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Ausgabe:

1959 Nr. 8

Spalte:

614-615

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Korolevskij, Cyrille

Titel/Untertitel:

Liturgie in lebender Sprache 1959

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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sich der Verf. zuerst dem Commune Sanctorum, dann den Formularen
für Advent und das Fasten des siebten und zehnten Monats zu, die
nicht zum Sanctorale gehören.

Im fünften Abschnitt beschäftigt sich der Verf. mit dem dritten
Buch des Gclasianums, einer Zusammenstellung verschiedenartigster
Formulare. Von besonderem Interesse sind hier eine Reihe „archaischer"
Formulare monastischen Ursprungs, teils von der Regel des heiligen
Augustin beeinflußt, einige aber auch Änderungen im Sinne des bene-
diktinischen Mönchtums aufweisend. In den übrigen Kapiteln begegnet
uns eine Fülle von Formularen unterschiedlichster Verwendung, aber
doch miteinander verwandt durch eine gewisse Zahl charakteristischer
Formulierungen.

Während der Verf. bis hierher die textlichen und literarischen
Beziehungen des Gclasianums zu anderen liturgischen Büchern nur in
dem Maße, als es die Sache jeweils forderte, geltend gemacht hat, hat
er im 6. und letzten Teil die Beziehungen dieser verschiedenen Bücher
zum Gelasianum zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht. So hat
er versucht, den Platz des Gelasianums inmitten seiner romanischen und
gallikanischen Verwandten, mit denen es Gemeinsamkeiten besitzt, zu
bestimmen.

Was ergibt sich als neues Bild? Nachdem im 6. Jhdt. die
Periode der liturgischen Improvisation ihr Ende erreicht hatte,
ging man zunächst zur Niederschrift liturgischer Stoffsammlungen
über, aus welchen die Celcbranten vollständige Formulare zusammenstellen
und den jeweiligen Bedürfnissen anpassen konnten
. Noch im 6. Jhdt. wurden aus diesen Stoffsammlungen
schriftlich fixierte Formulare. Solche in möglichst umfassenden
Sammlungen zusammenzustellen, war das Moment, das die Aera
der Sakramentare eröffnete. Eines der ersten römischen Sakra-
mentarc wurde bereits vor dem Ende des 6. Jhdt.s angefertigt
und hat 6eine sichtbaren Spuren in den jüngeren Sakramentaren
hinterlassen. Es unterscheidet sich vom Leonianum nicht weniger
als vom alten Gelasianum und vom Gregorianum. Es nähert sich
den ältesten Teilen des Gclasianums und repräsentiert demgemäß
den gelasianischen Typ. Es war als priesterliches Sakramentar in
den römischen Titclkirchen bereits in Gebrauch, während der
Papst noch seine liturgische Autonomie praktizierte. Das erste
päpstliche Sakramentar, das Gregorianum, hat charakteristische
Anleihen bei ihm gemacht. Daß dieses päpstliche Sakramentar
eine so durchgreifende Wirkung hatte, ist durch die Tatsache begründet
, daß mehrere Nachfolger des heiligen Gregor im 7. und
8. Jhdt. als Ausländer das Sakramentar ihres Vorgängers benutzt
haben, und besonders, daß dieses Sakramentar in St. Peter vom
Vatikan eingeführt wurde. Es hat Ende des 7. und am Beginn des
8. Jhdt.s Ergänzungen erfahren, und in dieser Form wurde es
zwischen 784 und 791 durch den Papst Hadrian L an Karl d. Gr.
übersandt (Hadrianum). Im Laufe des 7. und 8. Jhdt.s hatte sich
aber auch in den anderen römischen Kirchen eine presbyterale
Liturgie gregorianischen Typ6 durchgesetzt. Dabei erfuhr das
Gregorianum eine Vervollständigung, für die das in den römischen
Titelkirdicn in Gebrauch 6tehende Gelasianum zur Hauptquellc
wurde. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß in anderen
römischen Kirdien gleichzeitig bereits eine Liturgie gregorianischen
Typs geübt wurde, von welcher das Gelasianum selbst Entlehnungen
vorgenommen hat. So stellt das Sakramcntarium Gelasianum
eine sehr komplexe Sammlung dar, in wclcheT zwei Liturgien
verschiedenen Typs zusammengeschlossen sind: Einerseits die
alte presbyterale Liturgie vom Typ des Gelasianums, repräsentiert
durch jenes ältere prägelasianische und prägregorianische
romische Sakramentar, andererseits eine prcsbyterale Liturgie
gregorianischen Typs, im Gelasianum repräsentiert durch ein
ganzes Teil von Formularen, hervorgegangen von „St. Peter
in Fesscln"und dessen Nachbarschaft. Diese zwiespältige Liturgie
trägt das Kcnnzcidien des 7. Jahrhunderts. Sie charakterisiert d:e
Zeit des Übergangs, hervorgerufen durch die Begegnung der
Päpstlichen und der presbytcralcn Liturgie, welche mit dem
vollcn Erfolg der gregorianischen Liturgie und der immer weiter
M Annahme des Hadrianums enden sollte. Trotz ihres

Mischcharakters bleibt die Liturgie des Gelasianum eine überwiegend
,,gcla6ianisdi'c", in welcher die älteste Form des Typus
noch gegenwärtig ist. Auch als die römischen Kirchen bereits zu
einem großen Teil zur gregorianischen Observanz übergegangen
waren, übte es durch seinen Umfang, seine Anordnung und alle
™k vereinten und für den priesterlichen Dienst unentbehrlichen
Formulare noch immer eine tiefe Wirkung auf diese Kirchen

aus. So ist es verständlich, daß das Gregorianum im Typ des
Paduense zu einer Revision nach dem Gelasianum wird. Im
8. Jhdt. hat dann das Gelasianum seine römische Laufbahn beendet
, aber nicht ohne daß es ein halbes Jahrhundert vorher nach
Gallien eingedrungen war und dort eine sehr kurze, aber einzigartig
fruchtbare Wirkung ausgeübt hat, wie die gallikanischen
Sakramentare zeigen.

