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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

425-427

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kraus, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Die prophetische Verkündigung des Rechts in Israel 1959

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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nicht mehr werden sie bei ihm (Jahwe) wohnen. Subjekt ist wie
in 13 die Bewohner der Stadt, nicht wie in 15 diese selbst. *VÖ
heißt wohl hier .angreifen'. Von Nachstellungen ist 13 die
Rede". „4:15. "O > ,3i da6 zum Vorhergehenden zu führen
ißt: .berührt mich nicht!' Es reden die in die Stadt eindringenden
Krieger. Vgl. 13".

Hallo/Saale OttoEiflfeldt

Kraus, Hans-Joachim: Die prophetische Verkündigung des Rechts in
Israel. Kurt Dietrich Schmidt zum 60. Geburtstag. Zollikon-Zürich:
Evangelischer Verlag [1957]. 38 S. 8° = Theologische Studien, hrsg.
v. K.Barth u. Max Geiger, H. 51. DM 3.10.

H.-J. Kraus will mit dieser kleinen Arbeit „das Gespräch mit
den Rezensenten und Kritikern der Studie .Gottesdienst in
Israel' weiterführen" (vgl. auch ThLZ 79 (1954), Sp. 737-741),
und zwar hinsichtlich der Rolle des Bundesmittleramtes (Gottesdienst
in Israel, S. 60ff.). Der Titel „Prophetische Verkündigung
des Rechts" meint also nicht in erster Linie Verkündigung des
Recht6 durch die Schriftpropheten des Alten Testaments, sondern
bezieht sich auf ein Amt prophetisch - charismatischer Rechtsverkündigung
, das im einzelnen nachgewiesen werden soll.

In einem ersten Teil wird die Frage nach dem Kreis der Verfasser
und Verkünder des apodiktischen Rechts (im Sinne der
Abgrenzung A. Alts) aufgeworfen. Daß es in Kreisen der Leviten
gestaltet sei (Ed. Meyer, Hölscher) oder auf Mose selbst zurückgehe
(Volz), kann heute nach den Ergebnissen der formgeschichtlichen
Methode mit ihren kultgeschichtlichen Konsequenzen
nicht mehr behauptet werden. „Der Frage nach der festen, bestimmenden
Form der Rechtsgattung und der Frage nach dem
beharrenden ,Sitz im Leben' der Rechtspromulgation entspricht
konsequent die Frage nach einem kontinuierlich vorhandenen
Amt, das die Rechtsformulierung, Rechtsverkündigung und
Rechtsüberlieferung versah" (S. 9). Kraus sucht nun nach einem
spezifisch „mosaischen Amt", d.h. einem solchen, in dem die von
Mose urbildhaft vollzogenen Funktionen ihre Verwirklichung in
der Geschichte gefunden haben. In diesem Zusammenhang wird
Ex. 20, 18—21, wo Mose dem Volk die Gottesrede übermittelt,
als Ätiologie für das Amt eines charismatischen Rechtsverkünders
verstanden. Mehr noch: Wir dürfen „mit Recht in .Mose' nicht
in erster Linie eine geschichtliche Person, sondern vor allem ein
gottesdienstliches Amt des Bundesfestkulte6 suchen" (S. 13).
Diese ätiologische Tendenz von Ex. 20, 18—21 werde Dt. 18,
15—20 aufgedeckt. Die Form jäkim in v. 15 wird distributiv verstanden
: Jahwe wird „je und je" der Volksgemeinde einen Propheten
erstehen lassen. Das Wort näbi bezeichne den prophetischcharismatischen
Rechtsverkünder. Jedoch seien von der institutionellen
Recht6prophetie (Dt. 18, 15—20) Elemente der freien
Geschichtsprophetie (v. 21. 22) zu scheiden. Schließlich versucht
Kraus eine Identifikation 6eines „mosaischen Amtes" mit dem
Amt des „Richters Israels" in Anlehnung an M. Noths Aufsatz
in der Bertholet-Festschrift (1950), S. 404 ff. Es wäre sehr wohl
möglich, daß der Begriff söphet die zentral-richterlichen und der
in Dt. 18, 15—18 verankerte Begriff näbi die charismatischprophetischen
Funktionen ein und desselben Amtes bezeichnet.
Der Rechtsübermittler sei auch der Bundcsmittler; Dt. 26, 16 ff.
handle es sich um Feststellungen, wie sie im Gottesdienst der
Bundeserneuerung erhoben werden. Dort habe auch das apodiktische
Recht seinen „Sitz im Leben".

Im zweiten Teil der Arbeit wird der geschichtlichen Nachwirkung
des zentralen Amtes der apodiktischen Rechtsverkündi-
gung nachgegangen. Hier bewegt sich Kraus in Bahnen, die den
Lesern seines Buches „Gottesdienst in Israel" im wesentlichen
schon vertraut sind. In Samuel erscheinen Amt und Charisma in
glücklicher Weise vereint. Für die Kontinuität de6 Amtscharisma6,
wie es durch Dt. 18, 15-18 nahegelegt ist, wird im Verhältnis
Elias zu Elisa ein aufschlußreicher Beleg gefunden. Elia solle in
l- Kön. 17—19 als „neuer Mose" erscheinen, er sei „6uccessor"
des Mose von seinem Amt her, das dann weiter auf Elisa übertragen
wird. Der Bundcskult habe während der Königszeit vor
j'"Jm im Staate Israel seine Fortsetzung gefunden, während in

