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Ausgabe:

1959 Nr. 7

Spalte:

516-519

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Baeck, Leo

Titel/Untertitel:

Aus drei Jahrtausenden 1959

Rezensent:

Ehrlich, Ernst Ludwig

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 7

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als es bei der starken Absetzung des Kommentares von beiden
den Anschein erweckt. Man wird sicher damit rechnen müssen,
daß der zentrale Kult des Herbstfestes in der Königszeit einem
gewissen Wandel unterworfen war. Gerade von hier aus erhebt
sich aber die Frage, ob man dann nicht den Anregungen der mit
einer Königsideologie rechnenden Forscher doch noch gründlicher
, wenn auch durchaus mit Vorsicht, nachgehen könnte als
es bei Kraus der Fall ist. Die Hauptfrage an das Bild des israelitischen
Festkultes, wie er es gezeichnet hat, bleibt, ob der allgemein
israelitische Bundesgedanke in dem Südreich wirklich
soweit zurücktrat, daß man nicht mehr von einem Bundesfest,
sondern nur noch von einem Zionsfest reden kann.

Die der Vorbereitung kirchlicher Verkündigung dienenden
Zielangaben sind im großen und ganzen mit exegetischer Zurückhaltung
gemacht. Kraus hütet sich offenbar mit Recht davor, dem
Prediger die eigene Meditation und die gründliche Besinnung
über das Verhältnis der Aussagen des Psalmes zu denen des
Neuen Testaments zu ersparen.

Trotzdem ist der Leser gelegentlich überrascht, wenn der Exeget
von einer „geheimnisvollen Transparenz" eines Psalmes für die ncu-
testamentliche Botschaft oder von einem Hinausdeuten über die betende
Einzelexistenz spricht, vgl. etwa S. 24 f. und S. 127 oder S. 102. In diesem
Punkte bleiben Wünsche für die Schlußlieferungen offen.

Wünsche bleiben auch hinsichtlich der Literaturangaben. Gelegentlich
werden bei der kritischen Auseinandersetzung wohl die Namen,
nicht aber die Werke der Gelehrten genannt, vgl. etwa S. 15 (Engnell
und Widengren). Auch die Abhängigkeit eigener Formulierungen von
anderen Autoren dürfte bisweilen stärker hervorgehoben werden. Vgl.
etwa S. 7: „In der Weisheitslehre hat diese Schwarzweißtechnik zweifellos
eine erzieherische Tendenz." Mit ATD 14/154, S. 70: „...diese
Art in 6chwarz und weiß zu malen, . .. verrät die erzieherische Absicht
etc". Nachzutragen wären etwa bei den Königspsalmen und Zions-
liedern Hinweise auf A. R. Johnson's Sacral Kingship in Ancient Israel,
Cardiff 1955, bei der Erörterung der Frage nach dem Thronbesteigungsfest
Claus Westermanns, Das Loben Gottes in den Psalmen, Göttingen
1954, S. 106 ff., und zu Ps. 58 Otto Eißfeldt, El and Yahweh, ISS 1,
1956, S. 25-37.

Durch eine knappere Behandlung der metrischen Probleme
und stärkere und radikalere Anwendung von Querverweisen,
vgl. etwa die immer noch zu großen Überschneidungen S. 3 52
mit 202 f,; 349 mit 204 f.; 357 mit 341, läßt sich sicher in
den ausstehenden Lieferungen ebenso der Raum für eine einsichtigere
Auseinandersetzung mit anderen Meinungen gewinnen
wie durch eine stilistische Straffung, der zumal die reichlichen
Fragesätze geopfert werden könnten.

Tübingen Otto Kaiser

A 11 e g r o, J. M.: More Isaiah Commentaries from Qumran's Fourth
Cave.

Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 215-221.
Baumgarten, Joseph M.: Qumran Studies.

Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 249-257.
Evans, Geoffrey: "Coming" and "Going" at the City Gate — a Dis-

cussion of Professor Speiser's Paper.

Bulletin of the American Schools of Oriental Research Nr. 150, 1958
S. 28-33.

Garber, Paul Leslie: Reconsidering the Reconstruction of Solomons
Temple (with comments of W. F. Albright and G. E. Wright).
Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 123-128.

Glueck, Nelson: The Sixth Season of Archeological Exploration in
the Negeb.

Bulletin of the American Schools of Oriental Research Nr. 149, 1958
S. 8-17.

G r e e n b e r g, Moshe: On Ezekiel's Dumbness.

Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 101-105.
Irwin, William A.: A Still Small Voice ... Said, what are You

Döing Here?

Journal of Biblical Literature LXXVIII, 1959 S. 1-12.
Mendenhall, George E.: The Census Lists of Numbers 1 and 26

Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 52—66.
Scott, R. B. Y.: The Hebrew Cubit.

Journal ob Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 205—214.
Smith, Morton: What is Implied by the Variety of Messianic Figures?

Journal of Biblical Literature LXXVIII, 1959 S. 66—72.

Speiser, E. A.: Census and Ritual Expiation in Mari and Israel.
Bulletin of the American Sdiools of Oriental Research Nr. 149, 1958
S. 17—25.

