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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

459-461

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Soos, Marie Bernard de

Titel/Untertitel:

Le mystère liturgique d'après Saint Léon le Grand 1959

Rezensent:

Kolping, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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zu zerpflücken. Es gibt, soviel mir bekannt ist, kein evangelisches
Gegenstück zu diesem frommen Buch, und ich würde nicht wagen,
diesen Mangel theologisch zu verteidigen.

Rimsting/Chiemsee Wilhelm S t ä h 1 i n

S o o s, Dom Marie Bernard de, Dr.: Le Mystere liturgiquc d'apres
saint Leon le Grand. Münster: Aschendorff [1958]. VIII, 152 S. gr. 8°
— Liturgiewissensdiaftlidie Quellen u. Forschungen, hrsg. v. O. Hei-
ming. Heft 34. Kart. DM 12.50.

Bekannt ist die Kontroverse der katholischen Sakramententheologie
, die seit Odo Ca6els (Maria Laach) anregenden Thesen
fragt, ob die Heilstatsachen Christi nicht bloß ihren Wirkungen
nach (Effektualpräsenz), sondern auch ihrer Wirklichkeit oder
ihrem Wesen nach (Realpräsenz), etwa analog der Realpräsenz des
Leibes Christi in der Eucharistie, in den liturgischen Handlungen
(Eucharistiefeier, übrige Sakramente und besonders Taufe, liturgische
Jahresfeiern) Gegenwart und von den Feiernden mitvollzogen
werde. Um den Gedanken abzuweisen, als rolle das geschichtliche
Geschehen nach der These nochmals seiner historischen
Erscheinung nach ab, spricht man von einer nur das Wesen der
Handlung enthaltenden Gegenwartsweise, einer Gegenwart in
my6terio, von Mysteriengegenwart. Der platonische Linterton,
obwohl er von den Verfechtern mit Berufung auf den Geheimnischarakter
bestritten wird, ist nicht zu verkennen .„So ist Ostern
das Kultmysterium Christi im vollen Sinne, d. h. rituell-kultische
Gegenwärtigsetzung der Erlösungstat des Herrn in ihrem ganzen
Umfange, wodurch das Werk der Erlösung allen Geschlechtern der
Menschheit gegenwärtig und zugänglich wird" (O. C a s e 1, Art
und Sinn der ältesten christlichen Osterfeier. JbLitW XIV, 1938,
S. 47). Die Thesen Ca6els und der Laacher Schule sind in der katholischen
Theologie nicht unwidersprochen geblieben (siehe die
Veröffentlichungen des Rez., gesammelt und von einem Vertreter
der Laacher Schule kritisch beleuchtet: Burkhard Neunheuser
OSB, Ende des Gesprächs um die My6teriengegenwart? ArchLitW
IV, 2, 1955, S. 316-324). Insbesondere hat die Liturgie-Enzykl.
Pius' XII. sich, ohne Namensnennung Casels oder der Laachcr
Schule, die aber gemeint sind, ablehnend gegen die „ungewisse,
nebelhafte Weise, von der gewisse neuere Autoren sprechen",
gewandt, wie die Geheimnisse Christi „dauernd gegenwärtig sind
und wirken".

Dom M. Bern, de S o o s will mit seiner Untersuchung
über das liturgische Mysterium nach Leo dem Großen einen geschichtlichen
Beitrag zu dem geben, was die Liturgie-Enzykl.
positiv über das Verhältnis der Heilstatsachen zum liturgischen
Kult sagt: Die Geheimnisse des Lebens Jesu sind „sowohl Vorbilder
der christlichen Vollkommenheit, als auch kraft der Verdienste
und Fürbitte Christi Quelle der göttlichen Gnade. In ihrer
Wirkung dauern 6ie in uns, ist doch jedes von ihnen je nach seiner
Eigenart Ursache unseres Heiles" (vgl. Acta Ap. Sedis 14, 1947,
5 80). Nach einer Bibliographie über Leo und einer Einführung in
die Literargeschichte kommentiert de Soo6 charakteristische Texte
aus Leo über das Verhältnis von Heilsgehcimnis und kultischer
Feier, die es begeht. Er ist Historiker genug, um zu sehen, daß
Leo nur en passant sich hierzu äußert, keinesfalls aber darüber
eine theologische Theorie entwickelt. Vielmehr lernen wir die
römische Festauffassung kennen, wie sie ihren Niederschlag auch
in den alten Sakramentartexten gefunden hat.

