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Ausgabe:

1959 Nr. 6

Spalte:

420-421

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Dank an Paul Althaus 1959

Rezensent:

Schott, Erdmann

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419

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 6

420

auch einer der Herausgeber und Fachberater). „Frau" (mit Zusammensetzungen
) hat einen großen Raum bekommen, 24 Spalten
, davon für den Hauptartikel „Frau" 20 Spalten. Dieser
Artikel ist nicht leicht zu überschauen, er kommt sozusagen
nicht zur Ruhe. Er geht von der Religionsgeschichte und dem
Alten Testament über das Urchristentum und die Kirchengeschichte
zur heutigen Lage, und diese wird dreifach behandelt
: „Die Rechte der Frau in der Kirche" (E. Schwarzhaupt),
„Die Stellung der Frau in der gegenwärtigen Gesellschaft" (R.
Ludwig und H. Dombois) und dann „Die Frau in der jungen
Christenheit" (W. Freytag). Man befindet sich also in der heutigen
Kirche, geht zur Gesellschaft außerhalb der Kirche über und
kehrt sofort zur Kirche zurück — nur daß sie jetzt aus Farbigen
besteht. Wir haben offenbar noch nicht die durch die Weltmission
herbeigeführte neue Situation ganz durchdacht.

Beispielhaft ist m. E. der Artikel „Geist" mit sieben Unterabteilungen
: religionsgeschichtlich (S. Morenz), alttestament-
lich (G. Gerleman), jüdisch (wieder Gerleman), neutestamentlich
(E. Käsemann, mit scharfen Grenzen zwischen verschiedenen
Teilen des Neuen Testaments, wie man es von K. erwarten
kann), dogmengeschichtlich (M. A. Schmidt in San Anselme mit
einer Menge von Literaturhinweisen), dogmatisch (R. Prenter)
und philosophisch (W. Wieland). Man kann hinzufügen, daß
G. Ebeling in einem besonderen Artikel über „Geist und Buchstabe
" die Relation zwischen Wort und Geist die Kirchengeschichte
hindurch analysiert — seine Literaturabteilung am
Ende des Artikels ist wie eine Bibliothek. Dazu treten Zusammensetzungen
wie „Geistestaufe", „Geisteswissenschaften"
usw.

Eine Kleinigkeit: „Groningen, Universität" hat einen besonderen
Artikel bekommen, für die Universitäten in Glasgow
und Edinburgh wird dagegen auf „Schottland" hingewiesen, aber
„Genf" wiederum wird speziell behandelt — die Geschichte der
Universität in Genf ist sehr ausführlich auf breiter historischer
Grundlage von J. Courvoisier dargestellt (5 Spalten). Das scheint
konsequent durchgeführt zu sein, die Niederlande und die
Schweiz nehmen eine Sonderstellung ein, sie stehen wohl
Deutschland näher.

„Geschichte und Geschichtsauffassung", „Geschichtlichkeit
" sind Artikel, die ein Schwede mit Interesse, aber auch mit
Sehnsucht nach Einar Billing liest. Es ist nicht leicht, einen
Theologen in Europa zu finden, der sich so allseitig und tief mit
dem Problem der Geschichte beschäftigt hat wie gerade Billing.
Besonders hat er ja auf diesem Gebiet mit dem Alten Testament
gearbeitet und von da aus die Einheit der Bibel in einer ganz
originalen Weise gesehen. Aber er ist unübersetzt und unbekannt
und deshalb selbstverständlich in diesem Artikel nicht erwähnt
. Das hier zu sagen ist keine Kritik gegen RGG, sondern
gegen uns Schweden. Man schämt sich, wenn man 6elber fleißig
übersetzt wird und wenn Billings Hauptwerke unlesbar liegen,
nur in schwedischer Sprache. Diese Artikel über „Geschichte"
(mit Zusammensetzungen) in RGG sind entweder rein exegetisch
(O. Plöger, E. Dinkler, M. Noth, O. Cullmann) oder auch geschieh
tsphilosophisch bestimmt. Besonders die exegetischen Abteilungen
liest man gern und mit großem Gewinn.

Und nun „Gesetz"! Das ist ja ein Problem ersten Ranges
in der deutschen systematischen Theologie, was sich auch in der
Gliederung des Artikels zeigt (22 Spalten). H. v. Glasenapp berichtet
vom Gesetz in der Religionsgeschichte, E. Würthwein
gibt den entsprechenden Bericht vom Alten Testament, E. Lohse
vom Judentum, O. Bauernfeind vom Neuen Testament. Bis dahin
fühlt man die angenehme Ruhe des theologischen Museums,
Staub, Gelehrsamkeit und Stille. Dann kommt die Explosion,
Ernst Wolfs sieben Spalten „Gesetz und Evangelium, dogmengeschichtlich
". Hier bekommt man viel zu wissen. Luther wird
nach G. Heintzes Abhandlung 1958 dargestellt, es ist keine
grundsätzliche Differenz zwischen Luther und Calvin, Karl
Barth hat mit seiner Lehre von „Evangelium und Gesetz" nicht
gegen Luther und das Luthertum direkt polemisiert, der Dualismus
von „Gesetz und Evangelium" bei Eiert ist in seinen Motiven
von denjenigen Marcions nicht weit entfernt. (Wolf ist
Fachberater in RGG für die Neuzeit in dem Fach Kirchengeschichte
.) Nach Wolf kommt W. Joest mit „Gesetz und Evangelium
, dogmatisch", man hat den Eindruck, daß er umhergeht
und säubert, nach der Explosion, ruhig und ohne Leidenschaften.
Der Leser aber, der meint daß alles jetzt zu Ende ist, entdeckt
eine neue Überschrift, die sonst in RGG selten eine Entsprechung
hat, „Gesetz, ethisch", worunter F. Lau die bleibende Bedeutung
des Gesetzes für den Christen behandelt. Diese hin und her
wogende Darstellung des ganzen Gesetzeskomplexes ist sehr
typisch für die heutige Lage. Man notiert übrigens, daß es unter
dem Buchstaben E keinen systematischen Artikel über „Evangelium
" gibt.

