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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

449-451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Kupisch, Karl

Titel/Untertitel:

Der deutsche CVJM 1959

Rezensent:

Urner, Hans

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449 Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6 450

im reifen Leben einer ihrer kirdhlichen Exponenten, wenn nicht
überhaupt ihr vornehmster Repräsentant, eifrig und besonnen in
ihrer Verteidigung sowohl gegen einen kurzsichtigen Neupietismus
als aueh eine hemmungslose Säkularisierung im kirchlichen
und öffentlichen Leben Schwedens.

^rj Mainz Martin Schmidt

Kupisch, Karl: Der Deutsche CVJM. Aus der Geschichte der Christ-
liehen Vereine Junger Männer Deutschlands. Kassel-Wilhelmshöhe:
Pflugschar-Verlag [1958]. 143 S. 8°. Lw. DM 8.—.

Wer bei 6cinen Studien oder bei der Vorbereitung akademischer
Vorlesungen mit der neuesten Kirchengeschichte zu tun
bekommt, wird fast überall nicht nur wissenschaftliche Editionen
des Quellenmaterials, sondern ebenso dessen kritische Sichtung
in historischen Darstellungen vermissen. Für die Zeit des sog.
..Kirchenkampfes" 6ind wir noch kaum über das Stadium der
bloßen Sammlung der weitverstreuten Quellen hinausgekommen.
Das ist, erst zwei Jahrzehnte später, nicht verwunderlich. Aber
auch, wenn wir über die Jahrhundertwende zurück in das 19. Jahrhundert
gehen, ist es weithin kaum anders. Der Stil der Biographien
ist zumeist der eines liebevollen Nekrologs, größere Zusammenhänge
sind höchstens über die Erinnerungen der persönlich
Beteiligten zu erschließen. Es ist, als verwehre die Pietät der
wissenschaftlichen Kritik und Akribie den freien Zugang. Pionierarbeit
mit zähem Eifer und bedeutendem Erfolg hat in Deutschland
nach dieser Richtung der zu früh verstorbene Martin Gerhardt
(1894—1952) auf dem Felde der Geschichte der Inneren
Mission geleistet. Aber erst nach der großen Wichernbiographie
u 929—1931) konnte er es wagen, die Gecdiichte einer Institution
in einer sorgfältig erarbeiteten Darstellung zu veröffentlichen:
des Centraiausschusses für die Innere Mission der Deutschen
Evangelischen Kirche (1948). Die Christlichen Vereine Junger
Männer Deutschlands konnten sich bereits 1930 einer wissenschaftlich
verläßlichen Darstellung ihrer Geschichte erfreuen:
^cschichte der Christlichen Vereine Junger Männer Deutschlands
(288 S. Der Einbandtitel, von Paul Sinkwitz sehr eindrucksvoll
in gotischen Lettern entworfen, hieß auch damals schon: Der
deutsche CVJM).

Daran muß erinnert werden, wenn jetzt derselbe Autor in

emselbcn Verlag eine neue Fassung vorlegt. Durch die Ungunst
*t Zeiten und das oft mangelnde Interesse der Kirchenhistoriker

"r die jüngsten Epochen hat das Buch von 1930 zwar dankbare
pufnahme bei denen, die diese Geschichte zum Teil miterlebt

atten, gefunden, aber keinen Weg in die wissenschaftliche Welt,
Wohl es gerade Martin Gerhardt an der zuständigen Stelle in
tollem Maße gewürdigt hatte (Zeitschrift für Kirchengeschichte

, • 1932, 304). Nur ein Sachkenner wie Martin Gerhardt konnte
,en n°hen wissenschaftlichen Wert der Arbeit ermessen. Als

ervorragende schriftstellerische Leistung war sie auch anderen
erkennbar.

. In der neuen Fassung ist nicht nur Martin Gerhardts Wunsch,
••eine genauere Angabe der Zitate", erfüllt, sondern darüber hin-
—U " cinem rcichen und sorgfältigen Anmerkungsteil (S. 136

43) der Weg zu den Quellen und der für den Forscher wich-
M8cn Literatur aufgezeigt. So liegt jetzt eine kirchenhistorische
J{?n°Jr*Phle vor, die künftig jedem unentbehrlich sein wird, der
q Cln zutreffendes Bild von der neuesten Geschichte des
let'fSt,?ntUmS Deutschland machen will. Dazu werden nicht zu-
Lin j'C Snidiercndcn gehören. Das Buch von 1930 hat in erster
U "c "cn damals verantwortlich Mitarbeitenden eine zuverlässige
I erricrit»ng über den Weg der Väter gegeben und dabei die
wirj'"ler nicht geschont oder verschwiegen. Die jetzige Fassung
6*. f Sk" ninaus einc unschätzbare Bereicherung der wissensein
il Literatur zur neueren und neuesten Kirchengeschichte
Teil a Ero"crc Knappheit gegenüber der früheren ist nur zum
hat j "r*_ eine Beschränkung des Stoffes erreicht. Der Verfasser
wickl° darauf verzichtet, einzelne Vereine in ihrer Ent-

CVJMR 2" ^arakterisieren (S. 138). Nur der erste deutsche
«hend Au Wilhclmstraßc tritt seiner Sonderstellung entspre-
stärk Cr von ,88J bi* zur Auflösung 1941 bewahrt hatte,
Ztil J! den Vordergrund. während sich die Darstellung für die
"ach dem ersten Weltkrieg auf die Geschichte der 1919 gegründeten
Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Vereine Junger
Männer Deutschlands konzentriert, die gegenüber der Nationalvereinigung
der evangelischen Jungmännerbündnisse Deutschlands,
dem späteren Reichsverband, einen schweren Stand hatte. Gegenüber
der ersten wurde die jetzige Fassung bis 1945 weitergeführt.

