Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 7

Spalte:

541-545

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Katholische Reformation 1959

Rezensent:

Mumm, Reinhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

541

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 7

542

sdiiedener Mächte gibt" (63), so daß R. S. 65 ff. von dem „not
wendigen Antagonismus in der Kirche" spricht, und die praktischen
Folgerungen, die er daraus zieht, sollen „unvermeidlich
einen gewissen kritischen Charakter haben" (50). Doch spricht
R. dann davon, daß die „Charismen", die wohl unabhängig vom
Amte in der Kirche aufbrechen, auf die Dauer der „institutionellen
Lenkung" bedürfen (52 ff.), und daß es der Fehler der
Reformation gewesen sei, das nicht recht erkannt zu haben (54).
Es wird in der Kirche kein echtes Charisma ohne „das Leid des
Charismas" (68 ff.) geben können, und gleichwohl — oder eben
darum — ruft R. zum Schluß zum „Mut zu neuen Charismen" in
der Kirche (73 ff.) auf.

Der dritte, ausführlichste Aufsatz geht dem gen. Motiv in
theologisch-erkenntnistheoretischer und
ontologischer Hinsicht nach, und zwar im Verfolg einer
Grundanalyse der „Wahlregeln" in den Exerzitien des Ignatius
von Loyola mit ihrer Methodik des Innewerdens unmittelbarer
göttlicher Berufung an den Einzelnen und der Entscheidung für
sie, die schlechthin individuell ist. „Ignatius setzt stillschweigend
eine existentiale Ontologie voraus, in der eine sittliche Entscheidung
ak Individuum nicht bloß der Fall allgemeiner sittlicher
Normen ist, sondern in der es mindestens im Bereich der
sittlichen Entscheidung das positiv Individuelle, Einmalige gibt,
<h»s nicht nur negative Eingrenzung eines Allgemeinen ist, wie
zwischen dem materiellen Einzelnen und seiner Wesensidee nach
altscholastischer, thomistischer Auffassung" (96), sondern „es
gibt in dem Sinn das Einzelne . . ., das als solches . . . eine positive
und inhaltliche Eigenart hat, die grundsätzlich und absolut
einmalig ist" (97). Diese „Individualontologie" (100) im Gottesverhältnis
arbeitet R. dann des näheren heraus, und es ist erstaunlich
, wie „modern" anmutende Motive er dabei hinter den
Exerzitien des Ignatius aufspürt, die er dann als Fragen an die
katholische Theologie heute sprechend macht (104 ff.). Dabei
grenzt er sich betont gegen eine „existentialistische" Interpretation
ab: „Der Verfasser . . . denkt . .. nicht im entferntesten
daran, aus Ignatius einen modernen Existentialisten zu machen,
für den das „Dasein" ohne Essenz allgemeiner und mittelbarer
Art 6ich nur in eisiger Einsamkeit und Unaussagbarkeit mit
Hilfe einer absolut individuellen Existential- und Situationsethik
. . . steuert. Wir sind aber der Meinung, daß sich Ignatius
auch nicht vor die Alternative stellen läßt, entweder ein reiner
Existentialist zu sein oder von der Wirklichkeit des christlichen
Daseins, der freien Entscheidung vor Gott, der Findung des göttlichen
Willens nur das zu wissen und zu leben, was inhaltlich in
eine — notwendige und wichtige — Ethik allgemeiner Wesenheiten
hinein eingefangen werden kann" (80 f.).

Diese wenigen Proben müssen genügen. Sie möchten dazu
einladen, sich mit der Art, wie R. hier den betr. wichtigen Motiven
beharrlich und gründlich und auch programmatisch nachgeht
, eingehend zu beschäftigen. Es ist höchst bemerkenswert,
wie diese Motive, die wir bei uns mei6t auf Kierkegaardschen
tinfluß zurückführen, 6ich auf ihre Weise in deT heutigen katho-
»schen Theologie geltend machen, und es bieten sich dadurch
zweifellos neue Ansatzpunkte für Gesprächsmöglichkeiten, die
sich fruchtbar auswirken können.

Münster/W. Ernst Kinder

A s m u s s c n, Hans, F i n c k e, Ernst. Lackmann, Max, Lehmann
, Wolfgang, B a u m a n n, Richard: Katholische Reformation.

Stuttgart: Schwabcnverlag [1958). 239 S. 8°. DM 5.50.

Das vorliegende Buch stammt aus dem Kreis der ,,S a m m -
u n g", der durch die oben genannten Verfasser repräsentiert
Wlrd- D. A s m u s s e n DD. braucht der kirchlichen öffentlichst
"i(ht vorgestellt zu werden. E. F i n c k e ist als Pfarrer und
YanKenhau6seclsorger in Frankfunt/M. tätig, W. Lehmann
ate Gemeindepfarrer in Offenbach/M. M. L a c k m a n n ist be-
re>ts als Student und Schüler K. Barths in der Schriftenreihe
>• Ideologische Existenz heute" 1934 hervorgetreten, wurde später
verfolgt und hat nach dem Kriege systematisch- und praktisch-
theologische Werke veröffentlicht (s. ThLZ 1958. Nr. 1). die zum
Hintergrund des vorliegenden programmatischen Buches gehören
; L. ist heute Pastor in Soest i. W. R. B a u m a n n war Pfarrer
in Württemberg und hat sein Amt auf Grund eines Aufsehen
erregenden Lehrprozesses wegen seines ausführlich begründeten
Bekenntnisses zum Papsttum niederlegen müssen; er lebt heute
in Tübingen. Schließlich gehört zum leitenden Kreis der „Sammlung
" Gustav Huhn, Heimleiter auf der schönen Burg Fürsteneck
bei Hersfeld im Hessenland.

