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Ausgabe: | 1959 Nr. 5 |
Spalte: | 352-354 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Lohse, Eduard |
Titel/Untertitel: | Märtyrer und Gottesknecht 1959 |
Rezensent: | Kümmel, Werner Georg |
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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5
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bis 64), die Ansichten der Kirchenväter (S. 64—104) und die Aussagen
der christlichen Archäologie (S. 104—144) behandelt werden. Angeschlossen
wird in den Abschnitten 5 und 6 eine kurze Übersicht über die
Bedeutung der Symbolik in der heidnischen Kunst (S. 144—148) und im
Judentum (S. 148—150; hier S. 150 Bezugnahme auf den Habakuk-
Kommentar von Qumrän). Als „Zusammenfassung und Vertiefung der
bisherigen Ergebnisse" untersucht Abschnitt 7 schließlich die Frage, wieweit
„das Denken der Antike" (S. 151—158) symbolisches Denken ist
und ob und wieweit dieses als „mythisches Denken" aufzufassen sei
(S. 153 ff.; Stauffer, W. Stählin, Cassirer). Das Ergebnis dieses Exkurses
ist S. 157: das symbolische Denken der Antike dürfe „nicht einfach als
mythisches Denken bezeichnet werden, wenn es auch ohne Zweifel in
größerer Nähe zu diesem als zum modernen Denken steht". Eingesetzt
wird in Abschnitt 1 mit „Vorbemerkungen" (S. 30—37), unter denen
die „begrifflichen Klärungen" (was ist Typologie? was Allegorie? was
sensus plenior7 usw.) besonders wichtig erscheinen. Man wünschte sich
diese freilich etwas ausführlicher und auch präziser, so beherzigenswert
die Mahnung auch sein wird, „nicht vorschnell eigene Denkkategorien
auf die ganz andere Welt der Antike zu übertragen" (S. 37). Verf. macht
6ich ohne genaue Definition (ohne „voreilige Präzisierung", heißt es
S. 36) dessen, was er unter „symbolischer Denkweise" versteht und verstanden
wissen will, auf seinen Weg. Den Ausdrude „Bilddenken"
beurteilt er S. 158 bei einem anderen Autor als nicht angemessen, gebraucht
ihn aber S. 151 selbst. Was ist nun diese sog. „symbolische
Denkweise"? Klingt es nicht sehr allgemein, wenn etwa S. 150 „das
Suchen nach dem Geheimnisvollen, dem Verborgenen und Hintergründigen
, kurz dem Symbolischen" als charakteristisch genannt wird?
Das Hauptgewicht liegt, wie erwähnt, in den Abschnitten 2—4,
und in ihnen, nämlich in der Sammlung und Auswertung eines ungemein
reichhaltigen Materiak, die der Verf. hier zu bieten vermag, beruht wohl
auch der Hauptwert der vorliegenden Dissertation. Die Aufteilung in
3 Abschnitte ist durch den Stoff gegeben und insofern einleuchtend, mit
der Ausnahme vielleicht, daß man nicht recht sieht, warum „der Bilderund
Inschriftenschmuck der urchristlichen Taufanlagen" auf S. 50—58 in
Abschnitt 2 und nicht wie die Katakombenkunst in Abschnitt 4 behandelt
ist. In allen 3 Abschnitten befolgt Verf. die „regressive Methode,
wobei wir die einzelnen Gedankengänge in Längsschnitten möglichst
weit zurückverfolgen" (S. 37). Mit den verhältnismäßig späten liturgischen
Texten beginnt er, geht vom 8. bzw. 6. Jahrhundert immer weiter
zurück, bis er bei Ignatius, Eph. 18,2 anlangt. Es zeigt sich hierbei
überall „in der ganzen christlichen Antike eine überraschend einheitliche
Denkweise bezüglich des Symbolgehaltes der biblischen Berichte, in die
sich ganz ungezwungen auch die joh. einreihen" (S. 63). Es sind die gleichen
at.liehen und nt.lichen „Taufbilder", die sich „bis in die Zeit
des Evangelisten" zurückverfolgen lassen. Dasselbe Ergebnis liefert ihm
die Durchmusterung der Kirchenväteraussagen und der archäologische
Befund. Es ist alles interessant und lehrreich in diesen Abschnitten, und
vieles Rühmliche wäre zu erwähnen. So mag etwa die Partie S. 134 ff.
