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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

455-456

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Das christliche Denkmal 1959

Rezensent:

Weckwerth, Alfred

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455

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

456

Der zur Verfügung stehende Raum verbietet es, noch weiter
auf die Darstellung diesem Bandes einzugehen. Der Leser wird
selbst spüren, wie reich gerade die Kunst der Nowgoroder und
Pskower an sehr interessanten Fragen ist. Der Reiz in der Erforschung
dieser einzigartigen Kun6t besteht vor allem in der Komplexität
von kunsthistorischen, hagiographischen, liturgischen und
überaus starken folkloristischen Zügen. So wird auch der Religionshistoriker
und der Folklorist in diesem 2. Bande der „Geschichte
der russischen Kunst" viele Anregungen finden"1. —

An der Übersetzung ist diesmal weniger etwas auszusetzen.
Die „vierzig Märtyrer des Sebastian" S. 130 sind in Wirklichkeit
die „vierzig Märtyrer von Sebaste", russisch: „sorok musennikov
Sevastijskich". „Sobor bogomateri" mit „Konzil der Gottesmutter
" zu übersetzen, ist nicht falsch, aber etwas schwerfällig.
Man übersetzt besser mit dem liturgischen Terminus (vgl. auch
Anm. 13) „Synaxis der Gottesmutter". Es wird schließlich Zeit,
dem Verlag dafür zu danken, daß er für gute und scharfe Reproduktionen
hinreichend Sorge getragen hat. Im übrigen warten die
deutschen Leser schon gespannt auf den 3. Band, in dem die
Kunst Andrei Rubljows und Dionisis im Mittelpunkt stehen wird.

ls) Ein gutes Beispiel für diese im einzelnen oft nur sehr schwer
voneinander abzusetzenden und zu analysierenden Elemente gibt die
Ikone aus Pskow auf Abb. 259. Liturgisch geht die Kompsotion auf den
26. XII., die Synaxis der Gottesmutter, zurück (G. M i 11 e t : Recher-
ches sur llcbnographie de l'fivangile etc., Paris 1916, S. 163 ff.). Wie es
für eine Enzyklopädie und ein Lehrbuch vielleicht nötig ist, geht
Lasarew auf gewisse'Schwierigkeiten, welche die Komposition an
manchen Stellen bietet (vgl. Demetrius Ainalov: Geschichte der
russischen Monumentalkunst zur Zeit des Großfüretentums Moskau,
Berlin und Leipzig 1933, S, 82—84), nicht ein. So haben z.B. die Engel
oben links keine Flügel, eine „Häresie in der Malerei" (Istorija Russ-
kogo Iskusstva, l.Bd., Moskva 1957 (AChSSSR), S. 77. Vielleicht
hängt diese seltsame und in der altrussischen Ikonographie einmalige
Darstellung mit bestimmten Ketzereien zusammen, die mit der Ablehnung
der Engel auch die Gottesmutter nur als „reine Mutter Erde"
betrachteten, der man seine Sünden beichtete, und nicht dem Priester.
Die außerordentlich dichte Grünfärbung des mächtigen Hügels und
noch manche andere rätselhafte Einzelheiten dieser sehr interessanten
Ikone könnten damit einer Erhellung des Bildinhaltes näher gebracht
werden.

Halle/Saale Konrad Onasch

D»s christliche Denkmal. Sammelwerk zur kirchlichen Baukunst
in Deutschland, hrsg. von Fritz L ö f f I e r. Berlin: Union Verlag
1957/58. Je 32 S. mit ca. 15 Abb. kl. 8°. Kart, je DM 1.50.

Von dem von Fritz Löffler herausgegebenen Sammelwerk zur
kirchlichen Kunst in Deutschland „Das christliche Denkmal"
liegen nunmehr u. a. folgende Hefte vor:

Heft 11: Die St. Marienkirche zu Neubrandenburg. Von Erich Brückner.
Heft 25: Die Stadtkirche St. Marien zu Pirna. Von Heinz-Ernst
L e m p e r.

Heft 27: Die St. Severikirche zu Erfurt. Von Klaus Mertens.
Heft 28/29: Der Dom zu Naumburg. Von Herbert K ü a s.
Heft 31: Luther in Erfurt. Von Sigfried Asche.
Heft 33: Die Stadtkirche St. Marien zu Freyburg/Unstrut. Von Helga
Möbius.

