Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 1

Spalte:

25-44

Autor/Hrsg.:

Reinerth, Karl

Titel/Untertitel:

Ein neuer liturgiegeschichtlicher Beitrag zur Erforschung der Herkunft der Siebenbürger Sachsen 1959

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5, Seite 6, Seite 7, Seite 8, Seite 9, Seite 10

Download Scan:

PDF

25

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 1

26

Spr. 126. [Jede] Pflanzung [des] (30) Himmels pflanzt mein
Vater, der im Himmel ist, [ohne] / sie (wieder) auszureißen219-
Die Getrennten220 werden vereinigt [werden]. / Sie werden sich
füllen. Alk, die in das Schlafgemach (xotzdbv) I [eingehen] werden,
werden die [Fülle] erzeugen. Denn [sie] erzeugen / [nicht] so wie
bei den Hochzeiten (woc), die [wir vor Augen] haben, [die] (35)
in der Nacht geschehen. Das Feuer [brennt] (134, 1) in der Nacht
und wird gelöscht. Die Mysterien {paiox^oto») dieser / Hochzeit
(yiftot)221 aber vollenden sich am / Tage und im Lichte. Jener
Tag oder (q) / sein Licht gehen nicht unter.

Spr. 127. Wenn jemand zum Kind (5) des Brautgemaches
(vvprpd>v)v/hd, wird er das Licht empfangen. / Wenn jemand es

*»•) Vgl. Iren. I 6,2 (Völker 115, 22-31).

■M) Gemeint sind vermutlich die Engel des Soter und deren Abbilder,
die Spermata.

2"1) Die Hochzeit der Engel des Soter mit den Spermata.

nicht empfängt, solange er in diesen Orten ist, wird er es an
dem / anderen Ort nicht empfangen können. Wer jenes Licht
empfangen wird, / wird nicht gesehen werden, noch (ovie) wird er
festgehalten / werden können. Und niemand wird diesen auf
diese Weise (10) plagen (oxvttav) können, sei es daß (xäv) er in
der Welt (xoofioq) I wandelt (nohzeveodat), sei es auch daß er die
Welt (xdafiog) I verläßt"2. Er hat die Wahrheit (Akfötui) schon
(v^v) in den Bildern (elxiöv) I empfangen22'1, und die Welt (xda^nS)
ist zum Äon (attöv) geworden. / Denn der Aon (alwv) existiert für
ihn (schon) als Vollendung (nt)oo>iia), (15) und er existiert auf
diese Weise: Er ist ihm allein / offenbar, indem er nicht verborgen
ist in der Finsternis und der Nacht, / sondern verborgen ist
in einem vollkommenen (rrXeiov) Tage / und einem heiligen Lichte.
Das Evangelium (evayyekwv) I nach (xatd) Philippus.

2") Vgl. Spr. 106.

"*) Vgl. Spr. 12. 67. 69. 124; p. 133, 12-16.

Ein neuer liturgiegeschichtlicher Beitrag zur Erforschung der Herkunft der Siebenbürger Sachsen

Von Karl R e i n e r t h, Hermannstadt

fraternitatem per cybynium" —, einem besonderen Zweck. — Auch
die übrigen sieben Handschriften teilen sich in zwei Gruppen, die
besonders im Aufbau der Weihehandlungen, aber auch sonst zuweilen
voneinander abweichen und darum als Cib 1 und Cib 2
zu unterscheiden sind. Wir halten uns bei beiden Gruppen an die
älteste Handschrift: das ist bei Cib 1 ein Vollmissale aus der
Mitte des 14. Jahrhunderts3, doch werden wir als Ergänzung ein
Vollmissale hinzunehmen, das unter allen das reichhaltigste ist
und der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehört4; von Cib 2
•st die älteste Handschrift genau datiert: sie ist von dem aus
Regensburg stammenden Gioßschenker „Regens" Henricus Halbgebachsen
1430 geschrieben worden5.

Die neunte Missale-Handschrift, die sich noch im Besitz der
Heltauer Kirchengemeinde befindet — ebenfalls ein Vollmissale —,
dürfte um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden sein und
stellt einen völlig selbständigen Typus dar, der dem Cibiniense
nicht näher verwandt ist als etwa ein Kölner oder niederdeutsches
Meßbuch. Besonders aufschlußreich ist, daß der ursprüngliche
Kanon dieses Meßbuches herausgeschnitten und dafür im 15. Jahrhundert
der Kanon aus dem Cibiniense eingesetzt wurde: ein
deutliches Zeichen dafür, daß um 1400 das Cibiniense alle anderen
Typen in 6einem Kapitel zu verdrängen strebte".

