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Ausgabe:

1959 Nr. 5

Spalte:

344-345

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wernberg-Møller, P. D.

Titel/Untertitel:

The manual of discipline 1959

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

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daß offene Probleme nicht verschleiert und unsichere Hypothesen
nicht als gesicherte Erkenntnis ausgegeben werden, muß doch
auch an eine solche Darstellung gerichtet werden. Sch.s kompen-
diöse Darstellung der Religion des Judentums, die sich in ihrem
ersten Teil mit dem Stoff dieses Buches weitgehend deckt, gab in
diesem Punkte Anlaß zur Kritik2. Es kann nun erfreulicherweise
festgestellt werden, daß vieles dort zu Beanstandende in diesem
Buche ausgewogener, besonnener und damit richtiger gesagt ist.

So unterscheidet Sch. hier stärker und trennt betonter zwischen
der zeitgenössischen Apokalyptik im allgemeinen und den speziellen
Anschauungen der Qumränisten. So wird der Josephus-Bericht über die
Essener wesentlich umsichtiger und vorsichtiger verwertet. Viele früher
unbefangen ausgesprochenen Thesen werden hier als Eventualdeutungen
bezeidinet. Vor allem wird das früher allzu einheitlich gezeichnete Bild
der essenischen Bewegung aufgelockert und die noch gar nicht durch-
schaubare Vielfalt der Erscheinung kräftig zu Bewußtsein gebracht
(s. z.B. S. 71).

Freilich, die dem Verf. eigene Lust zum Fabulieren verleugnet sich
auch in diesem Buch nicht. So liest sich die Geschichte der Chassidim in
der Hasmonäerzeit, ihrer Spaltung in Pharisäer und Eschatologiker und
deren Zusammenhang mit der Qumränsekte und ihrer Geschichte allzu
glatt; welcher Unkundige merkt hier, daß er 6ich auf dem schwankenden
Boden von Kombinationen bewegt? So bereichert Sch. auch die Hypothesen
über die Bedeutung des Namens „Pharisäer" durch eine weitere
(S. 38). Genauerer Prüfung bedürftig dürfte ferner sein, was Sch. über
den Armen und die Armut in den Qumränschriften (S. 77—79) und
deren Identität mit der evangelischen Armut (S. 119 f.), über das Entstehen
der Erwartung apokalyptischer Wehen (S. 89), über die Identifizierung
des praeexistenten Gottessohnes mit dem messianischen Davidssohn
und über die Konzeption eines leidenden Messias (S. 105. 121)
sagt.

Dem sachlichen Verständnis nicht unbedingt förderlich ist die Anwendung
von Begriffen aus Leben und Lehre katholischer Orden auf
die Qumrängemeinde.

Das besondere Interesse dieser Vorlesungen für Hörer aller
Fakultäten gehört natürlich den in Kap. XI behandelten „Übereinstimmungen
, Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den
Lehren der Qumrängemeinde und denen des Neuen Testamentes
". Auch dieser Gegenstand hat gegenüber der früheren Darstellung
durch Aufgliederung nach den Autoren und Themen des
Neuen Testamentes an Substanz gewonnen. Es liegt jedoch in der
Natur der Sache, daß hier das meiste Versuch und Hypothese
bleiben muß und, sofern als solche vorgetragen, dem Kritiker
— auch wenn er nicht zustimmt — keinen Anlaß zu Bemerkungen
gibt.

Widerspruch fordert aber die phantastische und wegen ihrer unkritischen
Verwendung von Luk. 1 praktisch wertlose Jugendgeschichte
des Täufers (S. 111) heraus. Auch sollte Sch. die Johannestaufe nicht als
.„Weiterbildung" der qumränischen Waschungen (S. 112) bezeichnen,
nachdem er vorher die wesentlichen Differenzen zwischen
beiden gut charakterisiert hatte. Da6 Problem, das die ev. Berichte über
Jesu Taufe aufgeben, wird durch Sch.s Erklärung mittels der Zwei-
Messias-Lehre von Qumrän zweifellos auf ein falsches Gleis geschoben.
S. 114/5 wird der luk. Bericht von Jesu Auftreten in Nazareth ganz unkritisch
verwendet; das gleiche gilt von der apokalyptischen Rede Jesu
(S. 116) und der luk. Darstellung der urchristlichen Gütergemeinschaft
(S. 127), d. h., daß an diesen Stellen die für die Vergleichung vorausgesetzten
neutestamentlichen Tatbestände kritisch, nicht haltbar sind.
Grotesk ist die Vorstellung, Jesus habe Matth. 25, 52 die von Petrus
vertretene qumränische Idee eines eschatologischen Rachekrieges abgewiesen
(S. 124); schwerlich dürfte sich auch da6 eggs&tj Matth. 5,43
auf Qumrän-Lehren beziehen, denn es steht parallel mit 5,21 und 33,
wo diese Beziehung nicht vorliegt. Daß der Mebakker von Qumrän und
der christliche Bischof vergleichbare Züge haben, mag zutreffen; aber
mit der Formel „Vorgänger" ist das Verhältnis kaum richtig bezeichnet.
Gegen das von Sch. skizzierte Verhältnis zwischen Qumrän und der
Johannesliteratur habe ich einzuwenden, daß die letztere weder einen
kosmischen Dualismus noch eine Zweiteilung der Menschheit in Kinder
des Lichts und Kinder der Finsternis vertritt, so daß die These von der
hier vorliegenden „Auseinandersetzung mit essenischen Lehren" auf
schwacher Basis steht.

