Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 8

Spalte:

596-597

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bagatti, P. B.

Titel/Untertitel:

Gli Scavi del "Dominus Flevit" 1959

Rezensent:

Rost, Leonhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

595

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

596

der ständige sittliche Anspruch Jahwes an sein Volk her. Die
Solidarität im Segen tritt demgemäß bei den Propheten in den
Hintergrund, während die Pentateuchquellen und das Deuterono-
mium von der Erwählung der Väter her die gesamte Geschichte
Israels betrachten.

Die Untersuchung zeigt eine ausbündige Literaturkenntnis.
Der Autor dringt tief in die Problematik der Solidarität in Segen
und Fluch ein. Ob es jedoch als beachtlicher Vorzug gewertet
werden kann, die Frage nach Individualismus und Kollektivismus,
die vom Autor entschieden abgewiesen wird, nun durch die nach
der Solidarität zu ersetzen, bleibt zu fragen. Verbinden sich doch
mit diesem Begriff ebenso moderne soziologische Vorstellungen,
die sich nicht auf die orientalische noch auf die alttestamentliche
Struktur der Gemeinschaft übertragen lassen! Bisweilen scheint
dieser Begriff für den Sachverhalt recht unzutreffend zu sein. So
sieht sich Sch. des öfteren genötigt, diesen Ausdruck nach verschiedenen
Richtungen hin zu differenzieren. Einmal handelt es
sich um eine Gesinnungseinheit (S. 185 f., 226), dann aber um
ein äußeres soziologisches Verhältnis, das aufgekündigt werden
kann (S. 183), aus dem man jedoch ohne eigentlichen Willen
herausfallen kann (ebd.). Schließlich bezieht sich die Solidarität
auf die religiöse Haltung (S. 200), endlich auf die Zusammengehörigkeit
im Segen (S. 230). Mögen alle diese Nuancen in den
Begriff hineingedeutet werden, eine Unterscheidung zwischen
subjektiver, weil frei gewählter, und objektiver, weil vorbestimmter
Solidarität (S. 194) ist dem Begriff eigentlich fremd. Schließlich
taucht auch noch der Begriff Solidarismus auf (S. 276). So befällt
einen ein leiser Zweifel, ob der hier vorgelegte Begriff der
Solidarität ein wirklich gutes Hilfsmittel zum Verständnis des
alttestamentlichen Erlebens von Erwählung und Verwerfung,
Gnade und Verstoßung, von menschlicher Ohnmacht und Verantwortlichkeit
in der menschlichen Gemeinschaft vor Gottes Allmacht
ist. Die Schriften des Alten Testaments legen Zeugnis vom
Verlangen der Frommen ab, Gottes Entscheidungen zu verstehen,
um sie gehorsam tragen zu können. Ob da ein Wechsel in der
Begrifflichkeit der Interpretation den entscheidenden Ausschlag
gibt?

Aber all diese Erwägungen können die Umsicht dieser Untersuchung
und die Schärfe, mit der die aufgeworfene Frage immer
wieder formuliert wird, nicht in Abrede stellen. Wir haben Sch.
zu danken, daß er das Sachgebiet noch einmal so gründlich und
umfassend durchforscht und von einem neuen Standort zu verstehen
versucht hat.

Berlin Gerhard Wallis

Schilling, Othmar, Prof. Dr.: Die Höhlenfunde vom Toten Meer:
Ende, Anfang oder Übergang? Der „Neue Bund von Damaskus" im
Lidite der alttestamentlichen Verheißungen. Vortrag. Paderborn:
Schöningh 1958. 24 S., 8 Abb. auf Taf. gr. 8°. DM 2.—.

Die kleine Schrift, eine Antrittsrede zur Übernahme des
Rektorates der Philosophisch-theologischen Akademie in Paderborn
, untersucht zunächst die Lehren der Qumrän-Sekte, sofern
sie über dem Niveau des Alten Testaments zu liegen scheinen,
insbesondere den Neuen Bund, die Nächstenliebe, die Einehe,
die Einstellung zum Opfer, den Episkopos. Als Ergebnis stellt sich
heraus, daß nur die Gestalt des Episkopos im Alten Testament
nicht belegt ist. Man vermißt, daß Verfasser nicht auf das Gebot
des Hasses reflektiert (lQS I, 3; IX 16. 21 ff.; X 21), obwohl es
in seiner Formulierung doch deutlich über das Alte Testament
hinausgeht. In einem zweiten Abschnitt wird der Lehrer der Gerechtigkeit
untersucht mit Ablehnung der Thesen Dupont-
Sommers und unter besonderer Betonung, daß ein eventueller
Märtyrertod des Lehrers der Gerechtigkeit keine heilsgeschichtliche
und theologische Bedeutsamkeit gehabt haben kann. Die
Untersuchung der Messiaslehre von Qumrfin im dritten Abschnitt
kommt zu dem Ergebnis, daß die Erwartung zweier Messiasgestalten
sich gegen die Hasmonäerherrschaft gewendet habe,
mithin das Ergebnis tagespolitischer Auseinandersetzung gewesen
sei und daher keinerlei Offenbarungsverbindlichkeit besitzen
könne. Auf die Stellung der Qumränschrifren außerhalb des
biblischen Kanons wird gerade im Zusammenhang der Offenbarungsverbindlichkeit
merkwürdigerweise nicht bezuggenommen.

