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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bierbaum, Max

Titel/Untertitel:

Nicht Lob - nicht Furcht 1959

Rezensent:

Kupisch, Karl

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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hart"). S. 28 muß es heißen „ihren" Irrlehren statt„deren", S. 137,
Z. 6 v. u. „waren" statt „war". Über die Wirksamkeit Ludwig von
Gerdtells (S. 143) in Breslau (und Eberhard Arnolds) finden sich persönliche
Erinnerungen Ungenannter in dem Heft: „Fünfundzwanzig
Jahre Breslauer Bibelkreis" 1924, S. 2-9. Das Heft ist dem CVJM
Breslau „aus Dankbarkeit und in treuer Weggemeinschaft" gewidmet.
Ein Namensregister, wie es die erste Fassung hatte, fehlt leider. Diese
kleinen Schönheitsfehler können hoffentlich bald in einer zweiten Auflage
verbessert werden.

Halle (Saale) Hana U r n e r

Bierbaum, Max: Nicht Lob — Nicht Furcht. Das Leben des Kardinals
von Galen nach unveröffentlichten Briefen und Dokumenten.
Münster: Regensberg [1955]. 222 S., 11 Abb. 8°. Lw. DM 9.80.

Das für weitere Leserkreise gedachte Buch gibt auf Grund
von z. T. unbekanntem Quellenmaterial ein anschauliches Lebensbild
des durch seine furchtlosen Predigten in ganz Deutschland
während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt gewordenen
Bischofs von Münster. Clemens August Graf Galen ist erst verhältnismäßig
spät zu hohen Kirchenämtern aufgestiegen; 55jährig
wurde er unmittelbar vom Amt eines Gemeindepfarrers zum
Bischof erhoben. Die Lebensentwicklung bis dahin weist auf nichts
Ungewöhnliches hin. Nach dem Schulbesuch und Theologiestudium
, das der gesunde und auch körperlich kräftige, sportgewandte
und der Jagdleidenschaft hingegebene Jüngling offenbar
ohne Konflikte durchlaufen hat, folgt eine normale geistliche
Laufbahn, die Galen 1906 nach Berlin geführt hat, wo er als
Kaplan, Curarus und Pfarrer bis 1929 tätig war. Aber schon aus
den für diese Zeit vorliegenden Äußerungen hat man den Eindruck
einer früh gereiften, in sich ausgeglichenen, dem Leben wie
ihrem geistlichen Auftrag ganz zugewandten Persönlichkeit. Der
Nationalsozialismus, dem er wie viele in der Kirche zunächst
positiv abwartend sich gezeigt hat, forderte dann aber bald sein
öffentliches Bekenntnis heraus. — Graf Galen hat 1946 den
Kardinalspurpur empfangen. Vierzehn Tage nach seiner Ernennung
überreichte er dem Papst eine Petition für die Dogmati-
sierung der leiblichen Himmelfahrt der Maria. Abermals 14 Tage
später schloß er die Augen für immer. Nec Laudibus-Nec Timore
— dieser Wahlspruch des Münsterischen Bischofs findet in der
Darstellung dieses Lebens seine Bestätigung.

Berlin Karl Kupisch

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Grabar, I. E., Lazarew, W. N., u. W. S. K e m e n o w : Geschichte
der russischen Kunst. II. Übersetzt aus dem Russischen v.
Kurt Küppers. Dresden: Verlag der Kunst 1958. 310 S., 263 Abb.
4° = Veröff. d. Akademie d. Wiss. der UdSSR, Inst. f. Kunstgeschichte
, Moskau. Lw. DM 44.—.

Der 2. Band der großen sowjetischen Geschichte der russischen
Kunst (vgl. ThLZ 1958, Sp. 694-98) beschäftigt 6ich ausschließlich
mit der Kunst Nowgorods und Pskows. Das Gebiet
dieser beiden Städte, welches sich bei Nowgorod bis an das Eismeer
und den Ural erstreckte, bildete im MA eine eigene kulturelle
Einheit, so daß die Darstellung der kunstgeschichtlichen
Fragen in einem Bande gerechtfertigt ist. Im 1. Abschnitt führt
L a s a r e w, von dem bereits früher eine umfassende Darstellung
der Nowgoroder Kunst geschrieben wurde', in die allgemeine
politische und gesellschaftliche Situation Nowgorods ein. Ihm
folgt einer der besten Archäologen der UdSSR, M. K. Karger,
der die Baukunst in ihren verschiedensten Abschnitten vom 11.
bis zum 15. Jhdt. beschreibt. Nachdem L a s a r e w die Fragen der
Malerei und der Skulptur vom 12. bis zum 15. Jhdt. entfaltet
hat, gibt A. W. Arzichowski einen Überblick über die angewandte
Kunst. Der 2. Abschnitt ist ganz Pskow gewidmet.
L a s a r e w führt wieder den Leser in die allgemeinen Fragen
ein. Danach wenden sich N. N. W o r o n i n der Baukunst Pskows
und Lasar ew der Malerei zu. Mit dem Kapitel: „Der Beitrag
Nowgorods und Pskows zur russischen Kunst" von L a s a r e w
schließt dieser Abschnitt. In einem letzten Kapitel: „Schlußfolgerungen
aus den beiden ersten Bänden" von W o r o n i n

J) Iskus6tvo Novgoroda. Moskva-Leningrad 1947.