Wright, G. Ernest: Archeology and Old Testament Studies.

Journal of Biblical Literature LXXVII, 1958 S. 39—51.
Ziegler, Joseph: Die Vorlage der Isaias-Septuaginta (LXX) und die

erste Isaias-Rolle von Qumrän (lQIsa).

Journal of Biblical Literature LXXVIII, 1959 S. 34—59.

IUDAICA

Baeck Leo: Aus drei Jahrtausenden. Wissenschaftliche Untersuchungen
und Abhandlungen zur Geschichte des jüdischen Glaubens. Mit einer
Einführung v. Hans Liebeschütz. Tübingen: Mohr 1958. VI, 402 S.
gr. 8° = Veröff. d. Leo Baeck Institute of Jews from Germany.
DM 17.50; Lw. DM 21.—.

Das „Leo Baeck Institute" (Jerusalem/London/New York)
hat diesen bereits im Jahre 1938 zum ersten Male erschienenen
Sammelband neu herausgegeben, da das Buch seinerzeit von der
Gestapo sofort nach Erscheinen beschlagnahmt wurde. Hans
Liebeschütz schickt nun diesem Neudruck eine treffliche Einführung
voraus, in der er das Denken, den geistigen Hintergrund
und die Persönlichkeit Leo Baecks würdigt. Im ersten Aufsatz
versucht Baeck die Frage zu beantworten, ob das Judentum in
seiner Glaubensform eine Religion ohne Dogmen sei. Vor allem
hat die katholische Kirche eine klare Begriffsbestimmung des
Dogmas gegeben (Vatikanisches Konzil, Sessio III, c. 3): Der von
Gott gebotene und von der Kirche gelehrte Glaube fordert alles
das zu glauben, „was im geschriebenen oder überlieferten Worte
Gottes enthalten ist und von der Kirche ... als göttlich geoffenbart
vorgelegt wird". Grundlage des Dogmas ist also der OfTen-
barungsinhalt sowie die ordnungsgemäße Entschließung der Kirche
. Auch der Protestantismus kennt den Lehrsatz, hinter welchem
eine obrigkeitliche Gewalt 6teht. Das Judentum hingegen
enthält zwar auch das Wissen um eine Offenbarung, es besitzt
die heilige Schrift und eine Tradition, die charakteristische
Glaubenslehren aufweist, dennoch hat dem Judentum die Behörde
gefehlt, die befugt gewesen wäre, Glaubenssätze als Dogmen zu
verkünden und diese entsprechend durchzusetzen. Die Entscheidungen
des Synhedrion galten als abrogierbar (Edujot I, 5; V, 7).
Dazu kommt, daß wir kaum über festgelegte Bestimmungen dieser
Behörde unterrichtet sind. Wohl gibt es eine Reihe von Lehren
, in denen zum Ausdruck kommt, was verwerflich ist (Sanh.
X, 1; Chag. II, 1), doch handelt es sich hier nur um Lehrmeinun-
gen 6ehr verschiedenen Charakters; eine genaue Formulierung
von Glaubensbegriffen fehlt. Erst das mittelalterliche Judentum
hat schließlich mit der Aufstellung von Glaubensartikeln begonnen
. Diese konnten jedoch nicht zu Dogmen werden, weil
keine Glaubensbehörde vorhanden war. Das Judentum hatte an
die Stelle des Dogmas das Suchen und Forschen in der heiligen
Schrift und im Traditiortsgute gesetzt. Auch ohne äußere Stütze
standen Glaubensprinzipien fest, die als ein „Ferment der Komposition
" wirken konnten.

In dem Aufsatz „Romantische Religion" unternimmt Baeck
den Versuch einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Judentum
und Christentum. Als Exponenten einer „romantischen Religion
" sieht hier Baeck vor allem Paulus, wobei aber offenbar
die hellenistischen Elemente der paulinischen Theologie über Gebühr
betont werden. Die Forschung des letzten Jahrzehnts hat
nun erwiesen, daß kleinasiatische Mysterien von geringerem Einfluß
auf Paulus geblieben sind, als man dies früher annahm. Von
größerer Bedeutung ist vermutlich die Verarbeitung sektiererischer
jüdischer Theologie gewesen, die Paulus umformte und
so dem urchristlichen Glauben anpaßte (vgl. dazu z.B. D. Flusscr
in: Scripta Hierosolymitana IV, 1958, S. 215ff.; F. M. Cross, The
Ancient Library of Qumran, 1958, S. 146 ff.). Von ungemin-
derter Aktualität ist dann freilich Baecks Auseinandersetzung mit
der lutherischen Gesetzesfeindlichkeit. Im Unterschied zum Ja'
kobusbrief, der Glauben und Werke anerkennt, hat Luther das
Gesetz aus dem Evangelium eliminiert. Religion ist auf diese
Weise zum kontradiktorischen Gegensatz zur Ethik geworden:
Entweder Glaube oder EthikI Der Protestantismus hat schließlich
in der Nachfolge Luthers die Sittengebote in das Gebiet des