Der Wiederaufbau der CVJM in der Nachkriegszeit wird absichtlich
noch nicht in die Darstellung miteinbezogen. Das Geleitwort, das
nicht vom Verfasser stammt, spricht in seltsamer Sdiwärmerei von diesem
Wiederaufbau als vom Sichtbarwerden der Herrlichkeit Gottes, die
dort noch „verborgen" sei, wo „keinerlei Möglichkeit zum Wiederanfang
" besteht. Diese christlich-abendländische Ost-West-Mythologie
widerspricht nicht nur den theologischen und politischen Einsichten des
Historikers Karl Kupisch, sondern dem Neuen Testament selber.

Martin Gerhardt hatte an der Fassung von 1930 zu rühmen:
„Die Darstellung.. . bewegt sich immer auf dem klar geschauten
Hintergrund der allgemeinen Zeitgeschichte." Heute kann hinsichtlich
dieses Hintergrundes auf die Geschichte der evangelischen
Kirche in Deutschland von 1815—1945 verwiesen werden,
die Kupisch 1955 veröffentlicht hat: „Zwischen Idealismus und
Massendemokratie" (vgl. ThLZ 82, 1957, 860-863). Eine dreibändige
Deutsche Geschichte: „Tradition und Gegenwart", deren
erster Teil 195 8 erschienen ist, wird später ebenfalls in diesem
Zusammenhang zu nennen sein.

Ohne Einzelheiten zu referieren, will ich wenigstens auf
eine, mir besonders wesentlich erscheinende Seite der Darstellung
hinweisen. Der deutsche CVJM galt im allgemeinen als Kind der
angelsächsischen Frömmigkeit. Das ist auf die bloße „Abstammung
" gesehen, insofern richtig, als der geborene Württemberger
Friedrich Schlümbach 1881 aus der Methodistenkirche Amerikas
nach Deutschland kam. Kupisch zeigt dazu aber, wie stark der
innere Weg der deutsdien Vereine von der deutschen Erweckungs-
bewegung geprägt worden ist. Den Krisen, die besonders nach
1918 in der CVJM-Arbeit selbst aufbrachen, wird genau nachgegangen
: im Verhältnis zum Reichsverband der Jungmännerbünde
, zur Arbeit des Bundes vom Weißen Kreuz und zur Turn-
und Sportbewegung. Wo dagegen die Berührungen nach außen hin
sich hilfreich oder störend bemerkbar machten, bleibt es notgedrungen
bei knapperen Hinweisen (z.B. Weltbund, ökumenische
Bewegung, freideutsche und proletarische Jugendbewegung, Singbewegung
). Der Verfasser hat aber aufs Ganze gesehen damit
recht, daß diese Berührungen die Arbeit des CVJM auf der inneren
Linie nicht beeinflußt haben, so stark einzelne Mitglieder und
Gruppen in die Auseinandersetzung hineingezogen wurden. Dem
Schlußkapitel (Die Katastrophe S. 99-118) kommt auch deswegen
eine Bedeutung für die Kirchengeschichtsschreibung zu, weil hier
Vorgänge in solchen Kreisen berichtet werden, die der Bekennenden
Kirche innerlich nahestanden, ohne eine organisatorische Verbindung
mit ihr zu haben, und die doch für die historische Betrachtung
nicht in den Hintergrund oder gar in ein Zwielicht
gerückt werden dürfen. Unter den acht beigefügten Quellenstücken
(S. 119-135) ist besonders interessant das „Memorandum
der Arbeitsgemeinschaft über die Auflösung des Berliner
CVJM am 19. Juni 1941" (S. 1 32-135), das für staatliche Stellen
verfaßt wurde. In den Anmerkungen finden sich zwei kritische
Abgrenzungen gegen Leopold Cordier (S. 137. 138), dessen historische
Arbeiten im übrigen schon wegen der „Stoffübersicht"
durchaus anerkannt werden (Quellenbuch zur Geschichte der
Evangelischen Jugend 1925; Evangelische Jugendkunde 2. Bd. 1927).

Die Anmerkungen sind in einer allzu kleinen Type gesetzt. Bei
Büchertiteln findet sich leider noch manchmal die Angabe o. J., die, vielleicht
ganz zu Unrecht, den Verdacht aufkommen läßt, der Autor habe
noch nicht alle Möglichkeiten der Ergänzung ausgeschöpft. Franz Spe-
mann, Aus meiner Studentenzeit ist 1937 erschienen (S. 139, nicht
„1933"). Bei den Zeitschriften ist immer nur das Jahr des Erscheinungsbeginns
angegeben (S. 136). nur von der „Pflugschar" erfährt man in
einer späteren Anmerkung, daß sie von 1919 bis 1941 erschienen ist
(S. 140). Vornamen sind manchmal nicht ergänzt, auch wo es notwendig
wäre, z.B. Theodor Christlieb (S. 21), Theodor Burckhardt (S. 72,
nicht Burkhardt), wenn ich richtig ergänze. P. für „Pastor" ist in der
Drucktype von P. für „Paul" nicht zu unterscheiden, ebensowenig der
theologische Ehrendoktor D. von D. für „Dietrich". Die Vornamen von
Spurgeon sind Charles Haddon (S. 138, Th. ist Druckfehler). Der Vorname
der Schriftstellerin von Redern ist Hedwig (S. 138, nicht
„Henriette"). Niedermeyere Vorname ist Gerhard (S. 60, nicht „Ger-