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Ausgabe: | 1959 Nr. 6 |
Spalte: | 467-468 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Althaus, Paul |
Titel/Untertitel: | Die Kraft Christi 1959 |
Rezensent: | Hupfeld, Renatus |
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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6
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Sollte sich die Isolierung der Aspekte gerächt haben? Darf
man die theologische Sicht der Kirche im engeren Sinn so weitgehend
ausscheiden, wie R. es tut? Kirchlichkeit dürfte dort ihre
Grundlegung erfahren, wo die Gegenwart Gottes in Christus und
im Geist, d. h. im Wort und Sakrament wirksam wird und wo
sich mit dem Glauben die Liebe eint, die im Weg zum Mitmenschen
soziale Wirklichkeit instrumental nutzt oder neu erschafft
. Wir stehen damit vor der Position der alten, klassischen
Religionssoziologie, die genau nach dem fragte, was wir eben in
den Blick bekamen: die Wirkungen des Glaubenslebens auf die
Gesellschaft. Sollten Männer wie Bruno Gutmann heute vergessen
sein? Auch 6ie entgingen dem Argwohn des Romantisierens
nicht, obgleich sie Gemeindeaufbau aus dem Evangelium
erstrebtea
Nachdem wir mit R. diskutiert haben, dürfen wir ihm ehrlich
bezeugen, daß er uns ein höchst anregendes Erstlingswerk geschenkt
hat. Noch manches hätte kräftige Hinweise verdient, so
die Ausführungen zur „distanzierten Kirchlichkeit", die durch
neue kirchliche Arbeitsformen (Akademien!) heraufgeführt würde.
Müssen nicht sehr weitgehende Folgerungen aus dem „neuen
Gemeindebegriff" gezogen werden, der den neuen übergemeindlichen
Organisationsformen nachfolgt, durch welche die alten
Parochien erfaßt und — gewandelt werden? „Gesucht wird nicht
der Mensch als Glied der einen Gemeinde, im umgrenzten und
überschaubaren Zusammenhang, sondern der Mensch als Glied
der Gesellschaft, an einem sozialen Ort in der Vielgestaltigkeit
de6 Lebens" (125). Da bleibt die Untersuchung stehen. „Diese
neuen Gestaltungsversuche überschreiten den Rahmen einer
Untersuchung der Struktur der Gemeinde" (126).
Rostock Gottfried Holl:
PRAKTISCHE THEOLOGIE
A 1 t h a u s, Paul: Die Kraft Christi. Predigten. Gütersloh: Bertelsmann
[1958]. 240 S. 8°. Lw. DM 9.80.
Paul Althaus gehört zu den Predigern, die sich sowohl im
unmittelbaren Vollzug des Predigens, wie auch auf dem Weg gedruckter
Predigtbände eine große und dankbare Gemeinde schon
seit langem geschaffen haben. Von Anfang an zeichnete sich seine
Verkündigung durch ihre seelsorgerliche Zuspitzung aus. Er befindet
sich — das ist seine Eigenart auch in diesem Predigtbande —
dauernd im Gespräch mit seinen ganz konkret mit allen ihren
Nöten und Fragen ins Auge gefaßten Hörern. Er geht dabei keinem
Problem aus dem Wege und schneidet gegebenenfalls auch
schwierige Fragen offen vor der Gemeinde an, z. B. wie Gottes
Wort, das doch als Menschenwort zu uns kommt, wirklich uns
unmittelbar anredendes Wort Gottes sein kann (167 ff.). Er
macht sich kein falsches Bild von den Angeredeten, sondern geht
in der Aufdeckung innerer Zwiespältigkeiten sogar reichlich weit
(vgl. S. 123 ff., in einer Predigt über Psalm 42, 6, in der das Positive
: „Harre auf Gott" nur sehr kurz zu Wort kommt). Er
sucht immer wieder die Zuhörer, bzw. die Leser dazu zu bringen,
den Weg vom „Gedanken zum Leben" (nach Martin Kählers feinem
Vers) eindrücklich zu machen, d. h. die Gefahr einer rein
intellektuellen oder gefühlsmäßigen Glaubenshaltung durch einen
energischen Appell an den Willen, an das „Tun der Wahrheit",
zu überwinden. Er geht dabei gelegentlich auch auf die heutige
theologische Diskussion kurz ein, z. B. in der Abweisung einer
Position, die sich auf das „kerygma" als letzte Instanz zurückzieht
, statt dem Hörer das Wort des lebendigen Herrn unmittelbar
begegnen zu lassen (in einer Predigt über das Damaskuserlebnis
des Paulus (S. 147 ff.), die nach einer 6ehr ausgiebigen,
übrigens nicht in allen Partien einleuchtenden Nachzeichnung des
paulinischen Erlebnisses in sehr feiner Weise diesen entscheidenden
uns angehenden Punkt herausarbeitet).