Hauptsächlich aus dem priesterlichen Sakramentar vom Typ
Reginensis, der in das alte Gelasianum auf fränkischem Boden
gewisse gallikanische Erweiterungen aufgenommen hat, und dem
Sakramentar Paduense ist dann das Gelasianum des 8. Jhdt.s entstanden
und hat in dieser Form noch einige Zeit in Gallien und
außerhalb Galliens weitergelebt. Hierfür spricht eine solche
Fülle von Zeugen, daß im Vergleich damit das Gelasianum vom
Typ Reginensis nur eine ephemere und wenig ausgebreitete Wirkung
ausgeübt zu haben scheint. Aber durch das Gelasianum des
8- Jhdt.s hindurch hat das alte Gelasianum mit seinen gallikanischen
Ergänzungen in der Art des Reginensis die Liturgie bis
heute beeinflußt; denn Alkuin hat das päpstliche Sakramentar
des Hadrianums im Interesse ausreichender Gebrauchsmöglich-
keiten zur Mehrzahl aus dem Gelasianum des 8. Jhdt.s ergänzt.
So hat sich die alte römische presbyterale Liturgie gelasianischen
und gregorianischen Typs mit der päpstlichen Liturgie des Hadrianums
vereinigt. Vorher scheint man eine Kopie der Papstliturgie
außerhalb Roms nicht gewagt und deshalb die priesterlichen
Bücher des revidierten Gelasianums und Gregorianums
bevorzugt zu haben. Das Missale Romanum hat dann später dieser
Vereinigung der verschiedenen Traditionsströme bleibende
Gültigkeit verliehen.

Greifswald William Nagel

K o r o 1 e v s k i j, Cyrill . Liturgie in lebender Sprache. Orient und
Okzident. Übersetzt von Prälat Dr. Karl Rudolf. Klosterneuburg
hei Wien: Volksliturgisches Apostolat |1958]. 252 S. kl. 8°.
ö. S. 85.-. (DM 15.60); Lw. ö. S. 96.-. (DM 18.-.).

Das Buch ist eine deutsche Übersetzung der vom^ selben
Verf. stammenden „Liturgie en Langue Vivante" der „Edition*
du Cerf", Paris 1955. Sogleich im Vorwort verweist der Übersetzer
den Verf. auf die volksliturgischen Bemühungen von
Pius Parsch hin, den der letztere in seiner Darstellung übergangen
hat. Wie die französische Ausgabe mitteilt, ist Koro-
•evskij nicht nur Priester des byzantischen Ritus, sondern auch
u- a. Consulteur der Congregation Orientale. Seine Darstellung
entspricht ganz der römisch-katholischen Sicht. Daß
sie genau so flüssig und interessant, auch für den Protestanten,
geschrieben ist wie die französische Ausgabe, verdankt man
dem Übersetzer Dr. Rudolf. Ich kann mich hier nur auf
einige Bemerkungen über die Slavenmission und über die
russische Kirche beziehen. Die geschichtlichen Tatsachen
sind bei beiden etwas sehr grob wiedergegeben. Swatopluk
lediglich als Emporkömmling S. 117 abzutun, ist herzlich wenig
für den Gründer eines ersten slavischen Reiches. Ich vermag
auch nicht so ohne weiteres zu glauben, daß Method ohne jede
Schwierigkeiten seines eigenen Gewissens Rom treu geblieben
■st. Welche Liturgie hat Method denn nun in Mähren gehalten?
Die griechische, römische, oder gar die sog. Pctrusliturgie? Es
bleiben eine Reihe von Fragen ohne Antwort. Immerhin hätte
in den Anmerkungen darauf hingewiesen werden können. Die
S. 241 zitierte „Introductio" von Raes bringt zwar eine Reihe
von Arbeiten. Es ist aber interessant, daß die wichtigen, wenn
auch nicht unwidersprochen gebliebenen Arbeiten von Dvornik
bei Raes und Korolevskij fehlen. Die Untersuchung von Lapötre
von 1895 ist doch inzwischen selbst von katholischen Forschern
überholt worden. Was K. zu den Missionen und zur Sprachenfrage
bei den Russen S. 71 hinsichtlich der Bibliographie S. 235
sagt, kann nun ebenfalls durch die Arbeit eines katholischen
Forschers ergänzt werden: Josef Glazik: Die russisch-orthodoxe
Heidenmission seit Peter dem Großen. Münster Westfalen
1954. Wenn K. S. 236 Moskau lediglich als eine Kolonie von
Kiew bezeichnet und es dabei bewendet sein läßt, so wird man
das kaum noch ernst nehmen können. Auch hier 6ind zwischen
1955 und 1958. vor allem auch davor, zahlreiche Untersuchun-