Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 5

Spalte:

383-384

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schott, Erdmann

Titel/Untertitel:

Die zeitliche und die ewige Gerechtigkeit 1959

Rezensent:

Winter, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

383

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

384

er arbeitet (81). Wichtig ist H.s Bemerkung, „daß man der
Theologie die Schwierigkeit ihrer wissenschaftlichen Aufgabe
wie auch das Recht zu dem Eingeständnis zubilligen soll, daß 6ie
ihr Nichtbeantwortbares, wie das jede Wissenschaft hat, in besonderem
Maße mit 6ich führt, und daß man ihr nicht die Auflage
machen darf, 6ie müsse intellektuell in jedermann, zumindest
aber in der Gemeinde, ihr Forum sehen" (82). Hingewiesen sei
auch auf die Streiflichter, die auf das Lehrzuchtproblem (51 f.),
die Gewissenhaftigkeit in der Wahrheitsfrage (55) und das Spiel
mit dem Feuerbachianismus in der Theologie (91) fallen.

Druckfehlerberichtigung: S. 121, Z. 13 lies et 6tatt at;
S. 101, Z. 11 lies 35 statt 37; S. 109, Z. 1 lies 87 statt 89 (eben-
60 Z. 2 u. 24); S. 125, Z. 6 von unten lies als statt wie es.

Halle/Saale Erdmann Schott

Schott, Erdmann: Die zeitliche und die ewige Gerechtigkeit. Eine
kontroverstheologische Untersuchung zum Konkordienbuch. Berlin:
Evangelische Verlagsanstalt [1955]. 151 S. gr. 8°. Geb. DM 9.—.

Dieses Buch behandelt in 16 Abschnitten die Hauptprobleme
der lutherischen Bekenntnisschriften unter formaler Anlehnung
an die Augustana (CA). Der 17. Abschnitt (Beilage) enthält eine
kirchenrechtshistorische Debatte mit W. O. Münters Dissertation:
Die Gestalt der Kirche nach .göttlichem Recht'. Es geht hier
hauptsächlich um die rechte Unterscheidung zwischen .göttlichem
' und .menschlichem' Recht. „Wenn das jus divinum, wie
Münter will, juristisch zu verstehen ist als .Kern eines etwaigen
Kirchenrechts', .. . dann wird der Verrechtlichung der Kirche und
des geistlichen Handelns, gegen die einst die Reformation angetreten
war, die Tür wieder geöffnet" (149).

Im Unterschied zu Brunstädt („befolgt mehr die Lokalmethode
", 7) und Schlink („stellt die reformatorische Lehre von
Gesetz und Evangelium in den Mittelpunkt seiner Darstellung",
7) ist Schott an einer klaren Darlegung des lutherischen Bekenntnisses
gegenüber der römischen Kirche interessiert. Was Asmus-
sen in seiner Auslegung der Augustana (Warum noch Lutherische
Kirche?, 1949) unter irenischem Vorzeichen betreibt, wird hier
mit polemischer Gründlichkeit auseinandergesetzt. Dabei werden
die nicht immer auf den ersten Blick eindeutigen Formulierungen
der Bekenntnisschriften aus dem reformatorischen Gesamt -
Verständnis interpretiert und in das Gespräch mit Äußerungen
früherer und heutiger römischer Theologie gebracht. Die innerprotestantischen
Klärungen des 16. Jahrhunderts und die antischwärmerische
Front der Bekenntnisschriften werden weniger
ausführlich berücksichtigt.

Die kontroverstheologische Auseinandersetzung erstreckt
sich auch auf Tendenzen innerhalb der heutigen evangelischen
Theologie. Zwar werden nur Brunstädt, W. O. Münter und
Schlink namentlich erwähnt; aber es fallen Bemerkungen zur
Unionsfrage (69,91), zum Verhältnis von Kirche und Staat
(71, 122), zu Hirtenbriefen (49), zur liturgischen Erneuerung
(93, 114), zur Kirchenordnung (140). Fast in allen Fragen wendet
sich Sch. gegen eine kirchliche Gesetzlichkeit. Zur Auseinandersetzung
mit dem heutigen Pietismus (z. B. W. de Boor, Der
Pietismus im lutherischen Bekenntnis, 1954) bieten sich ebenfalls
Ansätze (29, 34, 47, 79, 99).

Wie schon der Titel des Buches im Anklang an CA 16,4
sagt, werden die meisten Lehrstücke unter Beachtung der „Anti-
thetik von Zeit und Ewigkeit" (7) ausgelegt. „Die Zeitanschauungen
hüben und drüben sind verschieden. Die römische Soterio-
logie richtet sich nach der Kalenderzeit (Chronos), die Luthersche
nach Geschichtszeiten, nach der Geschichte Gottes mit der
Menschheit (Kairos). Die Kalenderzeiten sind nacheinander, die
Geschichtszeiten aber können und müssen gleichzeitig sein. Die
Kalenderzeit bestimmt unser Leben äußerlich, die Geschichtszeit
innerlich" (28). „ .. . über die naturgesetzliche Zeit verfügt der
Mensch, solange er sie hat, am deutlichsten im Experiment; die
geschichtliche Zeit aber beherrscht den Menschen, der Mensen erscheint
als Kind, wohl gar Sklave der Zeit Durch den Glauben
an Christus wird der Sklave de6 Gesetzes zum Kinde Gottes"
(103). — Das evangelische „theozentrisdi - eschatologische" Denken
sieht die Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit nur im „Wort
Gottes" gegeben (in der 2. Hälfte spricht Sch. öftere vom ,Keryg-

