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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

422-423

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Suzuki, Daisetz Teitaro

Titel/Untertitel:

Die Zen-Lehre vom Nicht-Bewusstsein 1959

Rezensent:

Melzer, Friso

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

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Fachgenossen des Gelehrten und einiger ihm als seine ehemaligen
Doktoranden und Assistenten besonders verbundenen Kollegen
im akademischen Lehramt". Trotzdem ergab sich eine große Vielgestaltigkeit
der Themen, die „ein kleines Spiegelbild der umfassenden
Wirksamkeit des Forschers und Lehrers Paul Althau6"
ist (7).

M. Doerne beschreibt unter der Überschrift „Der unscheinbare
Gott" die Gegenständlichkeit der Gotteserfahrung, wie sie
in Rilkes „Stundenbuch" zu erkennen ist, und gibt so indirekt
einen Beitrag zu den „theologischen Verhandingen über die
Wirklichkeit der Religion und der Religionen in ihrem (heiß umstrittenen
) Zusammenhang mit den Horizonten der Uroffen-
barung bzw.. .. der .allgemeinen Offenbarung' " (14). — K. Fror
behandelt die Beichte. Wenn er „das mündliche, akustische Wort"
der Absolution für heilsnotwendig erklärt, so ist zu fragen, ob
nicht auch das gelesene Wort verbum externum ist und demnach
nicht unter das Verdikt „merus enthusiasmus" fällt (34). Hier
bleiben m. E. Fragen offen. Ebenso scheint mir die volle Analogie
zwischen Binde- und Löseschlüssel, wie sie von F. im Prinzip behauptet
, wenn auch praktisch offen gelassen wird (44), nicht durchführbar
zu sein. Wenn die Absolution nicht auf Grund des vorgefundenen
und festgestellten Glaubens, sondern als Aufruf zum
Glauben ausgesprochen wird und darum keine Vorbehalte verträgt,
60 die Retention nicht auf Grund des vorgefundenen Unglaubens
(wer dürfte sich auch einen unfehlbaren Blick in die Herzen zutrauen
?!), aber auch nicht als Hineinstoßen in Unglauben und
Gottesferne, sondern als Mahnung zur Sündenerkenntnis und zur
Umkehr zu Gott, also mit dem Ziel der Absolution. — H. Graß
gibt einen sehr lehrreichen Überblick über den Stand der eschato-
logi6chen Debatte und setzt sich seinerseits mit beachtlichen
Argumenten für eine Jenseitse6chatologie ein. — W. loest kommt
in einer Untersuchung zur Zwei-Reiche-Lehre zu dem Ergebnis:
„Die Vermischung der Regimente i s t nicht... Vermischung von
Gesetz und Evangelium; wohl aber begibt sich der Mensch mit
ihr in eine Stellung, in der er sich zugleich eigenmächtig dem
Zugriff des sich in Gesetz und Evangelium unterscheidenden
Wortes. .. entzieht" (97). - Reiches Material enthalten die Abhandlungen
E. Kinders, „Christus als Hoherpriester nach Luther
und den lutherischen Bekenntnisschriften", und M. Schmidts,
„Teilnahme an der göttlichen Natur. 2. Petrus 1, 4 in der theologischen
Exegese des Pietismus und der lutherischen Orthodoxie".
- W. Künneth stellt die „Frage nach der Mitte der Schrift" und
beantwortet sie mit dem Hinweis auf das Heilsereignis der Auferstehung
de6 Gekreuzigten. Im Gegensatz zu idealistischen,
spekulativen und existentialistischen Thesen hält K. eine „Jesusbiographie
" nicht nur für möglich, sondern mißt ihr sogar „erhöhtes
Gewicht" bei (135). — Die Rede vom „katholischen Luther
" ist nach W. von Loewenichs sachkundiger Erörterung dieses
Problems „in höchstem Maße mißverständlich und verwirrend":
schon vor 1517 war Luther nicht „katholisch im Sinn der mittelalterlichen
Theologie", und wenn er sich später katholisch nannte,
so nicht im Sinne der Papstkirche (149). - W. Lohff liefert einen
Beitrag „Zur Verständigung über das Problem der Ur-Offen-
barung": „Nicht die Ablehnung der Ur-Offenbarung, sondern
eben die Beachtung der rechten Zuordnung, in der das Wort und
die durch dasselbe beanspruchte Wirklichkeit stehen, vermag die
Domestizierung des Evangeliums' zu verhindern" (164). -
H. Thiehcke äußert sich in Ausschnitten aus dem Entwurf zum
3. Bande der .Theologischen Ethik' „Zum Begriff der Ideologie". -
Unter dem Thema „Die Gegenwart als Grenze der Geschichte"
fragt W. Trillhaas, ob der Gedanke einer von Gott privilegierten
Geschichte (der „Heilsgeschichte") „an einer von vornherein gezogenen
Grenze sein Ende findet". „In jeder Gegenwart vollzieht
Slch etwas, was gegen die Depravierung durch das Nur-Ge-
schichtliche protestiert" (228). - G. Wehrung erörtert „Unsere
Stellung zum Leib und zum Natürlichen" in einem Aufsatz, der
als Fortsetzung seiner ethischen Prinzipienlehre „Weit und
Reich" gedacht war.