über die Symbolik der Speisungswunder als Beispiel einer knappen, übersichtlichen
und in der Beurteilung überzeugenden Darstellung genannt
«ein. Zustimmen wird man dem Nachweis, daß die symbolische Deutung
keineswegs als Eigentümlichkeit der alexandrinischen Kirchenväter aufzufassen
ist (S. 31. 87 ff.). Mit Nachdruck vertritt der Verf. den Grundsatz
der Mehrdeutigkeit und betont, daß ein biblischer Zug mitunter
auch mehrere Wahrheiten symbolisieren könne (S. 48. 72. 76. 90. 96.
134. 139 f.). In diesem Zusammenhang erscheint seine These erwägenswert
, daß gerade die „Symbolfülle" es gewesen sei, die bestimmte
biblische Motive so beliebt habe werden lassen (S. 141 f. 169).
Wenn man aber fragt, was denn mit Teil B nun wirklich
bewiesen sei, so ist es — ohne Zweifel wichtig genug — die Einsicht
, in wie hohem Maße „die symbolische Denkweise in der
ganzen Antike sowohl im christlichen wie im heidnischen und
jüdischen Raum ein selbstverständlicher Kulturbesitz war"
(S. 32), freilich: „symbolische Denkweise" 60 allgemein gefaßt,
wie Verf. diesen Ausdruck versteht. Daß auch das Joh.-Ev.
Sakramentssymbolik enthalten könnte, das erscheint vor diesem
Hintergrunde angesichts des erdrückenden Materials, das in Teil
B vor dem Leser ausgebreitet wird, als eine durchaus naheliegende
Möglichkeit. So sehr man dies dem Verf. zugestehen wird, ist
aber doch festzuhalten, daß damit allein noch nicht darüber
entschieden ist, ob diese Möglichkeit nun auch tatsächlich zutrifft
. Dies dürfte doch wohl nur in einer erneuten exegetischen
Überprüfung der joh. Texte sicherzustellen sein. Der Verf. sieht
die Lage allerdings anders an. Er zieht aus Teil B die Folgerung,
daß im Zweifelsfall „die Symbolik a priori wahrscheinlicher"
zu sein habe (S. 117) und daß wir „das Recht und die Pflicht"
hätten, „eine sehr lebendige sakramentale Symbolik im Joh. Ev.
anzunehmen" (S. 164). Daher bietet er auf S. 164—168 als Abschluß
von Teil C „Die Früchte für das Verständnis des Joh. Ev."
(S. 159—169) nur noch einen Überblick über die joh. Berichte,
die nach seiner Meinung auf symbolische Auslegung berechnet
sind und Hinweise auf Taufe und Abendmahl enthalten sollen.
Dieser Überblick ist 6ehr kurz gehalten und besteht — das wäre
wenigstens mein Eindruck — aus meist recht summarischen Behauptungen
(die Liste umfaßt ungefähr die gleichen Szenen wie
etwa bei Cullmann). Man fragt 6ich zuletzt, ob die „historische
Untersuchung" (Teil B) das negative Ergebnis der „exegetischen
Untersuchung" (Teil A) wirklich in diesem Umfang und mit solcher
Sicherheit in ein positives Ergebnis umzuwandeln vermag,
und möchte dies doch eher bezweifeln.
Bern Wilhelm Michaelis
L o h s e, Eduard: Märtyrer und Gottesknecht. Untersuchungen zur ur-
christlichen Verkündigung vom Sühntod Jesu Christi. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1955. 219 S. gr. 8° = Forschungen zur Religion
u. Literatur des Alten und Neuen Testaments, hrsg. v. R. Bultmann
, N. F. 46. H. DM 16.50.