Was aber diese Predigten von den erstveröffentlichten
Rostocker Predigten z. B. deutlich unterscheidet, ist die vorbildliche
Knappheit ihrer Aussage, wie sie z. B. besonders eindrücklich
in der Osterpredigt S. 64 ff., aber auch sonst immer wieder
hervortritt, ist zudem die Schlichtheit des Gedankengangs; es
wird an keiner Stelle akademisch gesprochen, vielmehr immer so,
daß in einer jedem Christenmenschen verständlichen Weise der
Text ausgelegt wird. Da6 ist sicher auch in der Tatsache begründet
, daß die Rostocker Predigten in einem ausgesprochen akademischen
Gottesdienst fehalten wurden, während in Erlangen
die Predigten gleichzeitig einer Parochialgemeinde zu dienen
hatten.
Überraschend war für den Rezensenten, daß — wohl eine Folge
der wesentlich seelsorgerlich ausgerichteten Art der Predigt —
die Frage, ob vielleicht die vom Wort Gottes angeredete Gemeinde
als Gemeinde Christi der Welt gegenüber eine
Sendung habe, kaum anvisiert wird. Auch wenn zu politischer
Verantwortung aufgerufen wird, wird das Individuum angeredet
und ihm eindrücklich gemacht, daß es im Rahmen seines Berufs
politische Verantwortung zu tragen habe. Wenn man sich vergegenwärtigt
, daß die neutestamentliche Botschaft ja immer die
Gemeinde im Blickpunkt hat, so entsteht hier die Frage, ob diese
Predigten, die ja durchaus um Textgemäßheit ringen, in vollem
Maße textgemäß sind. Gewiß wird in der Osterpredigt über
1. Kor. 15, 20 ff. (S. 71 ff.) auch auf die kosmische Bedeutung der
Auferstehung Christi hingedeutet und S. 78 auch der Trost entfaltet
, den die Gemeinde durch die Botschaft vom kommenden
vollendeten Reich, die in der Auferstehung Christi begründet
ist, erfährt. Aber meist beziehen sich die Predigten doch auf die
Freude, die Freiheit, die Verantwortung, den Trost des Einzelnen
. Vielleicht ist es ein Zufall, daß jener andere Gesichtspunkt
gerade in diesen Predigten in den Hintergrund tritt, vielleicht
aber ist es auch darin begründet, daß dem Verf. in seinem Erfahrungsbereich
Gemeinde als sich für die Umwelt verantwortlich
wissende Größe nicht begegnet ist.
Die Predigtsprache ist im Ganzen schlicht. Sie ist nicht
outriert modern und verzichtet auf sensationelle Bilder und
Anknüpfungen. Gelegentlich aber strahlt sie geradezu poetische
Kraft aus; besonders ist das in der übrigens auch sachlich den
Beruf der Kirchenmusik mustergültig klärenden Predigt über
die „Musica sacra" der Fall (S. 79 ff.).
Nicht nur, um an diesen Predigten die eigne Predigtart zu
überprüfen, also daran zu lernen, auch dazu, daß Gemeindeglieder
, denen es darauf ankommt, für eine stille Stunde der Besinnung
oder für einen irgendwie notwendigen Hausgottesdienst
einen Predigtband greifbar zu haben, 6ich in sie vertiefen, sind
diese Predigten von höchstem Wert.
Heidelberg Renatus H u p f e 1 d
Mezger, Manfred: Die Amtshandlungen der Kirche als Verkündigung
, Ordnung und Seelsorge. Band I: Die Begründung der Amtshandlungen
. München: Kaiser 1957. 274 S. gr. 8°. DM 13.50; Lw.
DM 15.80.
Immer wieder erscheint in den letzten Jahrzehnten eine
größere oder kleinere Monographie über die kirchlichen Amtshandlungen
, ein Zeichen dafür, daß hier offenbar Probleme vorliegen
, die eine besondere und immer neue Erörterung herausfordern
. Es ist deutlich, daß die Fragwürdigkeit der Volkskirche
sich in dieser Erörterung spiegelt. Auch in dem von M. Mezger
vorgelegten ersten Band seiner Monographie wird dies sichtbar.
In gründlicher Auseinandersetzung mit der Literatur und der
Praxis erarbeitet sich der Verfasser eine „Grundlegung", die ein
Musterbeispiel für das ist, was man unter Praktischer Theologie
als einer wissenschaftlichen Disziplin zu treiben hat. Hier wird
die Aufgabe in Angriff genommen, die Amtshandlungen der Kirche
in ihrem Wesen theologisch zu durchdringen. Sie werden
unter dem dreifachen Aspekt der Verkündigung, der Ordnung
und der Seelsorge ins Auge gefaßt. Besonders wichtig ist die Diskussion
über die Amtshandlung als Verkündigung.
Der Inhalt des Buches geht über den Buchtitel insofern hinaus
, als aus dem praktischen Teil (II) bereits das erste Thema
sehr ausführlich behandelt wird: Die Taufe.
Dieser Abschnitt ist keineswegs nur eine praktische Darbietung
, vielmehr kommen die theologische Erörterung über Taufpredigt
, Taufverantwortung (Kindertaufe!) und die Einzelheiten
der Taufhandlung ausgiebig zu Wort.