Hall«

/Soa,e Erdmann Schott

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Suzuki, Daisetz Teitaro: Die Zen-Lehre vom Nicht-Bewußtsein. Die
Bedeutung des Sütra von Hui-neng (Wei-Lang). Aus dem Englischen
..The Zen Doctrine of No-Mind" übersetzt durch Emmy P e 1 e t.
München-Planegg: Barth-Verlag 1957. 148 S. 8°. Pp. DM 10.80.
Die akute Krise des abendländischen Denkens hat dem
fernöstlichen Geist eine offene Tür gegeben. Wie nie zuvor zieht
der Zen-Weg die Aufmerksamkeit der Suchenden auch im Abendland
immer mehr an. So ist es gut, daß neben die bereits im
Deutschen vorliegenden Bücher von Prof. Suzuki (geb. 1869) —
„Zen und die Kultur Japans" (1941), „Die Große Befreiung /
Einführung in den Zen-Buddhismus" (Leipzig o. J., jedoch vor
1945), „Leben aus Zen" (1955), „Der Weg zur Erleuchtung / Die
Übung des Koan" (1957) — nun auch das neue Buch tritt. Prof.
Suzuki schreibt wie früher so auch hier als Fachmann, der nicht
nur die Originalwerke in Sanskrit, Pali, Chinesisch und Japanisch
studiert hat, sondern der auch mit dem westlichen Denken vertraut
i6t. Wir begegnen ihm auf den Eranos-Tagungen in Ascona
(vgl. seine Beiträge im Eranos-Jahrbuchl). Christmas Humphrey
sagt (als Herausgeber der englischen Ausgabe des vorliegenden
Buches) in seinem Vorwort mit Recht: Wenn Prof. Suzuki über
die höheren Stufen des Bewußtseins spricht, „so tut er es wie
ein Mensch, der darin lebt" (7). Anders gesagt: Suzuki spricht
nicht „über" den Zen-Weg, sondern er bezeugt ihn als einer, der
ihn geht, 60 daß etwas von der Eigenart dieses fern-östlichen
Denkens, das zugleich ein Nicht-Denken ist, auch im Stil verleibt
und bis in die deutsche Übersetzung hinein zu spüren ist.

Zunächst legt Suzuki „Die Bedeutung des Sutra von Hui-
Neng (Wei-Lang)" dar. Hui-neng (638-713) ist neben Bodhi-
Dharma die andere bedeutsame Gestalt in der frühen Geschichte
des Buddhismus in China. Seit dem 8. Jhdt. hat das Werk
Lu-tso T'an-ching innerhalb der Zen-Bewegung eine
zentrale Bedeutung innegehabt. Der Hauptteil des vorliegenden
Buches handelt von der „Einsicht in die eigene Selbstnatur"
(30-144).

Wenn wir im Bereich unseres abendländischen Lebens und
Denkens etwas suchen, was der zentralen Erfahrung des Zen am
nächsten käme, so wäre es der Sprung ins Unmittelbare, wäre es
die schöpferische Spontaneität, deren Verhältnis zum Unbewußten
oder deren Ort im Unbewußten noch genauer zu untersuchen
wäre. In Suzukis Buch heißt es, die Selbst-Natur „zu sehen", bedeute
, „im UNBEWUSSTEN zu erwachen" (61) — dabei wird
UNBEWUSSTES groß geschrieben. Was ist dieses UNBEWUSSTE
(das übrigens seiner selbst durchaus bewußt ist)? „Es ist, nicht
an Sein oder Nichtsein zu denken; es ist, nicht an Gut und Böse
zu denken; es ist, nicht daran zu denken, ob man Grenzen hat
oder keine Grenzen hat. . ." (58). Neben solche grundsätzlichen
Aussagen treten die Koans, überraschende Aussagen oder Handlungen
, die helfen sollen, im Betroffenen das Aufleuchten des
Satori, des Eins-Seins mit dem reinen Sein, zuwege zu bringen.

Man könnte das Gesuchte auch die wahre Unmittelbarkeit
nennen und versuchen, sie in Beziehung zu setzen zu dem Wieder-
wie-die-Kinder-Werden Jesu, nur daß hier die personhafte Existenz
gefordert und vorausgesetzt wird, dort in Zen aber geleugnet
und überwunden werden 6oll. Das auch für uns Gute des
Zen wird jedoch deutlich, wenn ein Zen-Meister, als er nach dem
befragt wurde, worauf es ankomme, sagt: „Wenn mich hungert,
esse ich; wenn ich müde bin, schlafe ich" (99) - und meint, wenn
ich esse oder schlafe, 60 tue ich nichts drittes, weder denken noch
träumen usw.

Wer, von Suzuki angelockt, fragt, wie ein Deutscher da
voran kommen könne, der sei auf die Bücher des deutschen Philosophen
Eugen Herrigel verwiesen (alle im selben Verlag von
Otto Wilhelm Barth): „Zen in der Kunst des Bogenschießens"
(1948, 2. Aufl. 1951), aus dem Nachlaß „Der Zen-Weg" (1958),
von seiner Frau Gusty L. Herrigel die Schrift „Der Blumenweg"
(1957).

Fragen wir uns, was dieses fern-östliche Erbe, das auch heute
noch lebendig ist, für die einheimische Kirche und ihre Theologie
etwa in Japan bedeute, so ist mit Beschämung zu sagen: nichtsI