Die „Sammlung" ist in den Jahren 1954—57 mit 7 Sendschreiben
an viele Pfarrer und andere Christen im Osten und
Westen Deutschlands hervorgetreten, die unter dem (bereits nach
dem 1. Weltkrieg von Bischof Otto Dibelhis gegebenen) Stichwort
„Im Jahrhundert der Kirche" ausgingen. Die Reihe der
Rundschreiben ißt abgeschlossen, das vorliegende Buch gibt sie
noch einmal wieder und erläutert sie durch Beiträge der 5 Verfasser
:

M. Lackmann, Ruf der evangelischen Christenheit zur katholischen
Erfüllung.

E. Fincke, Die katholische Wahrheit im NT /1. Das Leben
der Kirche.

R. Baumann, Die katholische Wahrheit im NT / II. Ordnung
und Vollmacht der Kirche.

H. Asmussen, Katholische Wahrheit, Tradition und Amt.
Außerdem hat A. die Einleitung unter theologischen und kirchlich
-politischen Gesichtspunkten verfaßt.

W. Lehmann, Die Bedeutung verlorener katholischer Wahrheiten
für das Leben der Gemeinde.

Dieser Beitrag faßt die praktische, soziale und seelische
Situation des heutigen Menschen und der evangelischen Gemeinden
und Kirchen in Deutschland ins Auge.

Wie die Überschriften dieser Aufsätze bereits zeigen, ist der
Gesamttitel des Buches bewußt so ungewöhnlich gewählt worden
„Katholische Reformation". H. Asmussen bestimmt diesen
Titel folgendermaßen:

..Sören Kierkegaard sagte, die lutherische Reformation habe ein
Korrektiv der römischen Kirche sein wollen. Wenn aber dieses Korrektiv
zum Regulativ werde, dann werde es damit zu einer Verderbnis
der Kirche. Das ist zweifellos richtig. Denn wir kommen von der römisch
-katholischen Kirche nicht los. Von ihr kommen wir her und mit
ihr können wir allein unsere Erfüllung finden. In dem Maße, wie das
geschieht, erfüllen wir aber auch unsere Bestimmung, Korrektiv zu sein.
Und in dem Maße ereignet sich .Katholische Reformation' " (S. 23)1.

Was wollen die Verf. der „Katholischen Reformation"?
Das kommt am besten zusammenfassend und übersichtlich in den
mit dem 7. Rundbrief veröffentlichten „Evangelischen Aussagen
zu katholischen Wahrheiten" zum Ausdruck:

1- Die evangelische Kirche lehrt nicht „das ganze Wort Gottes";
sie verkürzt das NT um ihrer „sonderkirchlichen Prinzipien" willen.
Wir müssen als „Kirche des Neuen Testamentes und des apostolischen
Glaubensbekenntnisses" die verlorenen „katholisdien Wahrheiten
" wieder zur Gltung bringen.
Diese sind:

-.2. Die Fleischwerdung des WORTES und die christlichen Glaubensgeheimnisse
(Mysterien)". Hier geht es besonders um „das Zusammenwirken
von göttlichem und menschlichem Tun in den Mysterien
" (Wort und Sakramenten), weil Schöpfung und Erlösung
zusammengehören.

..3. Gnade und Freiheit":

„Es ist ebenso eine katholische Wahrheit, daß wir allein aus Gnaden
gerettet werden, wie es eine evangelische Wahrheit ist, daß
Gott uns nicht ohne uns selbst rettet." Gott lohnt das gute Werk
und rettet uns doch aus Gnade.

„4. Das Mysterium der Kirche":

Christus „setzt Sein Leben und Wirken fort auch im Leben und
Wirken Seines Leibes, der Kirche. ... Darum ist die Kirche ...
sichtbar, auch in ihrer von Gott geschaffenen Rechtsgestalt."
5. „Haupt" und „Leib":

„Die Kirche lebt von dem ... Opfer Christi; .. . doch .. . nicht
... ohne das ... Mitopfer ... der Kirche (Kol. 1, 24)."
„Immer gilt beides: das Gegenüber und die Einheit von Christus
und seiner Kirche."

') Das vorliegende Buch unter diesem Titel ist wohl zu unterscheiden
von dem 1957 erschienenen Sammelwerk „Die Katholizität der
Kirche", das ebenfalls von H. Asmussen, dazu von Bischof Wilhelm
Stählin herausgegeben worden ist (Ev. Verlagswerk Stuttgart).