Die kleinen, ausgezeichnet bebilderten Hefte sind von hoher
Qualität. Von sachkundigen Forschern geschrieben, bieten sie in
ihrem Überblick über die Baugeschichte des jeweiligen Kirchengebäudes
zugleich einen wertvollen Einblick in die Kirchengeschichte
des betreffenden Ortes bzw. des gesamten Gebietes.
Die Sprache ist so gehalten, daß auch der in den Fachausdrücken
der Kunstwissenschaft weniger bewanderte Kunstliebhaber gern
zu diesen Heften greift, um sich ihrer als Führer zu bedienen.
Aber auch der Kunsthistoriker wird die Büchlein gern benutzen,
bieten sie ihm doch eine schnelle Informationsmöglichkeit. In
knappen, klaren Ausführungen werden im Text bei der Behandlung
der baulichen Gliederung, der Ausstattung und Ausgestaltung
des Gebäudes die Fragen erörtert, mit denen sich die Wissenschaft
in den letzten Jahren beschäftigt hat. Die zahlreichen
Literaturhinweise, zumal auf neueres Schrifttum, sind willkommene
Wegweiser für einen jeden, der sich mit dem betreffenden
Bauwerk und den berührten Fachfragen näher befassen möchte.
So bietet die Arbeit von Herbert Küas über den Naumburger Dom
einen wertvollen Hinweis auf die reiche Diskussion der Kunstwissenschaft
in den Fragen der Doppelchoridee und des Stifterchores
. Die Vielfalt der Ausgestaltung und Ausstattung dieses
Gebäudes machte ein Doppelheft mit 32 sehr instruktiven Abbildungen
etforderlich. Das Heft Sigfried Asches weicht in seinem
Inhalt von den andern obengenannten Veröffentlichungen recht
erheblich ab. Hier sind nicht ein Kirchengebäude und dessen Geschicke
und Entwicklung Gegenstand der Ausführungen, sondern
der Mensch Luther in den Jahren seines Aufenthaltes in Erfurt.
Auf den ersten 18 Seiten skizziert der Verfasser in klaren Zügen
den Lebensweg Luthers während 6einer Erfurter Zeit, dessen
Kenntnis für das Verständnis der Reformation unerläßlich ist.
Auf den folgenden Seiten beschreibt er, was an Lutherstätten noch
erhalten ist. Auch hier 6tehen die Ereignisse aus dem Leben Luthers
, deren Erinnerung an diese Stätten geknüpft ist, im Mittelpunkt
der Betrachtung.

Cuxhaven . Alfred W eck wc rt Ii

^JUp i

Actes du V1' congres international d'Archeologie chretienne. Aix-en-
provence 13—19 septembre 1954. Cittä del Vaticano: Pontificio Isti-
tuto di archeologia cristiana; Paris: Les Beiles Lettres 1957. 601 S.,
200 Abb. 4° = Studi di Antichita Cristiana XXII. L. 7.500.—.

Die frühchristliche Archäologie hat in Europa nach dem
letzten Krieg großen Auftrieb bekommen, weil in vielen Fällen
durch Einschläge von Fliegerbomben alte Fundamente bloßgelegt
wurden und systematische Grabungen im Gefolge hatten. In Trier
waren es die Zisternen, die man während des Krieges für den
Luftschutz anlegte, die in der Nachbarschaft des ehrwürdigen
Domes und an anderen Orten Spuren antiker und frühchristlicher
Bauten aufdeckten. Frankreich, Deutschland und Italien waren
immer und sind heute wieder besonders ergiebige Gründe für die
christliche Archäologie. Das gilt aber für das gesamte ehemalige
römische Kolonialgebiet in Spanien und Nordafrika von Algerien
über Libyen bis Ägypten sowie im Vorderen Orient. Seit dem
IV. internationalen Kongreß frühchristlicher Archäologie, der
1938 in Rom stattfand, wurden viele bedeutsame Grabungen,
Funde und wissenschaftliche Forschungen gemacht. Besondere
Beachtung verdient, daß neben Griechenland, das auf dem Festland
und den Inseln immer von großer Bedeutung auch für die
frühchristliche Archäologie war, auch Jugoslawien auf der Suche
nach Stridon, der Heimat des Heiligen Hieronymus, des Verfassers
der Vulgata, eine wichtige Stellung in dieser Wissenschaft
einzunehmen beginnt.

Auf einen alphabetisch nach Ländern geordneten Bericht
über die Grabungen und Funde früdhristlicher Bauten seit dem
Jahre 1938, der zeitlich zum Teil darüber hinaus nach rückwärts
ausgedehnt wird, folgen in einem zweiten Teil wichtige Einzelforschungen
. Im Brennpunkt der Probleme stand in Zusammenhang
mit einem von Graber u. a. an der Sorbonne in Paris herausgegebenen
Werk das frühchristliche Baptisterium und mit ihm
entsprechende Formen des Zentralbaus. Auch die seit den Grabungen
von Kempf in Trier und von Dygve in Salona wieder in
den Vordergrund gerückten nebeneinander errichteten Doppe''
basiliken werden besonders behandelt. Noch immer unerschöpflich
für die Forschung sind die frühchristlichen Sarkophage. Wie von
den Bapti6terien aus ergeben sich auch hier wichtige ikono-
graphischc Perspektiven sowie die, welche sich um die Begegnung
zwischen Heidentum und Christenrum entfalten. Das frühchristliche
Kunstgewerbe kommt mit Fußbodenmosaiken wieder besonders
in den Baptistcrien uhd mit den reizvollen Wirkarbeite»
der Textilkun6t zur Geltung.

Im Gegensatz zu manchen zeitgenössischen Neigungen in anderen
Wissenschaften, die gegenständliche Welt in noch kleiner«
Teile als die Atome aufzulösen, sucht die Archäologie die Gestalten
und Gebilde einer vergangenen fernen Welt in ihrem ge'
samten Gefüge wieder zu erschließen. So wird auch morphologischen
Fragen die ihnen gebührende Aufmerksamkeit gewidmet-
Die sinnbildlichen Deutungen etwa auf den für die allgemein