Wa6 „Glaube" betrifft, sind die Unterabteilungen dieses
Artikels in einer ungewöhnlichen — aber glücklichen — Weise verteilt
, die Kombination von Verfassern ist sehr überraschend.
C. H. Ratschow beginnt mit den religionsgeschichtlichen Gesichtspunkten
, F. Baumgärtel hat das alttestamentliche Material
bekommen, H. Braun das neutestamentliche (eine selbständige
Modifikation von Bultmann, scheint es mir), A. A. van Ruler
das dogmengeschichtliche, das er in originaler und lesenswerter
Weise analysiert. Zuletzt kommt H. Grass mit der dogmatischen
Abrundung (10 Spalten), gewissermaßen sehr unmodern, mit
Gefühl und Erfahrung und Zweifel, wie es in Marburg noch sein
6oll. Eine erfrischende Sammlung von Personen rings um den
Glauben.

„Gnade" besteht aus 15 Spalten, oder 17 mit Zusammensetzungen
(von den Gnadenmitteln schreibt E. Sommerlath),
was erstaunlich wenig ist — das Material von der Religionsgeschichte
durch die Bibel und Dogmengeschichte ist ja überreich.
Dagegen hat der Artikel „Gott" (ohne Zusammensetzungen)
44 Spalten in Anspruch genommen, dazu treten 6 Spalten „Gottesbeweise
", 38 Spalten „Gottesdienst" (mit einer Menge von
Unterabteilungen), 7 Spalten „Gottesfurcht" usw. Der Hauptartikel
„Gott" ist von großem Interesse. W. Pannenberg hat
offenbar tief in der Theologiegeschichte geschürft und hat dem
Leser auch viel zu geben, E. Schlink geht in der dogmatischen
Unterabteilung konsequent von der Doxologie aus. Den Gottes-
glauben des Neuen Testaments hat E. Fa6cher beschrieben. In dem
langen Artikel „Gottesdienst" behandelt S. Mowinckel die Religionsgeschichte
und das Alte Testament, H. Riesenfeld — sehr
kurzgefaßt — die neutestamentlichen Schriften. Bei der Darstellung
der Geschichte des christlichen Gottesdienstes kommen die
jungen Kirchen ausnahmsweise an ihrem richtigen Ort, direkt
nach „dem Westen" — erst danach folgen die modernen liturgischen
Bestrebungen (hauptsächlich wird dabei Deutschland behandelt
).

Ich merke hier auch an, daß einige Artikel, die an und für
sich kurz sind, durch die Menge von sachlichem Material sehr
nützlich beim Nachschlagen sein können. Die kirchlichen Zusammenschlüsse
von 1910 bis 1957 sind von H.-H. Schrey im
Artikel „Einigungsbestrebungen" tabellarisch zusammengestellt;
S. C. Neill schreibt ebenda von der Gegenwart. Reich an Stoff ist
auch z. B. der Artikel „Gustav-Adolf-Werk" von H. Steitz. Daß
der schwedische König dem Kontinent und keinem besonderen
Land gehört, wird daraus deutlich.

Es ist nicht nur so, daß Band II mit allen Lieferungen vor
dem Neujahrstag 1959 veröffentlicht war, sondern der dritte Band
hat schon angefangen, und seine ersten Lieferungen tragen auch
1958 als Druckjahr. RGG ist wie ein Schnellzug, der früher zum
Bahnhof ankommt, als der Fahrplan verspricht. Da keine Abfahrtszeiten
im voraus angegeben sind, kann man das tun, was
ein Schnellzug nicht kann, sofort weiterfahren.

Lund Gustaf Wi n r ren

[Alt ha us, P.:] Dank an Paul Althaus. Eine Festgabe zum 70. Geburtstag
, dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern. Hrsg-
von W. Künnethu. W. Joest. Gütersloh: Bertelsmann (19581-
272 S., 1 Porträt gr. 8°. Kart. DM 14.-.

Diese Festschrift hat sich eine doppelte Beschränkung auferlegt
: in sachlicher Hinsicht auf Probleme der systematischen
Theologie, da dem Lutherforscher P. Althaus eine besondere Festschrift
überreicht wurde; in personeller auf „einen Kreis engerer