Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959

Spalte:

382-383

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hermann, Rudolf

Titel/Untertitel:

Von der Klarheit der Heiligen Schrift 1959

Rezensent:

Schott, Erdmann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

381

der Ewigkeit; Das Phaenomen des Lichtes in der Göttlichen
Komödie; Dantes Geschichtsbewußtsein; Die Erkenntnis und
der Lehrer der Wahrheit in Dantes Gedicht; Die Verwandlungen
in Dantes Hölle der Diebe" werden am Ende durch ein persönliches
Bekenntnis „Vorbereitung auf Dante" ergänzt.

Wer sich ernsthaft mit Dante beschäftigt, darf an dieser
Sammlung nicht vorübergehen. Es 6ind meist philosophische
Untersuchungen, die den Zugang zu Größe und Tiefsinn mittelalterlichen
Denkens eröffnen. R. G. erkennt die entscheidende
Bedeutung der Vita Nuova für das Verständnis vor allem der
Divina Commedia. Besondere Bedeutung schreibt R. G. mit
Recht dem visionären Element bei Dante zu. Er vertritt die Ansicht
, daß in der inneren Entstehungsgeschichte der G. K. visionartige
Erfahrungen eine Rolle gespielt haben müssen. Der Verf.
ist bekanntlich in der geistigen Welt bedeutender Denker und
Dichter zu Hause. Aus diesem Grunde hat er, offenbar aus eigenem
Erleben und Nacherleben, Erkenntnisse gewonnen, die zu
den letzten Ergebnissen und Deutungen um Dante führen. Immer
wieder ist darauf hinzuweisen, daß der heimatlose Wanderer sein
furchtbares irdisches Schicksal nur überwinden konnte, weil er
sich als Begnadeter erkannte. Früher waren nur Aeneas und der
Apostel Paulus auch der Gnade teilhaftig geworden, die jenseitige
Welt — Unterwelt und Himmel — geschaut zu haben (besonders
Inf. II 28 ff., wofür die Erklärungen der neueren Kommentatoren
, vgl. besonders im Deutschen Dante - Jahrbuch
Bd. 36/37 (Weimar 1958), Seite 224 ff., dazu die vorhergehenden
Bände, ferner Herrn. Gmelin, Kommentar zur Hölle, Stuttgart
1954, Seite 51, heranzuziehen sind), aber nur er war ausgehen
worden, wieder als ein Lebender nach der Wanderung
durch die drei Jenseitsreiche in die Welt zurückkehren zu dürfen
, um der Menschheit zu ihrem Heile von dem zu berichten,
was er gesehen und erlebt hatte, so oft auch die Kraft der
menschlichen Sprache dafür zu versagen schien.

In diese unsterbliche, schwer deutbare Welt führt R. G.
seine Leser, deren Dank ihm sicher ist.

Jona Friedrich Schneider

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5 382

nen, was aber nicht heißen soll, daß ein solches Bemühen schlechthin
ohne Wert sei (S. 230 ff.).

Eine weitere Besonderheit dieses Buches ist, daß es mutvoll
die Probleme parapsychologischer Art als möglichen Hintergrund
aufzeigt. Die dabei geübte Zurückhaltung ist dem Verfasser zu
danken.

Der Grundton des Buches ist herb, auffordernd, es will alle,
..Gläubige" und Religionsferne, auf die sittlichen Grundwahrheiten
hinweisen, deren Träger und Künder der Mensch Jesus von
Nazareth war. Wie anfechtbar viele der Einzelanschauungen
Sinclairs auch 6ein mögen, 6eine Aussagen lassen immer wieder
aufhorchen, wenn er die Erfahrungen seines Lebens, die Begegnungen
mit Menschen und Vorgängen verschiedenster Art aufleuchten
läßt. Und der Verfasser hat dazu ein gutes Recht, wie
es im ausgeführten Titel bekundet wird. Alles in allem: ein Buch,
das vom Leben befruchtet wurde und daher von denen, zu denen
der ringende Ernst eines der mancherlei „Außenseiter" zu sprechen
vermag, mit Gewinn gelesen wird.

Leipzig Rudolf Grabs

sSincIair)lIpton: Jesus, wie ich ihn fand und sah. (Titel der amerikanischen
Originalausgabe: A Personal Jesus.) Übersetzt von Ursula
von Wiese. Zürich: Steinberg - Verlag [1957]. 256 S. 8°. Kart.
DM 15.80.