Zum ganzen Komplex wäre zu sagen, daß die von Sch.
herausgearbeiteten Parallelen und Gegensätze die Sekte ganz
richtig in größerer Nähe zum Pharisäi6mus als zur Gemeinde des
Neuen Testaments erscheinen lassen. Das Verhältnis Qumrän-NT

2) Sh. ds. Zs. 1958, Sp. 83 5 f. Dort muß es in der Mitte der Sp. 836
(Petit-Satz, 3.Z.) statt „Damaskusschrift" heißen: „Sektenrolle".

dürfte daher so zu charakterisieren sein, daß es sich um zwei
recht verschiedenartige Ausprägungen der eschatologisch-messia-
nischen Gesamtbewegung der Zeit handelt.

Im ganzen beweist auch dieses Buch Sch.s, daß es noch nicht
möglich ist, einen so großen Komplex vielschichtiger Probleme,
wie 6ie die Qumrän-Funde aufwerfen, in solcher Kürze zufriedenstellend
zu behandeln.

Rostock Konrad WeiB

Wernberg-Meller, P.D.: The Manual of Discipline. Translated
and annotated with an Introduction. Leiden: Brill 1957. IX, 180 S.
gr. 8° = Studie» on the Texts of the Desert of Judah, ed. by J. van/
der Ploeg, Vol. I. Lw. hfl. 25.-.

Das Buch hat der Oxforder Philosophischen Fakultät als
Doktordissertation vorgelegen. Nach einer etwas über zwanzig
Seiten langen Einleitung gibt der Verfasser seine eigene
zusammenhängende Übersetzung. Dann werden auf S. 40-43 die
Textverbesserungen kolumnenweise in hebräischer Schrift mit
Nennung der einzelnen Autoren aufgeführt. Die gleiche Einteilung
nach Kolumnen hat auch der Kommentar, der in Form von
Anmerkungen zur Übersetzung wichtige und wertvolle Erläuterungen
bietet, zweifellos das bedeutsamste und umfänglichste
Stück des ganzen Werkes (S. 44—156). In ihm nehmen die
kommentatorischen Bemerkungen zu Kol. III und IV den größten
Raum, 15 bis 17 Seiten, ein. Ein ausführliches Stellenregister
über die Qumränschriften, AT, NT, Mischna, Talmud und Ga-
thas auf zehn Seiten schließt sich an. Ein zwölf Seiten umfassendes
Literaturverzeichnis nebst einer zweiseitigen Abkürzungstafel
schließt das Buch ab, das als erstes Stück einer geplanten
Reihe wirklich einen schönen und verheißungsvollen Anfang
bildet.

In der Einleitung erörtert der Verfasser zunächst die Datierungsfragen
, wobei er nicht paläographische Indizien, sondern
die Verwendung von Vokalbuchstaben und die Sprachform von
lQS als sichere Basis verwendet. S. 19 gibt er nach einer ausführlichen
Charakteristik der in lQS sichtbar werdenden religiösen
Gruppe als Entstehungszeit die erste Hälfte des 2. Jhdt.
v. Chr. an. Das Buch stammt nach seiner Meinung aus den Kreisen
der frühen Essener des makkabäischen Zeitalters, deren Re-
organisator der Lehrer der Gerechtigkeit war; dieser erlitt einen
violent dealh (S. 12).

Selbstverständlich bleiben bei einer Übersetzung Fragen
offen an Stellen, die man anders als der Verfasser übersetzen und
interpretieren würde. Aber man muß die Leistung des Übersetzers
ausdrücklich loben wegen ihrer philologischen Akribie
und umfassenden Literaturverwertung. Es seien daher nur wenige
Einzelheiten hervorgehoben. Der Verfasser möchte gern
herausstellen, daß die Gruppe von Qumrän sich als Nachfolger
der Rekabiten empfunden hat. Man muß zugeben, daß, wenn man
mit zwei Entwicklungssträngen in der Gruppe von Anfang an
rechnet, der familienweise lebende Zweig eine Ähnlichkeit mit
den Rekabiten wohl gehabt haben kann. Aber liegt nicht noch
näher der Schluß, daß bei dem Biblizismus in Qumrän der Gedanke
, das neue Israel vor den Toren des gelobten Landes zu
sein, ausschlaggebend war, demgegenüber der Gedanke an eine
im AT bezeugte Gruppenbildung nicht wesentlich sein konnte?
Der Verfasser knüpft in seiner Beweisführung an die rabbini6chc
Tradition an, daß die Essener die geistlichen Nachkommen der
Rekabiten waren, denen bei der Verteilung Palästinas die Gegend
um Jericho herum gegeben wurde. Er findet denn auch in
lQS VI 2. 14 eine scheinbare Anspielung auf Jer 35. Eine weitere
Anspielung auf den Namen Jonadab ben Rekab soll in dem
häufigen Gebrauch der Wurzel ndb in Kol I und V vorhanden
sein. Aber der Name Jonadab bedeutet nach Noths Übersetzung
(Die isr. Personennamen 193) „Freigebig hat sich die Gottheit
gezeigt". Die Wurzel ndb kommt im Qumränschrifttum nur im
Hithpael und im Nomen rf däbäh vor. Die Anspielungen auf
Jer 35 in VI 2 bestehen in dem Wort mgwrjhm und in VI 14
in dem Wort mwsr, von dem der Verfasser S. 107, Anm. 45 richtig
6agt, daß es ein Schlüsselwort der Weisheitslitcratur sei, auch
wenn es bei Jeremia häufig vorkommt, jedoch meist in Verbindung
mit lqh. Diese Wendung kommt, worauf der Verfasser hin-