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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

430-431

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Leal, Juan

Titel/Untertitel:

Sinopsis Concordada de Los Cuatro Evangelios 1959

Rezensent:

Winter, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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nau fünf Monate lang peinigen sollen (9, 5), würde verständlich,
wenn dabei auf die ebenfalls fünf Monate dauernden Unruhen
unter Florus angespielt wird. Das nachfolgende Wehe (6. Posaunenplage
, Apk 9, 13—21) enthält einen noch rätselhafteren Zug,
den nämlich, daß die vier bisher an den Euphrat gefesselten
Engel nun losgelassen werden und ein gewaltiges Reiterheer
heranführen. Dieser Zug würde verständlich, wenn man damit
die Tatsache in Zusammenhang bringt, daß sich im Heer des
Ce6tius auch Kontingente von Satelliten Roms, deren Gebiet zum
Teil an den Euphrat grenzte, befanden. Eine neue Erklärung meint
G. ferner für Apk 11, 1 f. geben zu können; der Seher denke
nämlich hier an eine Episode aus dem flavianischen Feldzug, dessen
zeitliche Dauer von dreieinhalb Jahren genau mit den 42 Monaten
, Apk 11,2, übereinstimme, während welchen die hl. Stadt
von den Heiden zertreten werden soll. Man wird natürlich hier
doch lieber zunächst an Dn 7, 25; 9, 25 als Vorbild denken, und
das um so mehr, als auch dieser Abschnitt voller atl. Reminiszenzen
ist. Was aber G. statt dessen lieber an den flavianischen
Feldzug denken läßt, ist eben das Zertretenwerden Jerusalems
und die Preisgabe des äußeren Tempelvorhofs an die Heiden. Er
denkt dabei an da6 Wüten der von den Zeloten zu Hilfe gerufenen
Idumäer (FI. Jos. BJ IV, 4; V, 1, 3), während gleichzeitig
im Tempel 6elbst der Opferkult immer noch fortgesetzt wurde.
Es dürfte auf der Hand liegen, daß auch diese Übereinstimmung
zwischen Josephus und der Apk nur unzulänglich und darum
wenig überzeugend ist, sobald man beachtet, daß in der Apk mit
den tftvr] doch Nationen gemeint sind. Für die zwei Zeugen, die
vom Tier aus dem Abgrund getötet werden und deren Leichen
unbestattet liegen bleiben (Apk 11,3 ff.), möchte G. ein entferntes
Vorbild in den zwei Hohenpriestern Ananos und Jesus sehen,
die von den Idumäern ermordet wurden und deren Leichen man
unbestattet ließ (Jo6. BJ IV, 5, 2). Mit viel Gelehrsamkeit und
Scharfsinn geht G. in Kap. 2 daran, das Rät6el der Könige in
Apk 13, 1—4 und 17, 7—14 zu lösen. Auf Josephus und andere
alte Autoren gestützt, läßt er die Reihe der römischen Kaiser
nicht mit Augustus, sondern schon mit Cäsar beginnen, woraus
sich ergibt, daß der 10. in der Reihe Vespasian ist. Wenn aber
neben den 10 Hörnern des Tieres nur 7 Köpfe stehen, die vom
Seher selbst als 7 Könige (Kaiser) gedeutet werden (17, 10), so
erklärt G. dies daraus, daß die drei Soldatenkaiser den anderen
Gliedern der Reihe nicht gleichartig waren, weil ihnen, wie es
scheint, nie göttliche Ehren erwiesen wurden. G. glaubt, die
Identifizierung der Könige auch durch eine neue Deutung der
Zahl 666 (13, 18) stützen zu können, indem er die Anfangsbuchstaben
der römischen Kaiser von Cäsar bis Vespasian in deren
Zahlenwerte umsetzt und dabei mit Berufung auf Orac. Sibyll-
V, 12—37, wie mir scheinen will, mit fraglichem Recht, für die
drei Soldatenkaiser den Buchstaben/' (= 3) einsetzt. Wenn man,
von der eben genannten Deutung der Zahl 666 abgesehen, von
der Beweisführung in diesem Kapitel zunächst 6taTk beeindruckt
ist, 6o kann man doch nicht übersehen, daß ihr 17, 12 entscheidend
entgegensteht, wo gesagt wird, daß die zehn Hörner „zehn
Könige sind, die die Herrschaft noch nicht empfangen
haben", also für den Seher noch der Zukunft angehören müssen
. Um die durch die bisherigen Ausführungen gewonnene Datierung
des Hauptteils der Apk unter Vespasian (um 74-75) zu
sichern, konfrontiert G. in Kap. 4 die Lage der Christen unter
Vespasian mit dem, was sich der Apk über ihre Situation entnehmen
läßt. Auch hier wird man ihm nicht ohne Bedenken folgen
können. Vielmehr dürfte doch Jouguet darin recht behalten,
daß gerade dieser Kaiser von seiner Apotheose wenig wissen
wollte (vgl. dazu neuerdings L. Cerfaux et J. Tondriau, Lc culte
des 6ouverains dans la civilisation Gre>o-Romaine, 1957, 353
—355). Es bleibt dann doch fraglich, ob der Seher der Apk
unter diesem Kaiser die Lage der Christen für so bedrohlich
ansehen konnte, wie er es tut. Sehr viel bereitwilliger
folgt man Giet in Kap. 5, wo er nachweist, daß Apk 4 — 19, 8
eine homogene Einheit bilden, darum von einem Verfasser
gleichzeitig geschaffen wurden, woraus für Giet folgt, daß die
vorher für bestimmte Teile gewonnene Datierung für den Hauptteil
des ganzen Werkes gilt. Auch in diesem Kapitel begegnen
wir wieder gewagten und wenig einleuchtenden Kombinationen.
Für das Gesamtergebnis unwichtig ist, ob man Giet darin recht

