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Ausgabe:

1959 Nr. 5

Spalte:

380-381

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Guardini, Romano

Titel/Untertitel:

Landschaft der Ewigkeit 1959

Rezensent:

Schneider, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

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mehr orientalischen Einfluß zeigt (S. 116). Unmittelbar orientalische
Vorbilder, sehr bald in Rußland selbständig verarbeitet,
wurden bewußt gegen die höfische, auf Byzanz zurückgreifende
Ikonenmalerei ausgespielt. Die Forschungsprobleme um die
Vladimirskaja sind vom Verf. sachlich und abgewogen zur Darstellung
gebracht worden, auch wenn ich persönlich seine
Schlußfolgerungen nicht ganz teile. Die Tolgskaja möchte ich nicht
als Eleusa-Typ ansprechen. M. E. gehört 6ie der Reihe der
■&EOZÖXOS ev&Qovos-lkonen an, worüber man sich jetzt bei
G. und M. Soteriou, Icones du Mont Sinai, 2 Bde., Athen 1956,
1958 orientieren kann. Die Meinung de6 Verf6., daß Feofan Grek
in Rußland viele Nachahmer gefunden hat (S. 134), ist einzuschränken
. Feofan ist von der russischen Orthodoxie nie verstanden
worden. Er war auch eine zu eigenwillige Renaissancepersönlichkeit
, um im mittelalterlichen Rußland eine Nachfolge
erwirkt haben zu können. Rublev hat zwar vieles von dem Griechen
gelernt, aber seine Farben- und Lichttechnik geht weit über
diesen hinaus. Ebenso möchte ich jetzt nicht mehr Dionisij in der
Nachfolge Rublevs sehen (S. 166 ff.), so gut Verf. sonst auf diesen
Meister eingegangen ist. Dionisijs Farben gehen auf Novgo-
rod zurück. Er verbindet 6ie wieder mit dem alten „Repräsentationsbild
". Während bei Rublev das „Luftlicht" seinen Ikonen
den unerreichten Zauber einer natürlichen Bildatmosphäre gibt,
werden die Farben bei Dionisij wieder „plakatartig". Auch das
von Gerhard richtig hervorgehobene lineare Element gibt den
Figuren Dionisijs eine fast gotisch anmutende Sensibiltät. Außerdem
hat Dionisij mit der Gründung einer eigenen „Drushina",
Malerzunft, den ersten Schritt zur Emanzipierung der Ikonenmalerei
von der Kirche getan, obwohl er im Dienste einer besonders
aktiven kirchenpolitischen Gruppe stand. Zu der Malerei
von Palech (S. 192) wäre die ausgezeichnete Darstellung von A. V.
Bakusinskij, Die Kun6t Palechs, Moskau. Leningrad 1934 (russ.)
anzuführen. Auch Gorkij hat in einem eigenen Kapitel in „Unter
fremden Menschen" sehr interessant über Palech geschrieben. So
wäre noch Einiges zur Darstellung Gerhards zu sagen. Wie bei
fast allen Ikonenbüchern fehlt eine stärker auf die ästhetischen
Fragen eingehende Sprache, die ein wirklich konkretes Bild von
der Schönheit der Ikone vermittelte. Mir scheint, daß so wichtige
Begriffe wie Symmetrie und Asymmetrie, Luft, Licht, Farbe,
Proportion usw. zu allgemein und fließend behandelt werden,
als daß sie bleibende Erinnerungen wecken könnten. Aber das
gilt, wie gesagt, für fast alle Ikonenbücher. Gerhards Arbeit,
solide und sachlich geschrieben, bleibt eine empfehlenswerte Lektüre
für jeden, der sich mit Ikonen beschäftigt.

Halle (Saale) Konrad Onasch

Gerstenberg, Kurt: Baukunst der Gotik in Europa, hrsg. von
Harald Busdi u. Bernd Lohse. Bilderläuterungen v. Helmut Domke.
Frankfurt/M.: Umschau-Verlag. XXXVI S., 200 Abb. 8°.

Man kann nicht nur mit Musik, sondern auch mit Bildern
trunken machen, was im Zeitalter der Photographie, der Kinos,
des Radios und Fernsehens kaum einer Begründung bedarf. Es
wird in diesem Buch nicht versucht, sondern das Bild wird redlich
in den Dienst der Deutung dessen gestellt, was die Gotik für
Europa bedeutete. Von Norwegen (Drontheim) bis Italien und
Spanien (Mallorca), von England bis Polen (Krakau) gibt dieser
im höchsten Sinne konstruktive Stil Zeugnis von der Entfaltung
des abendländischen Geistes in der Baukunst des Mittelalters.
Durch die Kreuzfahrer hat er sogar im nahen Osten Eingang gefunden
. Wahrscheinlich hätte eine 6chematische Karte Europas
diese Perspektiven noch deutlicher hervorheben können. Sakralbau
und Profanbau werden berücksichtigt. Betrachtung und Bilder
beschränken sich nicht nur auf die Baukunst, sondern auch die
Kathedralplastik wird an den entscheidenden Stellen wie in
Chartres, Reims und Straßburg einbezogen. Kurze Beschreibungen,
prägnante Beschriftungen geben Auskunft über die Denkmäler.'
Die eigentliche Kunstbetrachtung wurde einem Gelehrten anvertraut
, der in der deutschen Sondergotik uns die nationalen
Grundlagen dieses in seinem Werden und seiner Entfaltung internationalen
Stiles nahe gebracht hat. Er ist der beste Bürge dafür,
daß auch durch die nationalen Eigentümlichkeiten, die in Frankreich
und England noch stärker waren als in Deutschland, die
internationalen Perspektiven entschiedener ausgeprägt worden