2. Ein Graduale: dieser Prachtkodex — Großfolio —
War ursprünglich Eigentum der Kronstädter Kirchengemeindc.
Wurde dann im Namen der Kronstädter Bibliothek 1782 dem
Gouverneur von Siebenbürgen Samuel von Brukenthal als Ehrengabe
überreicht und seither in der Handschriften-Abteilung des
"ach ihm benannten Museums aufbewahrt. Schreiber sowohl wie
Illuminator müssen in ihrem Fach Künstler ersten Ranges gewesen
sein. Die Schriftzüge weisen auf die Wende vom 15. zum 16.
Jahrhundert hin. Die Noten — ebenso wie die Schrift in gotischer
Form — sind in ein fünfliniges System gebracht. Besonders aus
den Hallelujaversen ergibt sich klar, daß diese Handschrift ebenfalls
dem Typus Cib 1 angehört, d. h. aber, daß der in Kronstadt
übliche Gottesdienst nicht wesentlich anders als in Hermannstadt
gefeiert wurde. Da nun Hermannstädter und Burzenländer Kapitel
sich im Mittelalter als der Milkover Diözese zugehörig betrachteten
, ist das den Ritus ihrer Kirchen bestimmende Meßbuch korrekt
als „Missale Milcoviense" zu bezeichnen. Dies ist ein deutliches
Zeichen dafür, daß die Milkover Diözese, der von den Historikern
meist nur ein Schattendasein zuerkannt wird, in litur-

In seinem historischen Schauspiel: „Die Flandrer am Alt"
— erschienen 1883 — stellt der siebenbürgische Dichter Michael
Albert den Anteil der Priester an dem Werk der Auswanderung
der Vorfahren der Siebenbürger Sachsen vom Rhein und ihrer Einwanderung
nach Siebenbürgen im 12. Jahrhundert u.a. noch in
der Weise dar, daß die den Siedlerzug begleitenden Geistlichen
zwar die Weinrebe, unter ihrer Kutte verborgen, vom Rhein mitzubringen
und nach Siebenbürgen zu verpflanzen nicht versäumt,
dagegen auf ihre gottesdienstlichen Bücher: Brevier und Missale
vergessen hätten1. Diese Darstellung haben nun die seither durch
liturgiegeschichtliche Forschung gewonnenen Erkenntnisse als unhistorisch
erwiesen. Die den Einwanderungszügen jeweilig angehörenden
Priester haben ihre gottesdienstlichen Bücher, wenn auch
nidit schon als Vollbrevier und Vollmissale, so doch deren ursprüngliche
Teile: Sakramentar, Lektionar, Antiphonar usw. nicht
nur mitgebracht, sondern auch ihren Nachfolgern getreu übergeben
, so daß wir 6ie heute zwar nicht mehr besitzen, aber doch
aus den uns erhaltenen Handschriften annähernd zu rekonstruieren
in der Lage sind. Daraus ergibt sich uns zugleich die Aufgabe
, die Frage aufzuwerfen und nach Möglichkeit zu beantworten
: ob und wieweit die ursprünglicheHeimat die-
«er mitgebrachten liturgischen Handschriften
sich bestimmen läßt?

I.

Zunächst gilt es einen Überblick über die in Betracht kommenden
liturgischen Handschriften der sieben-
bürgisch-sächsischen Kirche zu gewinnen. Aus dem Mittelalter
sind uns bis heute erhalten geblieben:

1. Neun Meßbücher, von denen sich acht in der
Handschriften - Abteilung des Brukenthal - Museums in Hermannstadt
befinden. Diese können alle unter der Bezeichnung: „Missale
Cibiniense"2 zusammengefaßt werden, weil sie aufs engste miteinander
verwandt sind und eine einzige „Familie" bilden. Unter
ihnen nimmt das sog. „Kleinscheuerner Meßbuch" eine gewisse
Sonderstellung ein: es ist 1394 vom Kleinscheuerner Pleban
Michael zusammengestellt worden, enthält aber nur die höheren
Feste und Sonntage von feierlicherem Charakter, auch nur eine
Auswahl von Heiligenfesten, dafür eine verhältnismäßig reiche
Anzahl von Votivmessen. In Deutschland pflegten ähnlich zusammengestellte
Meßbücher von höheren Geistlichen verwendet
zu werden. Auch dieses Missale diente, der Überschrift nach zu
schließen — „Incipit liber specialis missarum. Qui pertinet ad

Wo .Miduel A'bert: Die Flandrer am Alt. I. Akt, 2. Szene: Hermann:
rascht ,Ihr daS Brevier und das Missale? Nikolaus: (starrt ihn über-
vergess sdlweiScnd an) Eppo: Verzeiht uns Herr, die haben wir

3) zitiert: „C9". *) zitiert: „C5". 6) zitiert: „C4 .

*) zitiert: „Chi". Diese Handschrift ist von der bisherigen tot-
schung völlig unbeachtet geblieben und wird erst in meiner &rbeU
..Das Heltauer Missale und «ein Verhältnis zum Gottesdienst in der Ur-
) vn r, ! heimat der Siebenbürger Sachsen" (Maschinenschrift) in ihrer Bedeutung

on Ubinium - Hermannstadt. i ins rechte Licht gerückt.