Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

445-446

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Smits, Luchesius A.

Titel/Untertitel:

Saint Augustin dans l'oeuvre de Jean Calvin 1959

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

445

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

446

Smits, Ludiesiu6. Mag. Dr.: Saint Augustin dans l'Oeuvre de Jean
Calvin. Li Etüde de critique litteraire. Assen: van Gorcum 1957.
X, 337 S. gr. 8°.

Die Frage nach dem Augustinismus der Reformatoren stößt
bei dem Versuch einer Beantwortung auf zwei Schwierigkeiten:
die im allgemeinen unzureichende Nachweisung augustinischer
Zitate in den Editionen und die Ungeklärtheit des Faktors der
indirekten Überlieferung — inwieweit hat nicht Augustin selbst,
sondern der Augustinismus der Scholastik, der devotio moderna,
des Humanismus oder, etwa bei Luther, der Ordenstheologie der
Augustiner, auf die Reformatoren eingewirkt? Der einzige Ausweg
aus diesem Dickicht ist der exakte Nachweis zunächst der
direkten literarischen Berührungen zwischen den Reformatoren
und Augustin, ein Weg, der von A. Hamel für Luther und von
E. Kahler für Karlstadt mit Erfolg beschritten worden ist. Smits
macht 6ich an die Lösung dieseT Aufgabe für Calvin1.

Er unterscheidet bei den literarischen Berührungen zwischen
Calvin und Augustin 1) Verweisungen (references), d.h. Calvin
führt Augustin als Zeugen an und nennt die Schrift, in welcher
das Zeugnis sich befindet. Diese Verweisung kann von einem
Zitat begleitet 6ein oder ohne Textzitierung erfolgen. 2) Calvin
bringt augustinische Gedanken ohne Angabe des Fundorts (ohne
r£fe>ence) durch Zitate oder durch Redewendungen, Formeln und
Begriffe, welche den Einfluß von Augustins Schriften verraten.

Es gelingt dem Verfasser über die Angaben der Editionen
hinaus außer den von Calvin selbst gegebenen 1700 Verweisungen
auf Augustin insgesamt 4100 literarische Berührungen
zwischen Calvin und Augustin festzustellen — ein Ergebnis, hinter
dem eine ungeheure Mühe steckt. Zum Apparat der Münchner
Calvinausgabe (Opera selecta) gibt er S. 123—125 und S. 129 eine
Liste von corrigenda und addenda.

Angesichts der Fülle der direkten Augustinzitate bei Calvin,
die zu einer Bestimmung des calvinischen Augustinismus durchaus
ausreichen, bezieht der Verfasser die indirekte Augustin-
überlieferung nicht in 6eine Untersuchung ein, ausgenommen die
Sentenzen des Petrus Lombardus und das Dekret Gratians, die
beide eine wichtige Quelle von Augustinzitaten bei Calvin sind.

Das Werk von Smits ist auf drei Bände berechnet. Der vorlegende
Band enthält die literarkritische Grundlegung, Band II
soll Tabellen der Augustinzitate bei Calvin bringen, ein-
"»1 in der Reihenfolge von Calvins Schriften, wie sie CR bietet,
zum andern in der alphabetischen Reihenfolge von Schriften
Augustins. Der dritte Band will dann die Frage beantworten, ob
bei Calvin ein genuiner Augustinismus vorliegt und dabei
die Probleme liberum arbitrium und Gnade, Prädestination,
Abendmahl behandeln.

Calvin ist schon vor seiner Bekehrung mit Augustin bekannt
geworden, doch verrät sein Erstlingswerk, der Kommentar
?u Senecas De dementia, trotz der Benutzung von De civitate
Uei keine Spur von Augustinismus. Aus einer Stelle der Institutio
von 15 39 (II, 8, 50, Oper. sei. III, 389), wo Calvin sagt,
Augustin habe ihm die Augen geöffnet über die Verderbnis der
•"enschlichen Natur und die Vergeblichkeit unserer Verdienste,
folgert Smits, daß Calvin sich ähnlich wie Karlstadt unter
Augustins Einfluß der Reformation zugewandt habe. Auch bei
^alvin stehe wahrscheinlich Augustins Schrift De spiritu et
"Kera im Hintergrund.

Das Verhältnis Calvins zu Augustin kann chronologisch
»n den verschiedenen Ausgaben der Institutio studiert werden.

a'vin sammelt gewisse Zitatengruppen aus Augustin in der
'nstitutio und entnimmt sie dann aus dieser für andere Schrir-
en Oder der Zwang zur Abfassung polemischer Abhandlungen
™*W ihn, die Schriften Augustins auf bestimmte Fragen hin
, sedieren und aus ihnen Argumente zu gewinnen. So ge-
. nieht es etwa bei der Abfassung der Defensio servitutis ar-
oitru gegen Pighius und der Ultima admonirio gegen Westphal.
f le "ier enthaltenen Augustinzitate werden dann in der jeweils
^^"f^n^Ausgabe der Institutio berücksichtigt.