Dies fesselnd geschriebene Werk des amerikanischen Romanschriftstellers
, Sozialkritikers und - wie ihn die Verlagsankündigung
nennt — „Kämpfers gegen jedes Unrecht" ist ein Spätling.
Es hätte einen guten Platz verdient in Leipoldts „Vom Jesusbilde
der Gegenwart" vor mehr als dreißig Jahren (2. Auflage: 1925).
Aber es kommt heute zu uns. Der Verfasser bekennt von sich:
..Mit sechzehn Jahren fiel ich von der Kirche ab; aber nie fiel ich
von Jesu6 ab" (S. 7). Es ist ein sehr eigenwilliges Buch, aber es
will helfen. Es wendet sich an Amerikaner, aber nicht nur an
diese. Bemerkenswert ist die Feststellung, daß nach einer Statistik
vom 31. März 1950 nicht weniger als 35 % der Amerikaner
außerstande waren, „irgendeinen Urheber der vier Evangelien
mit Namen anzugeben" (S. 8/9). Das Buch ist mit romanhaft ausgeführten
Szenen zum Beispiel aus Jesu Jugend ausgeschmückt.
Das ist ein zweifelhaftes Beginnen. Die tragende These des Buches
ist, daß der historische Jesus „Rechabiter" gewesen sei. Dieser
Stamm wandernder Gelegenheitsarbeiter wird mit den „Keni-
tern" oder auch „Kainitern" (S. 9 usf.) in eins gesetzt. Auch
wenn man einräumt, daß das flüssig geschriebene Werk einem
quasi missionarischen Zwecke dienen will, bleibt es bedauerlich,
daß der Verfasser, der 6ich aus innerstem Antrieb mit Jesus eingelassen
hat und sich mit der Gesamterscheinung des Christentums
auseinandersetzt, nicht — durch einen knappen Quellennachweis
wenigstens — seine Behauptungen erhärtet. (Für eine
Neuauflage sei die Übersetzerin darauf aufmerksam gemacht, daß
die heute außertheologisch vielfach angewandte Bezeichnung
..alttestamentarisch" (S. 9) nicht üblich und unschön ist.)

Sinclair bemüht sich, des Äußeren der Gestalt Jesu habhaft
zu werden. Er beruft sich an dieser Stelle auf Gewährsmännei der
Alten Kirche. Für ein kritisches Bemühen ist dabei wenig gewon-

SY ST EM ATISCHE THEOLOGIE

Hermann, Rudolf: Von der Klarheit der Heiligen Schrift. Untersuchungen
u. Erörterungen über Luthers Lehre von der Schrift in De
servo arbitrio. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1958]. 127 S. 8° =
Gotteswort u. Menschenwort in der Bibel H. 2. DM 4.20.

Die Bedeutung dieser Schrift liegt 1) in der Exegese bekannter
Stellen aus De servo arbitrio, 2) in der kritischen Erörterung
der Lehre von der Klarheit der Schrift. In beiderlei Hinsicht bringt
sie der Forschung eine willkommene Förderung.

1) Für die Lutherexegese besonders wichtig sind die Exkurse
über Luthers Interpretation von Ps. 119,130 (WA 18,
654, 2 3 ff.) und über die „Finsternis" als Reich des Satans
(a. a. O., 659, 6 f.) sowie Kap. 5, das von der Klarheit der Glaubensartikel
nach dem Bruch der Grabessiegel handelt (a. a. O.,
606, 24 ff.). Unter Heranziehung reichen Materials wird im ersten
Exkurs dargelegt, daß Luther (über den alttestamentlichen Text
hinausgehend) Ps. 119,130 vom reformatorisch verstandenen
Evangelium her deutet, daß sich hier also die Merkmale für die
„äußere" und die „innere" Klarheit verflechten. Der zweite Exkurs
zeigt: die Finsternis, in der Satan seine Herrschaft ausübt,
ist die menschliche Herzensblindheit, nicht etwa der Untergang
der göttlichen Offenbarung in der Welt; Gottes Sonne scheint
hell und klar, aber wir verschließen vor ihr die Augen. Hier
bringt H. eine eingehende systematisch-theologische und exegetische
Erörterung der Reittier(iumentum)-Stelle (a. a. O. 635,
7 ff ), wobei er den bisher in der Literatur nicht beachteten
Zusammenhang mit Ps. 73, 23 umfassend und überzeugend auswertet
. In Kap. 5 zeigt H., daß Luther wahrscheinlich a. a.O.
606, 24 ff. mit dem versiegelten Stein vor dem Grab Christi die
vom Menschen mißdeutete Heilige Schrift meint; die Lösung
der Siegel ist dann der Durchbruch de6 Evangeliums durch die
Gesetzlichkeit. Vgl. den bei Luther öfter begegnenden Gedanken
, daß erst der Heilsglaube die trinitarischen und christo-
logischen Dogmen lebendig mache, daß diese dagegen in der
römischen Lehre zu bloßen Artikeln ohne den lebendigen
Christus würden.

2) Die Lehre von der Klarheit der Schrift enthält eine
zentrale reformatorische Wahrheit und wird als solche von H.
nachdrücklich gewürdigt. Seine Bedenken richten sich gegen die
These einer von der „inneren" abgehobenen „äußeren" Klarheit
. Die Klarheit der Schrift stellt Luther mit Recht den Autoritäten
gegenüber, die Erasmus unter Berufung auf die Dunkelheit
der Schrift ins Feld führt; aber sichert sich Luther genug
gegen die Gefahr einer lehrgesetzlichen Verwendung der Bibel
(32)? Natürlich gibt es einen Trotz, der sich nicht überzeugen
lassen will; aber steht ihm eine äußere Klarheit gegenüber, die,
wie Luther sagt, schon der gesunde Menschenverstand erkennt
(49)? Luther überschätzt doch wohl die Freiheit der Theologie
von der Philosophie und unterschätzt den Einfluß der aus Philosophie
und Logik stammenden Klarheitskriterien, mit denen