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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

439-443

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Haendler, Gert

Titel/Untertitel:

Epochen karolingischer Theologie 1959

Rezensent:

Schade, Herbert

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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Modewörter und ungepflegte Satzbildungen, die bis zu Sinnschwierigkeiten
führen, nicht vermeidet. Es ist drittens der gelegentliche Mangel
an Präzision bei Verwendung theologischer Termini und Anführung
theologischer Sachverhalte. Diese Dinge fallen dem Leser des Buches von
selbst in die Augen, 6o daß sich die Nennung von Einzelheiten erübrigt.
Rostock Konrad Weiß

H a e n d 1 e r, Gert: Epochen karolingischer Theologie. Eine Untersuchung
über die karolingischen Gutachten zum byzantinischen
Bilderstreit. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1958]. 168 S. 8°.
= Theologische Arbeiten, hrsg. v. Hans Urner, Bd. X. Hlw.
DM 11.80.

Das Werk, dem eine Habilitationsschrift der Theologischen
Fakultät der Berliner Humboldt-Universität zugrunde liegt, bemüht
sich um ein bedeutendes Anliegen. Es möchte die geistigen
Veränderungen aufzeigen, die in der Zeit der Karolinger die
Frömmigkeit bestimmten. Dabei vergleicht die Arbeit vorwiegend
die Gutachten aus den Jahren 791 (Libri Carolini = die
vier Bücher Karls des Großen zum Bilderstreit) und 825 (Die
Konzilsakten von Paris, vor allem den Libellus synodalis Pari-
sien6is) miteinander, die sich mit dem Bilderstreit auseinandersetzen
.

Am Beginn des ersten Teils der Untersuchung 6teht eine
Skizze des byzantinischen Bilderstreites. Es folgt die Darstellung
der Zusammenhänge, die zu den fränkischen Gutachten von 791
und 825 geführt haben. In diesem ersten Teil 6<heidet der Verfasser
vor allem die politischen und religiösen Motive voneinander
, um im Gegensatz zu anderen Forschern nachzuweisen, daß
die religiösen Beweggründe im Bilderstreit ausschlaggebend sind.

Die theologischen Analysen der beiden Gutachten von 791
und 825, die in den beiden nächsten Abschnitten folgen, stellen
eine „eigenständige Entwicklung" der karolingischen Geißtes-
geschichte heraus: „Zur Zeit Karls des Großen findet eine unmittelbar
auf Christus bezogene Frömmigkeit ihren theologischen
Ausdruck, zur Zeit Ludwigs des Frommen rücken kirchlichkultische
Gedanken in den Mittelpunkt des Interesses" (S. 138).
„Zur Zeit Karls des Großen berief man 6ich auf die Schrift, im
Zentrum der Frömmigkeit stand Christus, dem man sich zur
kämpferischen Nachfolge verpflichtet fühlte..." „Zur Zeit
Ludwig6 des Frommen beruft man sich auf die Kirchenväter, im
Zentrum der Frömmigkeit steht die Kirche, deren Einheit und
Frieden unbedingt gewahrt werden müssen" (S. 130).

Ein vierter und letzter Abschnitt zeigt die kunstgeschichtlichen
Parallelen zu dieser Entwicklung auf. Während in der Zeit
Karls des Großen vor allem die Hl. Schrift und Christus dargestellt
werden, treten in der Zeit Ludwigs des Frommen die
Evangelißtenbilder zurück, und wir finden die Heiligen und die
Kirche als neue Motive der Darstellung.

Der Problemkreis der Arbeit ist überaus vielschichtig und
schwierig. Es sind nicht nur eine Reihe von Wissenschaften — wie
Theologie, Byzantinistik, Geschichte und Kunstgeschichte — daran
interessiert, die Fragen um das Bild haben immer wieder die
weltanschauliche, nicht zuletzt die konfessionelle Diskussion entfacht
. Es kann also nicht der Sinn dieser Rezension sein, alle
Werte und Probleme der Arbeit aufzuzeigen. Einiges sei angemerkt
:

Gerne folgt man dem Verf., wenn er dem religiösen Grund
des Biiderstreites in Byzanz den Vorrang vor politischen Motiven
gibt. Doch ist schon dabei zu beachten, daß ein politisches
Ereignis der Spätantike und des frühen Mittelalters noch nicht
profanen Charakter zu haben braucht, sondern durchaus religiös
sein kann. Was jedoch die L. C. angeht, steht der Rezensent auf
Seiten Harnacks, der über dieses Werk wie folgt urteilt: „Man
hat einen Beweis der karolingischen .Aufklärung' in diesen Büchern
sehen wollen; aber die Aufklärung reichte doch nur so
weit, als die Unkenntnis der Bildertheosophie, das mangelnde
Verständnis für die subtilen Unterschiede der katQiia und
TtQoaxvvrjatg und das civilisatorische Bestreben des Königs
reichten. Was aus den Büchern wirklich spricht, ist das Selbst-
und Kraftgefühl der fränkischen Kirche, welches mit jugendlicher
Unverschämtheit hervorbricht, die ältere und weisere Schwester
schadenfroh des Irrtums überführt und den unmündigen byzantinischen
Kaiser und die Regentin geradezu in Anklagezustand
versetzt, vom Papst ein förmliches Proceßverfahren verlangend ..
Der Papst Hadrian widerlegt die Capitel, aber hütet sich, die
Differenz aufzubauschen" (Dogmengeschichte III, 1. u. 2. Aufl.,
S. 273). „Gegen die Bilderverehrung reagierte ein spirituelles,
augustinisches Element, aber zugleich war hier — so paradox es
klingen mag — der tiefere Stand der dogmatischen Bildung wirksam
" (ebda. S. 272). Zu den vielen widersprüchlichen Gedanken
der L. C, die 6chwer mit einem genuinen Interesse an der Diskussion
zu vereinigen 6ind, gehört vor allem ihre grundsätzliche
Auffassung vom Bild. So lehnen die L. C. nicht nur eine Darstellung
Gottes und ein Kultbild ab, sondern sie fassen das Bild
als etwas Ungeistiges und rein Materielles auf. Das Bild ist ein
Konglomerat von Farben, Tafeln und Wänden. Diese und ähnliche
Auffassungen der L. C. scheinen die Meinung Harnacks zu
bestätigen. Der Bilderstreit war für die Franken nie ein Problem,
sondern seine Fragen sind von außen an sie herangetragen worden
. (H. Schade: Die Libri Carolini und ihre Stellung zum Bild,
in: ZKTh. Bd. 79 (1957) Heft 1, S. 69.)

Methodisch fragwürdig ist e6, wenn eine Entwicklung der
Frömmigkeitsgeschichte vor allem auf den Vergleich von nur
zwei Dokumenten, dazu noch so umstrittenen Inhalts, sich stützt.
Die Breite karolingischer religiöser Literatur wäre zu berück-
ßichtgen. Bei dem Libellus 6ynodalis Parisiensis von 825 handelt
es sich nicht nur um ein wesentlich kleineres Werk als bei den
L. C. (das eine zählt 52, das andere 228 Seiten), sondern um
eine bewußte und gewollte Sammlung von Väterzitaten. Nicht
nur die Akten, sondern auch der Brief Ludwigs an Eugen II.
sprechen ausdrücklich davon, daß man den Papst um die Erlaubnis
zu einer Sammlung von Väterzitaten gebeten hatte (MGH Con-
cilia II. S. 534, Zeile 15: „Et ob hoc a vestra sanetitate petivimus,
ut sacerdotibus nostris liceret de libris sanctonim patrum sen-
tentias quaerere atque colligere, quae ad eandem rem, pro qua
idem legati vos consulturi erant, veraciter definiendam con-
venire potuissent"). Man kann doch wohl kaum einem theologischen
Werk vom Ende des 8. Jhdts. eine Sammlung von Väterzitaten
von 825 gegenüberstellen, um daraus den Wandel der
Argumentationsweise von der Schrift weg zur Vorherrschaft der
Patrologie aufzuzeigen. Der Verf. schreibt: „Die weitgehende
Unterordnung der Hl. Schrift unter die Autorität der Kirchenväter
(siel) wird gerade bei einem solchen spezifisch neutesta-
mentlichen Problem deutlich. Die Pariser Konzilsväter führen
hier zuerst zwei Worte von Augustin an, zitieren dann einen
Brief des Epiphanius, und erst an vierter Stelle wird Paulu«
1. Kot. 8, 1 genannt. Es folgen zwei Zitate von Ambrosius, ehe
Paulus noch einmal kurz zu Worte kommt. Als Abschluß werden
noch vier Zitate von Augustin angezogen. Obwohl doch der Gedanke
, den Schwachen im Glauben kein Ärgernis zu geben, von
Paulus stammt, wird Paulus nur an 4. und 7. Stelle zwischen insgesamt
11 Zitaten genannt. Hier wird auf solche besonders krasse
Weise deutlich, daß die theologische Beweisführung im Jahre 825
in erster Linie nicht mehr auf die Heilige Schrift zurückgeht,
sondern danach trachtet, die Autorität der Kirchenväter anführen
zu können" (S. 112).

Obwohl man bei einer Sammlung von Väterzitaten aus dem
räumlichen Nacheinander der Sätze nicht auf eine autoritative
Unterordnung der Hl. Schrift unter die Väter schließen kann,
bestätigt die Lesung des Textes nicht einmal die Angaben des
Verfassers. An der erwähnten Stelle (MGH Conc. 11, S. 547,
Zeile 21) steht nämlich der Vätertext als Erklärung einer Schriftstelle
(Jerem. 9, 14): „Hieremias propheta: Post Bahalim, inquit,
abierunt, quod didicerunt a parribus suis. Quod beatus Hiero'
nymus ita exponit: Ergo nec parentum nec maiorum error se-
quendus est, sed auetoritas scripturarum (siel) et Dei docentis
imperium ... Hinc enim beatus Augustinus ... etc. ..." Die
Väterstellen folgen ateo einem Schriftzitat, das sie erklären,
wobei explicite die Autorität der Hl. Schrift herausgehoben wird.
Eines der Zitate enthält im weiteren Verlauf die Worte des hl-
Paulus, die dann weiter klären und erklärt werden. Von einet
„weitgehenden Unterordnung der Heiligen Schrift unter die
Autorität der Kirchenväter", die schon a priori nicht wahrschein'
lieh ist, kann hier nicht die Rede sein. Aus Raummangel seien