Sam 2i *Leniam'n Brcckinridge Warfield, Calvin and Augustine. ed by
Null ri Crai*' with » foreword by J. Marcellus Kik, Philadelphi«-
507 7'u l bytcrian and Reformed Publishing Company. 19 56,
' behandelt nicht das Verhältnis Calvins zu Augustin.

Smits untersucht eingehend, welche Schriften Augustins
von Calvin benutzt wurden und stellt fest, daß der Genfer Reformator
bei aller Bewunderung für den Theologen Augustin
doch nicht unkritisch war. So hat er Einwände gegen den Exe-
geten und Philosophen Augustin, schätzt auch nicht die von
dem Kirchenvater im menschlichen Seelenleben aufgefundenen
Analogien zur göttlichen Trinität. Die Schrift De cura pro
mortuis gerenda lehnt er ab.

Im Gebrauch der augustinischen Apokryphen ist Calvin
sparsam, er läßt 6ich hier wohl vom kritischen Urteil des Erasmus
leiten. Denn Calvin hat nach Smits' Nachweis die Augustin-
ausgabe des Erasmus, die 1528—1529 bei Froben in Basel erschien
, benutzt, nicht die Ausgabe Amerbachs. Die Annahme
einer angeblichen zweiten Ausgabe der Amerbachschen Edition,
die 1515 erfogt sein soll, beruht auf der Angabe des Katalogs
der Bodleian Library und geht auf den Irrtum eines Bibliothekars
zurück. Für die afrikanischen Konzilien, hinter denen die
Autorität Augustins steht, bedient sich Calvin der Edition von
P. Crabbe, Köln 1538, und des Decretum Gratiani.

Calvin zitiert für seine Zeit recht sorgfältig, auch bei freier
Zitation verfälscht er die Absicht Augustins nicht.

Um den augustinischen Charakter der Institutio festzustellen
, muß man wissen, ob Calvin die Gedanken Augustins auch
wirklich annimmt. So beschäftigt sich Smits zum Abschluß mit der
Autorität der alten Kirche und insbesondere Augustins für Calvin
. Er kommt zu dem Ergebnis, daß für Calvin die reformierte
Lehre eine Rückkehr zur Lehre der ursprünglichen Kirche darstellt
, die ihm durch Augustin repräsentiert ist. Calvin ist überzeugt
, daß seine Lehre im Tiefsten mit der Augustins übereinstimmt
— und dieser Anspruch ist zu prüfen.

Der sorgfältig gearbeitete Band von Smits gibt eine solide
und unentbehrliche Grundlage für die Untersuchung des calvi-
nistischen Augustinismus. Eine gewisse Tendenz zur Voluminösi-
tät führt dazu, daß der Leser zuweilen bis zu dreimal dieselben
Dinge gesagt bekommt, auch könnten z. B. die Ausführungen
über den Gang der pelagianischen Kontroverse oder über die
Affäre des Apiarius (S. 226-227) ohne Schaden für die Sache
fehlen.

Für die Auseinandersetzung mit der theologischen Position
des Verfassers, die sich im letzten Kapitel andeutet, muß das
Erscheinen des dritten Bandes abgewartet werden, dem man nach
diesem Auftakt mit Erwartung entgegensehen darf.

Naumburg/Saale Rudolf Lorenz

Bcozing, Josef: Eine unbekannte Ausgabe der Confessio Augustana
vom Jahre 1557. Wiesbaden: Steiner 1956. 31 S. mit Abb. gr. 8°.

Der Druck der Augustana, den Benzing in der Bibliothek
des Stadt- und Stiftsarchivs zu Aschaffenburg gefunden hat, ist
das einzige bekannte Exemplar eines Privatdrucks, den der Graf
Anton I. von Isenburg - Büdingen für den Grafen Philipp von
Rienedc herstellen ließ. Druckort war wahrscheinlich die Ronneburg
, wo sich um diese Zeit eine Druckerei befand, aus der schon
ein — ebenfalls als unicum erhaltener - Sammeldruck von sieben
einstimmigen Messen bekannt ist. Die Untersuchung der kleinen
bibliophilen Kostbarkeit hat uns ak Zugabe noch eine Beschreibung
der sämtlichen deutschen Augustana-Drucke des 16. Jahrhunderts
aus der Feder Benzings, des ersten Kenners der Druckgeschichte
des Zeitalters, eingetragen.

Heidelberg Heinrich B o r n k a m in

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

--—-

Sykes, Norman, F.B.A., Prof.: William Wake, Archbishop of Canter
bury 1657-1737. Vol. I u. II. Cambridge: University Press 1957./
XIII, 366 S., l Taf. u. XV. 289 S. gr. 8°. Lw. 84 s. /

Diese schöne Biographie hat Sykes auf Anregung des Bischofs
von Chichester Dr. Bell geschrieben. Von der Aufforderung, sie
zu schreiben, bis zu ihrer Fertigstellung ist eine lange Zeit vergangen
. Galt es doch besondere den umfangreichen Briefwechsel