Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 5

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

359

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

360

Svenskt Kyrkoliv i Finland. 37. Jahrg. Helsingfors 1958.
162 S.. 40 Abb. kl. 8°.

Das vorliegende Jahrbuch, November 1957 bis Oktober
1958, eine Gabe des Bischofsstiftes BoTgä, führt in die brennenden
Fragen der kirchlichen Gegenwart ein (vgl. ThLZ 1956.
Sp. 459; 1957, Sp. 297).

Der neue Jahrgang verläßt mehr als die bisher hier angezeigten
Jahrgänge alte Wege und sucht neue. Im ersten erbaulichen
Teil nimmt der neue Erzbischof von Schweden Gunnar Hultgren
das Wort. Sein Bild zeigt einen Mann, der wohl hören kann, der
aber weiß, was er will. — Im grundsätzlichen Teil werden die
neueren Arbeitsformen der Gemeinde beurteilt nach dem strengen
Maßstab: Was für einen Auftrag hat die Gemeinde nach der
Schrift, und wie ist die augenblickliche Lage, über die wir uns
nicht täuschen dürfen: „Wer sein Leben erhalten will, der wird
es verlieren." Den Gruppen und Grüppchen, die sich abkapseln
und um jeden Preis ihr Leben erhalten wollen, fehlt es oft an
Sauerstoff. Kirchen, Gemeindesäle, Arbeitszentralen, die alten
Fluditburgen vor der „Welt", sollen Proviantstationen und Aus-
bildungsherde werden für alle, die nach vorn in die Kampflinie
gehen.

Ebenso mutig schauen in die Zukunft zwei Artikel, die 6ich
mit der christlichen Liebestätigkeit innerhalb des Wohlfahrtsstaates
befassen. „Mit einer gewissen Verdutztheit müssen wir
feststellen, wie die Gesellschaft immer mehr christlich wird, während
die Entchristlichung der einzelnen weiter vordringt." So
wird z. B. ganz Finnland mit einem Netz von Krankenstationen
und „Gesundheitsschwestern" überzogen, während das Kirchengesetz
für alle Gemeinden Diakonissen vorsieht. Finnland ist
das Land, das bisher Überfluß an Diakonissen hat. Ein Verfasser
sieht die Lage für die Diakonissen so: heute weniger Krankenpflege
, mehr Seelsorge; morgen viel Seelsorge; übermorgen meist
Seelsorge, Diakonissen vielleicht als Geistliche ordiniert.

Der Bischof von Borgä, Olof Rosenqvist, berichtet selbst
über den kirchlichen Aufbau in der Landschaft Porkala. Dänemark
und Schweden haben reichlich geholfen. Der Präsident der Republik
weihte die erste wiederhergestellte Kirche Degerby mit ein.

Die Hauptstadt Helsingfors 6oll 1959 ein eigenes finnisches
Stift erhalten; ihre finnischen Gemeinden gehörten bisher zu
Tampere (Tammerfors); die schwedischen bleiben bei Borgä. Es
ist geplant, die Studenten der Theologie durch vierteljährliche
Ausbildungskurse mit 6 Wochen Fabrikarbeit in die Fragen der
überstürzten Industrialisierung Finnlands einzuführen.

Ein Rückschritt gegen früher ist der Mangel an Berichten
aus dem übrigen Skandinavien; nur Schweden ist mit knapp
5 Seiten vertreten. Hier ist am 1. Januar 1959 das Gesetz in
Kraft getreten, das weibliche Pfarrer vorsieht. Die beiden
Universitätsstädte haben neue Bischöfe, Uppsala Hultgren, Lund
den Dichter Nils Bolander.

Leipzig Friedrich Oitarhlld

Locher, Gottfried W.: Was ist Dogmengeschichte?

Evangelische Theologie 19, 1959 S. 16—27.
Schreiber, Georg: Deutsche Bistumsgeschichte.

Theologische Revue 53, 1957 Sp. 145—157.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

K 1 a u s e r, Theodor: Die römische Petrustradition Im Lichte der neuen
Ausgrabungen unter der Peterskirche. Köln-Opladen: Westdeutscher
Verlag [1956]. 122 S. m. 17. Abb., 19Taf. gr. 8° = Arbeitsgemeinschaft
für Forschung d. Landes Nordrhein-Westfalen, H. 24. DM 9.30.

Die Untersuchung1 zerfällt in drei Kapitel. Kap. I handelt
über die römische Petrustradition; die Erörterung setzt bei Clemens
von Rom und Ignatius von Antiochia ein und reicht bis zu
den römischen Quellen des 5. und 6. Jhdts. Kap. II berichtet über
die neuen Grabungen unter Sankt Peter. Kap. III gibt „die Beurteilung
der römischen Petrustradition auf Grund der Ausgrabungsergebnisse
". Verschiedene Anhänge bilden den Beschluß

*) Rez. ohne Verschulden des Rezensenten verspätet.