Daß die Heilsbedeutung des Todes Christi im Neuen
Testament mit der Vorstellung von der stellvertretenden Sühne
beschrieben wird, ist allgemein bekannt; und daß das Spätjudentum
die sühnende Wirkung des Todes jüdischer Märtyrer
für das Volk kannte, weiß jeder Leser des 4. Makkabäerbuches.
Darüber hinaus hatte J. Jeremias in seinem Aufsatz über „Das
Lösegeld für Viele" (Judaica 3, 1947/48, 249 ff.) darauf aufmerksam
gemacht, daß auch die Rabbinen häufig von der Sühnewirkung
des Tode6 des Gerechten reden. Aber weder waren
diese spätjüdischen Vorstellungen bisher im Zusammenhang
dargestellt worden noch bestand über das Alter und die Entwicklung
des Sühnetodgedankens im Urchristentum Einigkeit.
Es ist darum sehr dankenswert, daß E. L o h s e in einer der
Mainzer evangelisch-theologischen Fakultät vorgelegten Habilitationsschrift
den ganzen Fragenkomplex durchgearbeitet und
unter Verwertung des gesamten Quellenmaterials und Heranziehung
einer umfangreichen Literatur einer wirklichen Klärung
zugeführt hat.
Die Arbeit behandelt in ihrem ersten Teil (S. 9—110) den
„Sühnetod im Spätjudentum". Mit Recht wird einleitend darauf
hingewiesen, daß Philo und Josephus den Gedanken der Sühnekraft
des Todes nicht kennen, daß darum vom rein hellenistischen
Judentum aus die Frage nach der Herkunft der urchristlichen
Sühnetodgedanken schwerlich beantwortet werden kann. Der
Untersuchung der palästinensisch - jüdischen Sühnetodgedanken
wird ein Überblick über die Beurteilung des Todes und des
Sühnegedankens überhaupt im Spätjudentum vorausgeschickt.
Obwohl der Tod in der Regel als Sündenstrafe verstanden wurde,
blieb doch angesichts des Hinweises auf den vereinzelten Tod
Sündloser die Frage nach dem Zusammenhang von Sünde und
Tod letztlich offen, doch ist der Tod für den Juden infolge des
Auferstehungsglaubens nicht das Letzte. Sündensühne aber
dachte man bewirkt durch den Kultus, besonders durch den Versöhnungstag
, aber nach der Zerstörung des Tempels auch durch
Liebe6werke, Umkehr, Leiden und Tod, wobei in systematisierenden
Vergleichen die Rabbinen dem Tod die höchste Sühnkraft
zuschreiben. Hier kann nun die eigentliche Untersuchung
der Frage ansetzen, seit wann und inwiefern dem Tod diese
Sühnekraft zuerkannt worden ist. Es zeigt 6ich zunächst, daß
durch ein im Angesicht des Todes gesprochenes Schuldbekenntnis
der gewaltsame wie der natürliche Tod zur Sühne für die
eigenen Sünden wird, die dem Verstorbenen Anteil an der
zukünftigen Welt verleihen soll. L. möchte dabei zeigen, daß
diese Vorstellung vorchristlich sei, da sie die Juden im Besitz des
ius gladii zeige, das sie in der Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts
verloren hätten; da die Frage des Verlustes des
ius gladii aber schwerlich sicher entschieden ist, dürfte diese
Datierung ebenfalls unsicher sein. Daß die Vorstellung, ein Jude
könne durch einen freiwilligen Tod seine Sünden sühnen,
trotz der generellen Ablehnung des Selbstmordes begegnet, aber
nicht als vorchristliche nachweisbar ist, betont L. selbst.
Am wichtigsten ist der folgende Abschnitt über den stell'
vertretenden Sühnetod. Aus dem 2. und 4. Makkabäcrbuch
ist zunächst sicher nachzuweisen, daß die Deutung des Todes der
Märtyrer als einer stellvertretenden Sühne vorchristlich ist'