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1959 Nr. 8

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Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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gen allein im Räume des deutschen Katholizismus erschienen —
ganz abgesehen von den außerdeutschen —, die bei einer deutschen
Ausgabe des gewiß nützlichen Buches von K. verdient
hätten zitiert zu werden. Ein Mangel, der selbst einem protestantischen
Rezensenten auffallen muß. Immerhin ist das Buch
von K. eine Aufforderung an die protestantische Forschung, einmal
ihrerseits die weit verstreuten Fakten und Daten über das
Sprachenproblem auf den evangelischen Missionsgebieten ebenso
faßlich und gut orientierend zusammenzustellen.

Halle/Saale Konrad Onasch

Brodde.Otto: Adam Gumpelzhaimer (1559—1625) — Georg Friedrich
Händel (1685-1759).

Der Kirchenchor 19, 1959 S. 33—40 (= Beilage zu Musik und Kirche
29, 1959).

— Luther und die Überlieferung der Lektionsmodelle.

Luther — Mitteilungen der Luthergesellschaft 1959 S. 41—43.
Burba, Otto-Jürgen: Unvergängliche Musik?

Musik und Kirche 29, 1959 S. 128—131.
Dahlhaus, Carl: Zur Rhythmik der Mensuralmusik.

Musik und Kirche 29, 1959 S. 118—123.
Dürr, Alfred: Wissenschaftliche Neuausgaben und die Praxis.

Musik und Kirche 29, 1959 S. 77—82.
H a a c k e, Walter: Händeis Kirchenmusik.

Musik und Kirche 29, 1959 S. 113-117.
Hendrix, P.: Een Sophialiturgie bij de Oudgelovigen in Moskou.

Nederlands Theologisch Tijdschrift 13, 1959 S. 253-263.
Kansanaho, Erkki: Die Entwicklung der Gottesdienstordnung in

der Kirche Finnlands.

Die Kirche Finnlands 5, 1959 S. 8—12 .
Riemer, Otto: Ausbruch oder Aufbruch? Zum Schaffen von Heinz

Werner Zimmermann.

Musik und Kirche 29, 1959 S. 123-128.

HELIGIONSSOZIOLOGIE

K u p i s c h, Karl: Das Jahrhundert des Sozialismus und die Kirche.

Berlin: Käthe Vogt Verlag [1958]. 180 S. 8°. Pp. DM 12.80.

In dem Kapitel „Seit dem Epochenjahr 1917" schreibt Karl
Kupisch in dem Abschnitt über „Die Sicherheit der Ratlosen" die
denkwürdigen Sätze:

„Der Weltkrieg, in den die Kirche theologisch ganz ungerüstet ging,
wurde von ihr als ein nationales und christliches Ereignis empfunden.
Sie unterschied sich darin nicht sehr von der Stimmung ihrer im feindlichen
Lager stehenden Schwesterkirchen. Aber in der Nation Martin
Luthers hatte der christliche Patriotismus seit 1813 seinen besonderen
Charakter: die .patriotische' Symbiose von Wittenberg, Potsdam und
Königsberg erhielt, nicht zuletzt durch Feldpredigerelan, eine neue
homiletische Belebung, die jetzt allenthalben auf den Kanzeln spürbar
wurde. Zwischen orthodox und liberal bestand in dieser Hinsicht kein
Unterschied. Unter dem Eindruck der in den ersten Kriegsmonaten überfüllten
Kirchen sprach man von einem .wiedererwachten religiösen Leben
" (S. 122 f.). Und weiter: „Nach dem 9. November 1918...bekannte
man sich uneingeschränkt zur Dolchstoßlegende; für den
Epochenwandel besaß niemand einen Blick. Dem neuen Staat stand man
mit korrekter, innerlich kühler Distanz gegenüber" (S. 123). „Dabei
hat die Kirche dieser Republik, auch der sozialdemokratisch geführten,
viel zu danken gehabt I Es sollte doch auch für sie, wie es in einem berühmten
Buch hieß, nach dem Fallen der letzten staatlichen Fesseln die
eigentliche Zukunft beginnen. Aber das Frührot, das über dem Jahrhundert
der Kirchen aufgehen sollte, glich wenig der Morgenröte, aus
deren Schoß, wie es im 110. Psalm heißt, der Tau einer neuen Jugend
hervorgeht. Die Schatten des Gestern und Vorgestern behaupteten sich
länger, als man erwarten durfte" (S. 124 f.).

Das „berühmte Buch", von dem Karl Kupisch hier spricht,
!f* ~ -W'€ aUS einer Anmerkung hervorgeht — „Das Jahrhundert
der Kirche" von O. D i b e 1 i u s (1926), dem der Verfasser nun
„Das Jahrhundert des Sozialismus und die Kirche" gleichsam entgegensetzt
, etwa in Sätzen wie den folgenden:

"9 ' • • ^¥ Jahrhundert des Sozialismus durdi ein Zeitalter der
Weltkriege und Massendespotien abgelöst wird, das wird wesentlich
davon abhängen, in welchem Maße die Politiker Vernunft genug zeigen,
ihr Handeln nicht von Ideologien und Weltanschauungen verfinstern zu
lassen. Wir Deutschen, die wir, nach einem Worte von Marx, ,in der
Politik ohnehin gedacht, was die anderen Völker getan haben',
können es uns bei dem allgemeinen Kurssturz wirklicher Bildung heute

weniger denn je leisten, die sozialen Fragen mit den Ressentiments der
.Erniedrigten und Beleidigten' zu beantworten ..." (S. 133).

