arbitrio", aber auch etwa die Untersuchung von Luthers
Prädestinationslehrc usw. sind ausgezeichnet und der genauen
Beachtung wert. Grundsätzlich gilt hier bei Luther:
.-Distinguendum est inter deum praedicatum et absconditum"; er
ruft hier von dem „Deus absconditus" weg zu dem Gott in
Christo hin. — Der III. Teil „Die Bedeutung von der Verborgenheit
Gottes in der Theologie des späten Luther" (von der
Galaterbriefvorlesung 1531 an bis zur Beendigung der großen
Genesisvorlesung 1 545) wirkt gegenüber den „geladenen" ersten
beiden Teilen wie ein schwächerer Nachhall. Das liegt sicher mit
am Befund. In Luthers späterer Zeit tritt sein so pointiertes Reden
vom „verborgenen" Gott in dieser oder jener Richtung zurück
zugunsten eines mehr „pädagogischen" Redens: Luther redet hier
mehr von dem „deus involutus" im Unterschiede zu dem „deus
nudus" und betont im Blick auf diese involutio mehr den positiven
Gec1 ->ken, daß Gott sich darin faßbar machen will (182 ff.),
bzw. Luther sieht hier das Verhältnis von Verborgenheit und
Offenbarung Gottes mehr als geschichtliches Nacheinander im
Sinne einer fortschreitenden Erhellung des verborgenen durch den
offenbaren Gott (198 ff.). Das ist zweifellos richtig beobachtet.
Es bleibt jedoch die Frage, ob der Verf. nicht etwas einseitig diese
• harmloseren" Seiten aus Luthers späterer Periode herausgestellt
bat, und ob hier nicht aus den Quellen doch mehr und TicfeTes
in bezug auf die „Verborgenheit" Gottes herauszuholen wäre.
Unzureichend ist auf jeden Fall Kap. 8 „Die Gegensatzgestalt der
göttlichen Offenbarung" (192 ff.), wo der Verf. mit Luthers abgründigen
Gedanken von einem Gegensatz in Gott selbst und
einem Kampf Gottes mit sich selbst zu rasch fertig wird. - (Auf
dem Wege der Verfolgung des Themabegriffs und der Erwägung
der mehrschichtigen mit ihm gegebenen Problematik finden sich
wertvolle Exkurse zu wichtigen Einzelgedanken der Theologie
Luthers, so etwa zu der eigentlichen Bedeutung seiner „Vorliebe
für paradoxe Formulierungen" (58 ff.), zu der „Anfechtung" bei
Luther (67 ff.), zu der „allgemeinen Gotteserkenntnis" (86 ff.),
zu Luthers Auffassung der Allmacht Gottes (110 ff.), zu seiner
Prädestinationslehre (134 ff.) usw.).

Die Hauptthese des Vcrfs. in bezug auf den Themabegriff
ist die, daß Luthers Lehre vom „verborgenen" Gott nicht nur
ihren Ursprung, sondern durchgehend ihren eigentlichen Skopus
darin habe, daß Gott spezifisch in seiner Offenbarungsgcstalt der
„verborgene" ist (die Herausarbeitung und Entfaltung dieses
Motivs im I. Teil ist mit das wertvollste und fruchtbarste Stück
in diesem Buch), und daß jenes anders pointierte Reden Luthers
vom „verborgenen" Gott grundsätzlich von hier aus verstanden
werden müsse. So geht es in dem II. Teil, was die Interpretation
anlangt, hauptsächlich darum, zu zeigen, daß und wie
jenes andersartige Reden von der „Verborgenheit" Gottes zu dem
„eigentlichen" in Beziehung stehe. (Dabei ist eins für alle Fälle
gültig: Luther redet von der „Verborgenheit" Gottes, in welcher
Hinsicht auch immer, grundsätzlich nur in bezug auf Gottes
Handeln, nie in bezug auf sein Sein! Die dies erhellende
Untersuchung der Frage von Einflüssen areopagitischer Mystik
auf Luther (40 ff.) und von der Bedeutung neuplatonischer Terminologie
bei ihm (an verschiedenen Stellen im I. Teil) ist besonders
beachtenswert.) So macht der Verf. im II. Teil nacheinander
eine Reihe von Versuchen, Luthers Reden von der „Verborgenheit
" des Handelns Gottes in Christus und von der „Verborgenheit
" des Handelns Gottes außer Christus in innere Beziehung