Das erste Kapitel widmet de Soos dem betonten Hodie, mit dem
sowohl die Erinnerung an die Vergangenheit der geschichtlichen Hcils-
tatsachen, als auch eine gewisse Erneuerung des Heilsmysteriums in der
liturgischen Feier verbunden sei. Dieses betonte leonianische Hodie hat
in der römischen Liturgie (Magnifikat-Antiphon der zweiten Weihnachtsvesper
und die Matutinalen Responsorien) seine Spuren hinterlassen
. Von der Laacher Schule wurde besonderer Wert auf dieses Hodie
gelegt als Ausdruck der Mysteriengegenwart des geschichtlichen Heilsgeschehens
(obwohl in dem Perfekt gerade der Erinnerungscharakter
und nicht der Gegenwartscharakter ausgesprochen ist!). In dem zweiten
Kapitel zeigt de Soos den Erinnerungscharakter der liturgischen Feste
auf. Er sucht den Begriff des liturgischen Festes nach Leo d. Gr. zu erarbeiten
: An einem bestimmten Festkalenderdatum, gewidmet der Erinnerung
an ein Ereignis der Heilsgeschichte, ist es eine kultische Feier
der gesamten Kirche mittels des eucharistischen Dienstes und der Lesungen
, die das zu feiernde Ereignis in Erinnerung rufen. Man muß
wohl beachten, daß diese „Definition" nicht exklusiver Art ist, sondern

jene Hochfeste umschreibt, an denen Leo d. Gr. spricht. Für das Gedächtnis
der Bischofsweihe würde das so natürlich nicht passen. Im
dritten Kapitel widmet de Soos den Lesungen seine Aufmerksamkeit.
Sie sollen nicht bloß das Ereignis in Erinnerung rufen, sondern unser
Glaube hat die Möglichkeit, die Heilsereignisse in einer „quasi-vision"
vor uns hinzustellen. So macht die kultische Feier die Heilsereignisse
gegenwärtig (nicht bloß fetes-memoires, sondern auch fetes-renouvelle-
ments des mysteres). Im vierten Kapitel sucht de Soos das Moment der
Erneuerung der Heilstatsachen genauer zu beschreiben. Damit stehen
wir vor der Caselsdien Fragestellung und am Zentrum der Untersuchung.

Eine Erneuerung, als wiederhole sich das Leben Jesu nochmal«,
kommt nach den Gedanken Leos nicht in Frage (S. 73). Aber die Kraft
und Wirksamkeit des HeilsgeheimniS6es bleiben (permanence de virtus
operi6), vgl. den signifikanten Text Sermo 36, 1 (PL 54, 254 A). Darunter
ist die Kraft aller Heilshandlungen zu verstehen, die je ihren
besonderen Teil zur Erlösung beigetragen haben, also nicht etwa bloß
der Kreuzestod. Die Grundlage für diese „rekapitulierende" Erlösungsauffassung
liegt in der Menschwerdung, wodurch Christus die menschliche
Natur annahm und sie in all ihren Phasen durch den Kontakt
mit der Gottheit erneuerte (S. 75). Deshalb ist auch für Leo bereits
Weihnachten der dies redemptionis novae (vgl. auch Anhang I). Das
ganze Erlöserleben Jesu ist das sacramentum salutis. Dieses sacramen-
tum salutis aber erneuert sich jedes Jahr in Verbindung mit dem Umlauf
(curriculum) der Mysterienfeiern (S. 77). Im fünften Kapitel betrachtet
de Soos die Folgerungen, die sich für Leo aus dieser Auffassung
der Mysterienfeier ergäben. Die Art, wie die großen Heilsereignisse
(Geburt, Epiphanie, Passion, Tod, Auferstehung, Himmelfahrt) wirksam
werden, geschieht in der Form des 6acramentum und des exemplum.