„Es geht nicht um die Rückgewinnung des Gestern, sondern um die
sinnvolle Behauptung im Heute, damit der Morgen nicht verschlafen
wird . . ." (S. 133).

„Die Geschichte liebt keine Wiederholungen. Aber sie schafft Neubesinnungen
. Wer sie versäumt, wird nicht mit der Geschichte fertig,
sondern mit dem wird die Geschichte fertig . .." (S. 13 5).

„Was bei aller staatlichen und kirchlichen Fürsorge fehlte, war der
Sozialismus der mündigen Solidarität!"

„An diesem Punkte wird heute gerade die Kirche mit radikaler Entschlossenheit
einzusetzen haben" (S. 13 5).

Hier liegt nun für den Verfasser der Ansatzpunkt, um auf
das sogenannte „Darmstädter Wort" des Reichsbruderrates von
1947 hinzuweisen, das er als „ein erstes Aufleuchten" gerade im
Blick auf die Belange des wissenschaftlichen Sozialismus und das
Verhältnis der Kirche zu ihnen ansieht.

Damit aber stehen wir bereits mitten in der Problematik
des Buches, dessen Verfasser es (wie immer!) um die Schau und
das Erfassen einer geschichtlichen Wirklichkeit geht, die hier
„eine bestimmte Linie der Entwicklung zu verfolgen und in eine
hellere Beleuchtung zu rücken" sucht. Dabei ist es nicht unwichtig
und auch nicht unwesentlich zu vermerken, daß dieses Buch zum
75. Todestag von Karl Marx geschrieben ist und unter dem
Motto von Karl Marx steht: „Je mehr der Mensch in Gott
setzt, je weniger behält er in sich selbst." Diesem Aspekt entspricht
auch der Aufbau des Ganzen. Vier Kapitel behandeln
„Weltmacht Hegel", „Die Angst vor der Revolution", „Die
ideologische Wiege", „Seit dem Epochenjahr 1917" und „Opium
und Verkündigung" als Epilog. Dazu kommen noch 29 Seiten oft
sehr aufschlußreicher Anmerkungen, die z. B. den gesamten Text
des am 8. August 1947 vom Bruderrat der Evangelischen Kirche
in Deutschland in Darmstadt veröffentlichten „Wortes zum politischen
Weg unseres Volkes" neben anderem enthalten.

Das, worum es Karl Kupisch im Großen und Ganzen geht,
ist die Verantwortung, die heute von Christen und Sozialisten
gemeinsam aufzubringen und zu tragen ist. Weder die Kirche noch
der einzelne Christ kann und darf 6ich in der Welt von heute der
Verpflichtung entziehen, im öffentlichen Leben politisch verantwortlich
zu handeln, „nicht (wie Kupisch sagt) nach einer
christlichen Ideologie, sondern nach der prophetischen Sicht, die
das Evangelium im Glauben präsent werden läßt". Und er fügt
hinzu: „Wo das der Fall ist, ist die unserem Volk so notwendige
menschliche Solidarität Ereignis geworden" (S. 136).

Eine solche „prophetische Sicht" hatte ja wohl ein Mann wie
Leonhard Ragaz, dessen Name bei Kupisch leider überhaupt
nicht auftaucht, wenn wir etwa bei ihm lesen:

„Die Liebe komme! Die verlorene breche wieder hervor! Wir
6chreien nach ihr. unserer einzigen Rettung. Aber würden wir nach ihr
schreien, wenn sie nicht bereit wäre, zu kommen? Gerade, weil sie mit
neuer Macht kommen soll, müssen wir auf sie harren; gerade, weil wir
so weit von ihr abgekommen sind, ist der Rückweg weit, und mit
bittern Schmerzen müssen wir erkennen, was es heißt, sie zu missen:

Aber das wissen wir und das ist zunächst die Hauptsache: W'r
müssen umkehren zur Liebe und zu den Quellen
der Liebe. Das ist der neue Weg!" (Erlösung durch die Liebe, 1922.)

Doch, es ist eben die Frage, ob Karl Kupisch, der doch
irgendwie von der dialektischen Theologie mindestens stark beeindruckt
ist, in solchen Gedanken von Ragaz überhaupt eine"
Weg zu sehen vermag. Diese Wiedergeburt der Christenheit au«
dem Geiste des Urchristentums liegt für ihn unbestreitbar ganz
wo anders. Der Weg der Liebe als ethische Konsequenz des Gl*"'
bens scheint für den Dialektiker ein zu einfacher Weg zu se'n-
Vielleicht bleibt darum auch die Frage der Schuld ausgeklammert
Aber entscheidet sich in der Frage nach der Schuld nicht gel*"'
vieles in diesem Jahrhundert des Sozialismus? —

Das Buch behandelt nicht nur ein höchst dramatisches Geschehen
von weltgeschichtlicher Bedeutungr6ondcrn es ist auch
in einer ebenso dramatischen Spannung geschrieben. Allerdings
kann der Vf. Karl Manc und dem Marxismus bei aller Leidenschaft
und Liebe, mit denen ihnen nachgegangen und auch manches
Unbekannte aufgespürt wird, nicht bis zur letzten Konsequenz
folgen; er macht sich die marxistische Idee des prolcta-