und L a 6 a r e w wird die Eigentümlichkeit und die Bedeutung
der Kunst Nowgorods und Pskows im Gesamt der russischen
Kunst beschrieben. „Die Baukunst, die Malerei und das Kunsthandwerk
Nowgorods und Pskows sind der letzte Entwicklungsabschnitt
der russischen Kunst zur Zeit der feudalen Zersplitterung
... Die vollkommensten Lösungen wurden von Nowgoroder
und Pskower Meistern auf dem Gebiet der Baukunst und
Malerei geschaffen. Sie bildeten völlig neue Kirchentypen heraus
, in denen das byzantinische Erbe restlos absorbiert war.
Nowgoroder und Pskower Künstler erfüllten die traditionellen
Formen der Ikonenmalerei mit neuem Inhalt, in dem die Schönheitsbegriffe
des Volkes eindeutig zum Ausdruck kommen. Das
14. und 15. Jahrhundert war hier die klassische Epoche, in der
einige der bedeutendsten Werke der altrussischen Ikonenmalerei
entstanden, die durch Lebensfreude, helle Farbigkeit und feinen
Rhythmus der Komposition überraschen. Lediglich die Moskauer
Kunst mit dem genialen Rubljow an der Spitze zeichnete sich
durch noch höhere Leistungen aus" (S. 273).

Aus der Fülle des umfangreichen Materials und der speziellen
Probleme kann ich wieder nur einige Beispiele herausgreifen.
Für mich selbst bildet dieser Band einen besonderen Genuß, da
ich 1958 u.a. auch eine Woche in Nowgorod und Pskow weilen
durfte. So haben wir z. B. die Fragen der Rekonstruierung der
Sophienkathedrale, die Karger S. 14 ff. beschreibt, durch den
Vortrag einer Dozentin der „Akademie für Architektur und Bauwesen
der UdSSR" persönlich kennenlernen dürfen. Sie hat in
einem Aufsatz die Ausführungen Kargers im Hinblick auf angebliche
starke Einflüsse der Balkankunst, vor allem Bulgariens,
auf die südru6sische und auch nowgorodische Baukunst dahingehend
ergänzt, daß sie anhand der Analyse der Baukörper die
Eigenständigkeit der russischen Baumeister nachwies2. Die dort
aufgeworfenen Probleme sind insofern interessant, als auch
literaturgeschichtliche Fragen wahrscheinlich nicht unbedeutende
Beiträge dazu liefern würden. Wie wichtig soziologische und
sozialgeschichtliche Perspektiven, die bei uns erst jüngst Arnold
H a u s e r nachgewiesen hat'1, auch für den christlichen Archäologen
sein können, demonstriert Karger an einem für
die Kunstgeschichte der Nowgoroder Kirchen 6ehr bedeutsamen
Beispiel (S. 30 ff.). Der auffällige Umschwung der kirchlichen
Baukunst in der Mitte des 12. Jhdts. in Nowgorod wurde bisher
in unklarer Weise mit dem Klima und dem „künstlerischen Willen
" in Verbindung gebracht. Diese, bei uns prinzipiell vor allem
durch Alois R i e g 1 und 6eine Schule begründete Meinung wird
nun von Karger dahingehend korrigiert, daß er als Grund für
den Umschwung in der Architektur Nowgorods von den großen
Prachtbauten zu den kleinen Kirchen mit geschlossenen Emporen
und Kapellen gesellschaftlich bedingte Gründe angibt. Die Macht
der Fürsten wurde in diesem Zeitraum gebrochen. An ihre Stelle
tritt eine Bojarenoligarchie, welche aber weite Teile der Bevölkerung
an den politischen Entscheidungen teilnehmen läßt. „Unter
den Erbauern der Nowgoroder Kirchen traten im ausgehenden
12. und im 13. Jahrhundert neben den gebildeten Mäzenen aus
den Kreisen der Bojaren-Oligarchie immer häufiger nicht nur
Kaufleute und Kaufmannsverbände, sondern auch städtische Gemeinschaften
(Bewohner einer Straße) auf" (S. 32). Diese Stifter
ließen sich in ihren wesentlich kleineren Kirchen auf den nun
geschlossenen Emporen oder in kleinen Nebenräumen ihre Kapellen
bauen. Die ruhige und architektonisch geschlossene Art
der Innenkonstruktion und de6 Äußeren verbunden mit einer angenehm
berührenden Bescheidenheit wird dadurch erst verständlich
. Die eigentümliche intime Atmosphäre dieser „Hauskirchen",
die jeder empfinden muß, der 6ie einmal betreten hat, gewinnt
durch die Erklärung Karger« an unmittelbar einleuchtender
Konkretheit. Wenn man bedenkt, daß auch die einzelnen „ulicy".
die Straßen, eine administrative Selbständigkeit besaßen*, so ge-

*) R. A. K a c n e 1' s o n : K voprosu o vzaimootnosenijach archi'
tektury vostocnychi ju/.nych 6lavjan i Vizantii (= Zur Frage der gegenseitigen
Beeinflussung der ost- u. südslavi6chen Architektur und

der

von Byzanz), in: Vizantijskij Vremennik XII (1957), S. 242—262.

*) Sozialgeschichtc der Kunst und Literatur. 2 Bde, München 1958 •
4) Vgl. V. Kljucesvkij I Kurf rus«koj istorii, II, Moskv»

1937, S. 70. Deutsche Ausgabe, Stuttgart 1925, S. 66.