des Buches. Dieses ist sehr gut ausgestattet; es bietet ausgezeichnetes
Illustrationsmaterial. Wir haben eine überaus
mühevolle Arbeit vor uns, die jeder, der mit dem Thema
einigermaßen Bescheid weiß, mit Dank und Anerkennung entgegennehmen
wird. Die Ausführungen über das archäologische
Material der Petrus-Rom-Tradition sind anregend, klar
und sachlich geschrieben; sie zeugen von gründlicher Kenntnis
des Stoffes. Das gilt auch für solche Partien, in denen man dem
Verf. nicht ganz zu folgen vermag. Die überaus verwickelten baugeschichtlichen
Probleme, die mit der Grabstätte P verbunden
6ind (auf der man das Petrusgrab vermutete), werden mit großem
Geschick verdeutlicht. Etwas anders 6teht es mit Klausers Stellungnahme
zur historischen Kritik an den literarischen
Quellen. Hier ist die Bewertung einseitig und traditionsgebunden
; der Leser erhält kein zutreffendes Bild von den tatsächlichen
Leistungen der wissenschaftlichen Kritik. Mein Haupteinwand
richtet sich gegen Kap. III, besonders gegen S. 85 f.
Nachdem Kl. ausführlich dargelegt hat, daß „das Grab des Petrus
unter der Aedicula (= dem Grabtempelchen in P) weder gefunden
, noch aus letzten Spuren wirklich zuverlässig erschlossen
worden" ist, wirkt um 60 überraschender die erste The6e seiner
Zusammenfassung S. 85. Hier schreibt Kl.: „Gesichert (!) ist nach
wie vor (I) die Tradition von der Anwesenheit und dem Martertode
des Petrus in Rom. Die Ausgrabungen haben keinen Befund
erbracht, der das einhellige Zeugnis der literarischen Überlieferung
erschüttert hätte". Zu Nr. 2 von diesen beiden Sätzen muß
man doch fragen: Bedeutete es wirklich rein gar nichts, daß das
Grab nicht gefunden wurde?! Und zu Satz Nr. 1 ist zu bemerken:
Das Fundament dieser gewagten Behauptung bilden lediglich 6ehr
anfechtbare Interpretationen der beiden Stellen I. Clem. 5 und
Ign. Rm. 4, sowie der übliche, von mir mehr als einmal als völlig
belanglos zurückgewiesene Gedanke der „Konkurrenzlosigkeit"
des römischen Anspruchs auf die Apostelgräber. Diese Konkurrenzlosigkeit
erklärt sich sehr einfach. In der älteren Zeit bestand
überhaupt kein Interesse für Apostelgräber. Sie waren bald vergessen
. Um 160 schuf die römische Gemeinde, kleinasiatischem
Vorbild folgend, die nun entdeckte Anlage auf dem Möns Vati-
canus. Natürlich erhob keine andere Gemeinde Widerspruch
! Was I. Clem. 5 anlangt, so verlautet bei Klauser nichts
von der Auffassung, die F. Chr. Baur, Gundert, Volkmar
, Arthur Drews, Adolf Bauer, Barnikol, Go-
g u e 1, ich selbst vorgetragen haben. Danach ist die Stelle keineswegs
eine Stütze für die römische Petrustradition, sondern sie
beweist im Gegenteil, daß der Verfasser, aUo ausgerechnet
der maßgebende römische Presbyter um 95, diese Tradition
nicht gekannt haben kann. Ich selber habe diese Auffassung
ausführlich zu begründen gesucht (vgl. meine Untersuchung: Die
römische Petrustradition in kritischer Sicht, 1955, S. 11—30.
62—71). Bemerkenswert ist, daß die genannten Gelehrten, abgesehen
von ihrer Abhängigkeit von F. Chr. Baur, unter 6ich
kaum zusammenhängen, sondern immer wieder bei eigener Beschäftigung
mit dem Problem diese Auffassung als richtig erkannt
haben. Baur hat 1845 konstatiert, daß gegen seine These, die er
1831 aufgestellt hatte, nichts „Gegründetes" gesagt worden 6ei.
Es ist auch bis heute nichts „Gegründetes" gegen sie eingewendet
worden. Von den wichtigen neueren Untersuchungen über die
Wörtgruppe martys, martyrein verlautet bei Klauser keine Silbe.
Bezüglich der Stelle bei Ignatius genügt, was Klauser hier gegen
mich einwendet, wissenschaftlich schlechterdings nicht. Er sagt,
ich geriete hier in Widerspruch zur altchristlichen Tradition (0
und auch (wie schrecklich!) zur überwiegenden Mehrheit der
neueren Forscher (I). Meine Ausführungen (Petrustradition S. 30
bis 35) hätten ihm zeigen können, daß die Dinge nicht so einfach
und harmlos liegen, wie er meint. Die wichtige Entdeckung
Th. Zahns, daß der Polykarpbrief höchstwahrscheinlich den
Hirten des Hermas voraussetzt, und die Konsequenzen dieser Entdeckung
für die Datierung der Ignatianen dürfen nicht in der
bisherigen Weise übergangen werden (vgl. Petrustradition S. 32;
daß Th. Zahn den Hirten um 100 ansetzte, ist eine Sache für
sich und für meine eigenen kritischen Folgerungen ohne Belang')-

*) Weiteres zur Ignatiusfrage in meinem Aufsatz: Die vermeintlichen
Beweise für das Kommen des Petrus nach Rom. Histor. Zs. I*6'
1958, S. 249-260.