ma'), während die „anthropozentrisch - kasuistische" Denkweise
Roms und der Schwärmer menschliche, rechtliche Vermittlungsinstanzen
mit in Anschlag bringt. Dieser vor allem aus CA 5, 1;
2 gewonnene (48) und mit CA 16,4 kombinierte Grundansatz
wird dann besonders in der 2. Hälfte des Buches, wo es im Anschluß
an den Aufbau der CA um die Lehre von der Kirche geht,
immer wieder als heuristisches Prinzip in der Darstellung und
Kritik herausgestellt. — Es fällt auf, daß die .Eschatologie' im
engeren und traditionellen Sinne (CA 17, usw.) kaum erwähnt
worden ist. Stattdessen i6t der Begriff der .Eschatologie' erweitert
und uminterpretiert worden, wie es heute weithin (7) geschieht.
Das Verhältnis von .Eschatologie' im weiteren und engeren Sinne
ist nach wie vor ein brennendes Problem in der heutigen Theologie
. Könnten hier die BS und die Reformatoren im existenz-
und kontroveretheologischen Gespräch der Gegenwart nicht doch
noch stärkere Hilfe bieten?

Besonders bemüht sich Sch. auch darum, die seiner Meinung
nach zu wenig gesehene Bedeutung des 1. Glaubensartikels für
die BS gebührend zu akzentuieren. Doch bei aller berechtigten
Kritik an Schlinks Äußerungen über den Schöpfungsglauben in
den BS (14): Geben diese nicht das Zeugnis von Gott viel stärker
trinitarisch wieder und gar nicht 60 sehr vom Schöpfungsglauben
her? Sind Christus und der Heilige Geist „n u r dazu
gesandt, um uns zum Schöpfer zu .bringen' " (15)? U. E. ist mit
.Gott' in den BS weniger der Schöpfer allein als vielmehr der dreieinige
Gott gemeint. Vgl. Großer Katechismus 2, 6—10. Außerdem
ist im GK 2, 64 nicht das Wort .Schöpfer' Subjekt des Satzes
(zit. S. 15), sondern der Gott „in allen dreien Artikeln" (GK
2, 63). Dasselbe gilt vom GK 2, 66 (zit. S. 15): „diese Artikel".

Einige kleine Irrtümer: Auf S. 21 und 25 (Mitte) muß es
wohl statt S. 12, bzw. 14 S. 20 heißen. — Es bringen nicht alle
„einzelnen, auf reformiertem Boden entstandenen Bekenntnisschriften
ausführliche Lehrstücke über die Heilige Schrift als eine
Art Prolegomena" (9). Sie fehlen im Heidelberger und Genfer
Katechismus, im Schottischen Bekenntnis von 1560. — Schlink
spricht in Übereinstimmung mit Sch. (65) vom Gebot .Gottes',
das der Kirche Jesu Christi gilt (Theologie der luth. Bek.-schr.,
S. 41), nicht aber vom .Gebot der Kirche' (so S. 10).

Eine letzte Eigenart ist die starke Berücksichtigung kirchenrechtlicher
Fragen. Ist z. B. der Abschnitt .Rechtfertigung' nur
acht Seiten lang, umfaßt der Abschnitt ,potesta6 ecclesia6tica'
dreizehn Seiten. Daß Sch. mit großer Ausführlichkeit ein in der
bisherigen Literatur weniger beachtetes Gebiet der BS behandelt,
macht sein Buch besonders wertvoll. „Der vorgetragene Gedankengang
... hat also eine kirchenrechtliche Zuspitzung und
darf damit heute besonderer Aufmerksamkeit gewiß sein" (142).
— Die gründliche Untersuchung wird nicht nur in der rechtstheologischen
Debatte beachtet werden. Sie bietet auch dem Anfänger
eine gute Einführung in das lutherische Bekenntnis.

Greifswald Friedrich Win tr r

Bonsirven, Joseph: Le Kigne de Dieu. Paris: Aubicr [ 1957]
230 S. 8° = Theologie. £tudes publikes sous la direction de la Fa
culte de Theologie S. J. de Lyon-Fourviere, 17. ffr. 810.—.

Ce livre est une etude de theologie biblique, extremement
consciencieuse et foulliee, consacrcc ä la notion de Royaume ou
de Regne de Dieu, specialement dans les 6ynoptiques. L'auteur a
eu raison de considerer cette notion comme signe distinetif de
la prddication de Jesus. II a ete bien servi par sa connaissance
tres solide de la pensee v6terote6tamentaire, de la litterature
talmudique et rabbinique ainsi que des Apocryphes. II recherche
ä propos de chaque notion neotestamentaire 6on angine et son
developpement dans la pensee juive et il est preoccupe de re-
trouver le „Sitz im Leben" de toutes les coneeptions et les pra-
tiques qu'il decrit. On le sent parfaitement ä l'aise dans toute la
partie propTement historique oü son erudition n'est jamais en
defaut, quoiqu'il n'ait pas fait une place süffisante a la litterature
de Qumran. En tout cas il ressort clairement de l'etude de Bonsirven
qu'aux approches de l'ere chretienne la locution de regne
de Dieu 6tait familiere aux Juifs, qui y voyaient surtout le regne
du Createur sur son peuple et sur l'univers, tout en donnant le
plus 60uvent une nuance eschatologkjue ä ce regne (p. 25).