gibt, daß in 14, 1—5 (wegen V. 4: „die 6ich mit Weibern nicht
befleckt haben") eine essenische Vorlage verarbeitet ist (S. 143 f.).
Für bedenklicher halte ich, daß G. (S. 151) die alte Deutung des
ersten apokalyptischen Reiters (6, 2 f.) auf die Verkündigung des
Evangeliums übernimmt und dazu diese Verse mit Mk 13, 7—17
zusammenstellt, weil hier ebenfalls der Sieg des Evangeliums
mitten unter katastrophalen Ereignissen, wie sie die drei weiteren
apokalyptischen Reiter darstellen, in Aussicht gestellt wird. Ein
Ergebnis, auf das Giet großen Wert legt, besteht darin, daß die
erste Hälfte des apokalyptischen Diptychons die Geschichte des
Christentums bis zum Jahre 70, also für den Verfasser selbst
bereits der Geschichte angehörende Ereignisse zeichnet, und daß
sich sein Blick erst von 14, 7 an auf die Zukunft richtet. Er geht
aber so weit, daß er den zweiten und dritten Reiter auf die
Kriege und Hungersnöte unter Claudius deutet und in 6, 9—11
eine Anspielung auf die ersten Martyrien (Stephanus, Jakobus)
und in 6, 12 eine solche auf das Erdbeben in Philippi Apg 16, 26
findet. In den drei einleitenden Kapiteln des Buches ist die Perspektive
die nämliche wie im Hauptteil. Die 6ieben Briefe sind
wie dieser gegen den Kaiserkult gerichtet und eine Fülle von
Einzelzügen verbinden sie ebenfalls mit Kap. 4—19,8. Die Schlußkapitel
dagegen scheinen nicht bloß nicht zum ursprünglichen
Werk zu gehören, sondern entbehren auch in sich (vgl. 21,2
neben 21, 10) der Homogenität. In dem sehr lesenswerten 6. Kapitel
prüft Giet, in welchem Ausmaß der Apokalyptiker traditionelle
Stoffe verwendet, und untersucht er ferner, wie das Bildmaterial
bei den atl. Propheten und in der jüdischen Apokalyptik
verwertet wurde, um in einem letzten Kapitel die Ergebnisse
seiner Untersuchung nochmals zusammenzufassen und die Beweiskraft
seiner Gründe abzuwägen.

Wenn ich auch nicht zu glauben vermag, daß sich seine Ergebnisse
durchsetzen werden, so hat Giet sein Buch doch nicht
umsonst geschrieben. Es enthält eine solche Fülle von Stoff,
Gelehrsamkeit und klugen Gedanken, daß man es nicht ohne
Gewinn aus der Hand legt.

S. 178, Z. 2 ist Andreas von Cäsarea statt A. von Kreta zu lesen.
München Josef S c h rn i d

Leal, Juan, S. J., Prof.: Sinopsis Concordada de Los Cuatro Evange-
lios. Madrid: La Editorial Catolica 1954. XX, 353 S. = Biblioteca de
autores cristianos. 5 5 pesetas.

Der Autor, Professor an der Theologischen Fakultät zu
Granada, hat versucht, ein zusammenhängendes Bild von dem
Ablauf de6 Lebens Jesu zu gewinnen, indem er die Darstellungen
der vier kanonischen Evangelien paralleli6ierte. Nach einer sehr
ausführlichen Einleitung auf 104 Seiten, einer Tabelle mit Angaben
, welchen Tagen des gregorianischen Kalenders die Tage des
14. und 15. Nisan in den Jahren 26 bis 36 der heutigen Zeitrechnung
entsprechen sollen, und schließlich einer vergleichenden
Tabelle der Jahresdaten 8 ante bis 36 post Christum natum mit
der nach Olympiaden und der ab urbe condita kalkulierten Zeitrechnung
folgt der „parallel angeordnete" Text der vier Evangelien
auf 223 Seiten und zum Schluß verschiedene Register auf
18 Seiten. Der Evangelientext ist eine Neuübersetzung aus dem
Griechischen (hauptsächlich unter Zugrundelegung der Ausgabe
von Jose Maria Bover; gelegentlich war die Vulgata für Aufnahme
oder Fortlassung einzelner Verse maßgebend — so finden
wir die kürzere Form des Vaterunsers in Matthäus, aber den
längeren Schluß in Markus); die Anordnung der Perikopen folgt
häufig der in Lagrange'6 und Lavergne's Synopse evangelique aus
dem Jahre 1928.

Der Titel „Synopse der vier Evangelien" ist irreführend. Das
Buch will nicht literarischen Untersuchungen dienen, sondern zu
historischen Deduktionen führen. Dem Verfasser war es darum
zu tun, eine Evangelienharmonie herzustellen, indem er den vollständigen
Inhalt aller vier Evangelien wiedergibt — in Parallel-
spaltcn, wo er Parallelen annimmt — und den Inhalt der synoptischen
Evangelien dem im Johannesevangelium gegebenen
Rahmen anpaßt. Was von solchen Versuchen gilt, haben vor
mehr als einem Menschenalter Albert Schweitzer (für die historische
Leben-Jesu-Forschung) und Hans Windisch (für die literarische
Evangelien-Forschung) bereits gesagt. Eine Synchroni-