sind. Kurt Gerstenberg sieht bei seinem aufgeschlossenen Sinn für
die nationalen Grundlagen erst recht die europäischen Fluchtpunkte
. Gerade aus diesem Grunde hat er naturgemäß für die
Umwandlung der Prozessionskirche des hohen Mittelalters in die
Predigtkirche de6 späten Mittelalters, die sich in Deutschland
vollzog, ein besonders feines Gefühl.

Ortsregister und ein alphabetisches Verzeichnis von Erläuterungen
der Fachausdrücke geben auch dem Laien und dem eiligen
Leser die Möglichkeit, sich mit der gotischen Baukunst in
Europa vertraut zu machen, was durch die in charakteristischen
Beispielen gegenübergestellten Abbildungen, durch zahlreiche
Grundrisse und Schnitte erleichtert wird.

Düsseldorf Heinrich J. Sch m i d t

Schubert, Ernst: Der Naumburger Dreikönigsaltar. Ein historischphilologischer
Beitrag. Berlin: Akademie - Verlag 1957. V, 25 S.,
15 Abb. i. Text u. auf 4 Taf. 4° = Deutsche Akademie der Wissenschaften
zu Berlin. Schriften zur Kunstgeschichte, hrsg. v. R. Hamann
u. E. Lehmann, H. 3. DM 9.80.

Mit dem Flügelaltar in der Dreikönigskapelle des Naumburger
Domes hat sich die Forschung schon verschiedentlich befaßt
. Ernst Schubert weist darauf hin, daß die in der vorliegenden
Literatur gebotenen Beschreibungen unvollständig 6ind, die
Inschriften in einigen Teilen ungenau wiedergegeben werden und
die Ansichten über Ort und Zeit der Entstehung, sowie über die
kompositionelle Einheit des Werkes allerlei Irrtümer aufweisen.
Schubert beschreibt deshalb die bildlichen Darstellungen in allen
Einzelheiten und gibt den Wortlaut der Inschriften. Dann wendet
er sich gegen die Meinung, daß zwischen den Flügeln und der
Mitteltafel kein innerer Zusammenhang bestehe und das Werk
von verschiedenen Künstlern ohne einheitliche Konzeption geschaffen
und nachträglich zusammengefügt sei. Der Verfasser
stützt seine Ansichten auf zahlreiche überzeugende Argumente.
In der Frage der Datierung weist er nach, daß die Behauptung,
das Werk sei vor 1422 entstanden, nicht genügend gesichert ist.
Der Flügelaltar könne auch nach 1422 angefertigt worden sein.
Mit Sicherheit lasse sich nur sagen, daß der Dreikönigsaltar aus
der Zeit nach dem 15. 4. 1409 stamme. Über die Herkunft des
Altars besteht, wie E. Schubert darlegt, Ungewißheit. Trocscher
will ihn in Burgund entstanden wissen. Giesau und Stange meinen
, die Tafeln könnten auch in Mitteldeutschland gemalt worden
6ein. Bergner hat auf stilistische Verwandtschaft mit der
„Altkölner Schule" hingewiesen. Schubert stellt so aufgrund
historisch-philologischer Erwägungen den derzeitigen Stand der
Forschung über den Naumburger Dreikönigsaltar klar und ruft
die Kunsthistoriker auf, von dieser Grundlage ausgehend mit
den Mitteln des Stilvergleichs weitere Erkenntnisse anzustreben.
Theologische Fragestellungen hat Schubert, seiner Zielsetzung
entsprechend, unberührt gelassen.

Cuxhaven Alfred Weckwcrth

Hillebrecht, Rudolf: Städtebau und Kirchenbau.
Kunst und Kirche 22, 1959 S. 20—23.

Hirzel, Stephan: Kirchenbau und Theaterbau.
Kunst und Kirche 22, 1959 S. 29—31.

Hoeltje, Georg: Eine Baubetrachtung. Die Martinskirche in Hannover
-Linden.

Kunst und Kirche 22, 1959 S. 10—15.
Thiemann, Walter: Die Parochie.

Kunst und Kirche 22, 1959 S. 16—19.
Thimme, Hans: Der letzte Bau.

Kunst und Kirche 22, 1959 S. 3—9.

LITERATURGESCHICHTE
UND CHRISTLICHE DICHTUNG

Guardini, Romano: Landschaft der Ewigkeit. München: Kösel-
Verlag [1958]. 254 S. 8° = Dante-Studien 2. Bd. Lw. DM 14.80.

Die von R. G. in einer Sammlung zusammengefaßten Aufsätze
: „Das visionäre Element in der Göttlichen Komödie; Die
Ordnung des Seins und der Bewegung; Das letzte Sonett der
Vita Nuova; Leib und Leiblichkeit in der Commedia; Landschaft