Insgesamt beurteilt Verfasser die Sekte von Qumrän als Er-
weckungsbewegung, wie dies auch der Rezensent an verschiedenen
Stellen getan hat, aber diese Erweckungsbewegung ist „alter Wein
in etwas erneuerten Schläuchen", noch durch große Unterschiede
von Jesus Christus und 6einer späteren Gemeinde getrennt, aber
vielleicht durch Sektenlehre und Klosterleben schon bereitgemacht
zur späteren Annahme der Christusbotschaft.

Die Gedanken der Schrift sind keineswegs neu, aber wertvoll
in ihrer prägnanten Darstellung und maßvollen Zurückhaltung
gegenüber den überspitzten Thesen mancher Autoren.

Leipzig Hans Bardtke

y

Bagatti, P. B. u. J. T. M i 1 i k : GH Scavi del „Dominus Flcvif

(Monte Oliveto — Gerusalemme). P. I.: La Necropoli del Periodo T~
Romano. Gerusalemme: Tipografia dei PP. Francescani 1958. VII,'
187 S., 3 8 Abb., 44 Taf., l Plan 4° = Pubblicazioni dello Studium
biblicum Franciscanum. N. 13. TiK^/äJ ^ °

Der stattliche Band bietet den ersten Teil des Ausgrabungsberichtes
: den Bericht über die Ausgrabung einer umfangreichen
Nekropole aus 'der römisch-byzantinischen Zeit. Die Stätte
„Dominus flevit", bis vor kurzem ein paar kümmerliche ruinöse
Mauern auf halber Höhe des Westabhangs des Ölbergs am mittleren
der drei Wege hinauf zum Himmelfahrtsturm gelegen, gehört
zu einem Gebiet, das die Franziskaner besitzen. Leider gestattet
die kleine Kartenskizze auf S. 2 zusammen mit dem beigelegten
Plan im Maßstab 1 : 150, der die gegenseitige Lage der
Gräber darstellt, nicht, das Grabungsfeld genau zu lokalisieren,
wie auch nicht ersichtlich wird, ob die Grabung die gesamte Nekropole
freigelegt hat oder ob nur ein durch Zufälligkeiten begrenzter
Teil eines größeren Gräberfeldes freigelegt worden ist.
Sieht man über diese Unsicherheit hinweg, dann ist man für den
Plan der Nekropole ebenso dankbar wie für die Strichzeichnungen,
die Schnitte durch Grabanlagen, Ossuare, Inschriften, Gefäße und
mannigfaltige Klcinfundc vorführen. Noch dankbarer ist man für
die 131 Photographien, die die wichtigsten Grabanlagcn und
Fundstücke festhalten.

Die Nekropole ist leider stark zerstört, zum Teil durch Einbruch
der zu schwachen Decken, zum Teil aber anscheinend auch
durch menschliche Eingriffe und Grabplünderungen. Es lassen sich
in der Hauptsache drei Grabtypen unterscheiden: Schiebegräber
(kökim), Arkosolgräber und einzelne Schachtgräber. Die Schiebegräber
bilden die ältere Gruppe und sind nach den Grabbeigaben
und Münzen etwa von 100 v. Chr. bis zum Aufstand Hadrians in
Gebrauch gewesen. Die Arkosolgräber ebenso wie die Einzelgräber
sind jünger und gehören der Zeit von der Mitte des
3. Jhdts. n. Chr. bis vielleicht ins 5. an.

Gefunden wurden 7 Sarkophage, zum Teil mit Pflanzenornamenten
oder Rosetten geschmückt, nicht jedoch mit figürlichen
Darstellungen. Die ausgegrabenen Ossuare zeigen die üblichen
Strich- oder Kerbschnittmuster. Sie, nicht die Sarkophage,
tragen zum Teil Namen, eingeritzt oder eingegraben oder mit
Rußtintc aufgeschrieben. Ihre Lesung und Besprechung ist J. »•
Milik zu danken, der jeweils auch die sonstigen Vorkommen de*
Namens im AT und in Neutestamentlicher Zeit notiert. Das
Sprachenverhältnis ist dabei 7 hebräische zu 11 aramäischen und
11 griechischen Inschriften. Einige Namensträger werden als
Proselyten bezeichnet. Unter den Lampen ist vielleicht nur eine
ausgesprochen jüdischer Herkunft (Fig. 26,15); 6ie ordnet in einer
geraden Reihe nebeneinander 7 Lichttüllen an und trägt als
Schmuck eine Architekturdarstellung: 3 auf quadratischen untereinander
durch Zwischenstücke verbundenen Sockeln stehende
Säulen werden von Rundbogen überwölbt. In den Halbkreise"
sitzen wieder Bossen; zwischen den Säulen befinden sich fast
quadratische Felder, die von Diagonalen durchschnitten sind, in
deren Vierteln kleine Kreise sitzen. Man wird an Darstellungen
des ThorasdiTeines auf Goldgläsern usw. erinnert.

Die gefundenen Kleinobjekte sind sorgfältig registriert und
besprochen. In einer abschließenden Zusammenfassung versudit
Bagatti, die älteren Begräbnisstätten als ursprünglich weithin
judenchristlich zu bestimmen. Nun ist auf einem Ossuarbruchstück
tatsächlich ein konstantinisches Christusmonogramm festgestellt
worden, für das eine Herkunft aus dem 1. Jhdt. vorgeschlagen