m J°aS' Hiskia und J°sia den Bund mit Janwc wieder geschlossen
hätten, ihre günstige Beurteilung durch den Deuterono-

misten damit als historisch zuverlässige Mitteilung zugunsten des
Bundeskultes in Juda ernstgenommen ist. Schließlich wird aus
der Reihe der klassischen Propheten des 8. Jahrhunderts Hosea
herausgegriffen und gezeigt, wie „in der großen Prophetie Israels
" „ohne eine letzte kultisch-amtliche Fundierung im Zentralheiligtum
die Rechtsüberlieferungen des altisraelitischen Bundeskultus
aktualisiert" werden. Hier ist H. W. Wolfis These aus
seinem Aufsatz über „Hoseas geistige Heimat" in ThLZ (nicht
ZThK!) 1956, Sp. 83-94 verarbeitet, wonach Hosea Verbindung
zu levitischen Kreisen des Nordreiches Israel hatte. Mit wenigen
Worten ist das Verhältnis des Amte6 der apodiktischen Rechtsverkündigung
zum deuteronomistischen Geschichtswerk, zu den
Ebed-Jahwe-Liedern (der „Ebed-Jahwe" als eschatologischer
Rechts- und Bundesmittler, als der eschatologische Repräsentant
des „mosaischen Amtes") 60wie zum „Lehrer der Gerechtigkeit"
in den Qumräntexten angedeutet.

Wie auch in seinen früheren Schriften, so verfolgt Kraus
auch hier wieder das Ziel, ausgehend von den gattungs- und
überlieferungsgeschichtlichen Ergebnissen Alts, Noths und
von Rads nach einer Institution und deren Verwurzelung im
israelitischen Kultus zu fragen. Lösungen in dieser Richtung stehen
dabei den in Frage kommenden Texten nicht an der Stirn
geschrieben, sie können nur durch ein vorsichtiges Rückschlußverfahren
unter Beachtung literarkritischer, überlief erungs-
geschichtlicher, religions- und kultgeschichtlicher Gesichtspunkte
allmählich gewonnen werden. Die Frage nach den Ämtern steht
darum naturgemäß nicht am Anfang, sondern am Ende de6 methodischen
Forechungsweges alttestamentlicher Textanalysen.
Kraus kann in seiner kleinen Studie diesen langen Anlaufweg
nicht mitleisten, er deutet ihn nur an, indem er auf eine Reihe
von Untersuchungen wiederholt Bezug nimmt, die für ihn ein
unumstrittenes Fundament bedeuten wie Alts Ursprünge des
israelitischen Rechts, Noths Überlieferungsgeschichtliche Studien
I und die Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, von Rads
Formgeschichtliches Problem des Hexateuchs u. a. Dabei zeigt
sich einerseits die überzeugende Tragfähigkeit und das glückliche
Ergänzungsverhältnis der genannten grundlegenden Forschungen,
anderseits aber liegt die Gefahr nahe, daß bei allzu kühner
Koppelung ihrer oft nur mit relativer Sicherheit ausgesprochenen
Ergebnisse die eigene intensive Arbeit am Text in den Hintergrund
tritt. Daher ist der Eindruck nicht zu vermeiden, daß
Kraus' „mosaisches Amt" auf einer sehr schmalen Textgrundlage
steht. Es dürfte methodisch nicht zu rechtfertigen sein, aus den
in Dt. 16,18-18,22 stehenden Bemerkungen über Richter,
Leviten, Könige und Propheten verbindliche Äußerungen über
den Charakter dieser Ämter in frühisraelitischer Zeit abzulesen.
Der Verfasserkreis des Deuteronomiums muß vielmehr diese ihm
bekannten Ämter im Rahmen seiner eigenen idealen Ordnung
zum Ausgleich bringen und sie neu präzisieren. Das geschieht
nicht ohne Rücksicht auf ihre Vorgeschichte, zielt aber im Endergebnis
auf eine eigene neue Konzeption ab. Darum kann
Dt. 18, 15-20 das „mosaische Amt" nicht überzeugend als ein
Amt der Frühzeit begründen, da6 den „in erhabener Einsamkeit
und Autorität" wirkenden charismatischen Rechtsprecher meint,
..der einst im Amte des Gottesdienstes fungierte" (S. 37). Vielmehr
ist damit zu rechnen, daß die im Deuteronomium besprochenen
Ämter nach den Gesichtspunkten des Deuteronomiums
umgeprägt ihren alten ursprünglichen Charakter zumindest teilweise
eingebüßt haben. An dieser Stelle, wo Kraus zwischen dem
geschichtlich Zuverlässigen und der nachträglich vereinheitlichenden
Tendenz der Geschichtsschreibung und Gesetzesformulierung
nicht mehr ganz scharf unterscheidet, dürfte die bedenklichste
Schwäche seines methodischen Ansatzes zu finden sein. Überrascht
liest man die folgenden Sätze, die in diese Hintergründe
des Textverständnisses hineinleuchten, wie es Kraus vertritt:
„Es wäre falsch, wenn man die Beurteilung der Könige von Juda
einem geschichtsfernen Schematismus des Deuteronomisten zuschreiben
würde. Die beiden Kriterien: Rückhaltloser Dienet
Jahwes und Wandel in den Spuren Davids liest der Geschichtsschreiber
— wie aus den positiven Urteilen über einige judäische
Könige hervorgeht — aus der Stellung der Regenten zum zentralen
Gottesdienst des amphiktyonischen und königlichen Heiligtums
ab" (S. 28, Anm. 40). Es liegt in der Konsequenz dieser