De Soos beschäftigt sich auch mit der Vokabel sacramentum.
Drei Gesichtspunkte begegnen uns, der der Dunkelheit oder Verborgenheit
(Geheimnis), der der Symbolik (Bild, Typ) und der der Wirksamkeit
oder Ursächlichkeit (Sakrament). De Soos sucht diese Gesichtspunkte
verständlich zu machen, indem er von dem Zentralbcgriff des
menschgewordenen Wortes Gottes als dem sacramentum salutis ausgeht.
Aus dem Gebrauch für die historischen Geheimnisse des Lebens Jesu
ergebe sich ganz natürlich der Gebrauch von sacramentum für die liturgischen
Feste, die diese Geheimnisse erneuern. Von dem sacramentum
salutis als Bezeichnung der Liturgie selbst gehe Leo dann auf die verschiedenen
Riten über wie Taufe und Eucharistie.

Bei einer solchen Systematisierung bleibt aber außer Betracht
, daß diese Anwendungen von sacramentum nicht sich aus
der leonianischen Sprache herleiten, sondern in der christlichen
Latinität bereits vorgeformt waren. Sie liegen tatsächlich schon
vor bei dem ersten Auftreten von 6acramentum in der altchristlichen
Kirchensprache (vgl. A. K o 1 p i n g, Sacramentum Ter-
tullianeum, Münster 1948, besonders S. 45 ff.). Wenn de Soos in
der Steiles. 55, 1 (323 B): Passio Christi salutis nostrae continet
sacramentum meint, der Gesichtspunkt der Wirksamkeit des
sacramentum stehe hier außer Zweifel, so stimmt zwar sachlich,
daß das Leiden Chrieti unser Heil wirkt, aber sprachlich drückt
sacramentum hieT das Geheimnisvolle des Heiles aus, ein christlicher
Sprachgebrauch, der bei Paulus vorgebildet ist (vgl. A-
Kolping a.a.O. 47 f.). Ob hier nicht doch zu stark die
Sakramentsdefinition des Tridentinum unbewußt Pate gestanden
hat (vgl. Denzinger 849)? Gleiches gilt von den Stellen, die
de Soos S. 80 A 4 und 5 nennt. Ich glaube nicht, daß 6acra myste-
ria hier sowohl die Feste wie die liturgischen Zeiten umfassen
(S. 84). Signa (nicht: Beweise, sondern Anzeichen!) stehen parallel
zu sacra my6teria, die diese Anzeichen verbergen oder „in sich
enthalten".

Wenn nadi de Soos bei Leo eine Beziehung besteht zwischen
der Wirksamkeit der liturgischen Mysterien und der Sakramente
der Taufe und Eucharistie, so sieht de Soos 6ehr wohl, daß diese
Beziehung im Denken des Papstes deshalb besteht, weil die Osterfeier
die Taufe einschließt (S. 88). Aber er meint, man dürfe das
nicht exklusiv verstehen, als habe die Osterfeier keine andere
Wirkung als die, die deT Taufe eigen ist. Er will irgendwie noch
eine besondere Wirksamkeit der Feier als Feier (und vielleicht
irgendwie analog der Sakramente) neben der Wirksamkeit
der Sakramente statuieren (S. 89). Der Papst versteht aber unter
dieser besonderen Wirkung der liturgischen Feier nur eben noch
das, was de Soos bei dem folgenden Stichwort Exemplum bchan'
delt, nämlich das gläubige Tun der feiernden Christen, ihre An'
glcichung an Christus, den ihnen die Feier und die liturgischen
Schrifttexte vor Augen führen. Das ist deutlich in dem von
de Soos S. 92 zitierten Sermo 25, 6 (212 A) ausgesprochen, wenn