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Ausgabe:

1959 Nr. 5

Spalte:

341-342

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bardtke, Hans

Titel/Untertitel:

Die Handschriftenfunde am Toten Meer 1959

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

342

ALTES TESTAMENT

Bardtke, Hans: Die Handschriftenfunde am Toten Meer. (Bd. 2)s
Die Sekte von Qumrän. Berlin: Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft
1958. X, 337 S., 8 Taf. m. 15 Abb., 5 Falttaf. m. Abb. 16-20. gr. 8 .
Lw. DM 12.80.

Nach 6einem zuerst 1952, in zweiter Auflage 1953 erschienenen
Buche über „Die Handschriftenfunde am Toten Meer. Mit
einer kurzen Einführung in die Text- und Kanon6geschichte des
Alten Testaments" veröffentlicht Hans Bardtke jetzt „Die Handschriftenfunde
am Toten Meer. Die Sekte von Qumrän". Dabei
bezeichnet er dies« Buch im Vorwort als den zweiten Band von
„Die Handschriftenfunde am Toten Meer" und kündigt an, daß
ihm weitere Bände folgen 6oIlcn, von denen der dritte die außerhalb
des Höhlenbereichs von Qumrän, also vorab im Wädi
Murabba'ät und in der Chirbet Mird, gemachten Textfunde beschreiben
und der vierte die durch die Qumrän-Texte aufgeworfenen
religionsgeschichtlichen und theologischen Fragen eingehend
würdigen soll. Der jetzt vorgelegte Band zerfällt in zwei
Hauptteile, von denen der erste, „Untersuchungen" überschrieben
(S. 1-211), „I. Landeskundliche Betrachtungen zur Siedlungsstätte
von Qumrän", „IL Zur Siedlungsgeschichte der Qumrän-
Gegend", „III. Wirtschaftliche Existenzmöglichkeiten der Gegend
von Qumrän", „IV. Qumrän in der Geschichte der Palästina-
Forschung", „V. Die archäologischen Befunde in Qumrän",
„VI. Die neuen Handschriftenfunde von Qumrän", „VII. Da-
tierungsprobieme", „VIII. Die Gruppe von Qumrän und das
Christentum", der zweite (S. 213—333) „Texte" und „Antike
Nachrichten über die Essener und verwandte Gruppenbildungen"
bietet. „Texte" meint hier die im ersten Bande noch nicht oder
unvollständig enthaltenen Übersetzungen außerbiblischer Texte,
also „Krieg der Söhne des Lichts", „Loblieder", „Damaskusschrift
", „Lamechsrolle", „Gemeindeordnung", „Segensgebete",
„Sammlung liturgischer Gebete",. „Worte Moses", „Buch der
Geheimlehren", „Micha-Kommentar", „Zephanja-Kommentar",
„Psalmen-Kommentar", „Nahum-Kommentar", „Messianische
Texte aus Höhle 4 Q", „Gebet Nabunaids", während „Antike
Nachrichten" 6ich auf die Übersetzung von Stücken aus Schriften
des Philo von Alexandrien und des Josephus bezieht. Dem Text
6ind 15, auf eigenen Aufnahmen des Verfassers beruhende, größtenteils
farbige Tafel-Abbildungen und als Abb. 16—20 fünf, von
Pfarrvikar Hans Seidel beigesteuerte Zeichnungen beigegeben,
von denen die beiden ersten Formen der Keramik aus den Höhlen
und aus dem Bau von Qumrän, die dritte den Grundriß dieses
Baues, die vierte und fünfte die nähere und die weitere Umgebung
von Qumrän zeigen.

Die prächtigen Abbildungen und die sorgfältig ausgeführten
Zeichnungen tragen wesentlich zum Verständnis der Darstellung
bei, indem sie dem Leser von dem Schauplatz, dem die ihrer Art
nach gewürdigten und in Übersetzung mitgeteilten Texte entstammen
, eine lebendige Anschauung vermitteln. Was sodann die
zur Ergänzung der vom Verfasser bereits in Band I gebrachten
„Texte" angeht, so ist e6 sehr zu begrüßen, daß man nun in den
beiden Bänden alle außerbiblischen Qumrän-Schriften beieinander
hat, um so mehr, als Übersetzungen mancher dieser Texte, die
der Verfasser vorher in Zeitschriften veröffentlicht hat, «eine
Übersetzung von vornherein als vertrauenswürdig erscheinen
lassen und ihr auch da Anspruch auf Beachtung sichern, wo mit
ihr doch vielleicht das letzte Wort noch nicht gesagt ist. Daß
die in früheren Arbeiten des Verfassers bekundete Aufgeschlossenheit
für die in den Handschriften beobachtete Abschnitts -
gliederung sich auch jetzt bemerkbar macht, indem die Übersetzung
durch die Druckanordnung diese Abschnittsgliederung
wiederzugeben sucht, wird den weiteren Leserkreis, für den das
vorliegende Buch bestimmt ist, nicht 6tören, von den Sachverständigen
aber als Quelle neueT Erkenntnis ausgewertet werden
. Ebenso dankbar wie die in Übersetzung gebotenen Qumrän-
Iexte werden die Übersetzungen der sich auf die Essener oder
verwandte Gruppen beziehenden Stücke aus Philo und Josephus
begrüßt werden, bei deren Anfertigung der Verf. sich der Hilfe
hranz Dornseiffs erfreuen durfte. Daß sich darunter auch der im
Bellum Judaicum des Josephus (Buch I 19, 3-4 - § 370-379)

stehende Bericht über da6 Erdbeben von 31 v. Chr. befindet,
das — wohl mit Recht — in der Rekonstruktion der Geschichte
des Qumrän-Baus eine gToße Rolle spielt, indem es für die Zerstörung
und die zeitweilige Aufgabe der Siedlung verantwortlich
gemacht wird, ist besonders erfreulich. Auch die wichtige Stelle
aus der Historia Naturalis des älteren Plinius (V, 15), die eine
am Westrand des Toten Meeres einsam wohnende Essener-Gruppe
erwähnt und von Engedi sagt, es läge „unter", d. h. doch wohl
südlich dieser Essener-Siedlung, und damit allem Anschein nach
die Qumrän-Gemeinschaft im Auge hat, ist von Bardtke nicht
übersehen worden. Nur erscheint sie nicht in dem Abschnitt
„Antike Nachrichten über die Essener und verwandte Gruppenbildungen
" (S. 305—333), in dem man sie erwarten könnte, sondern
in einer Anmerkung (S. 39, Anm. 2) zu Kap. V „Die archäologischen
Befunde in Qumrän" (S. 25—82), und jener Abschnitt
über „Antike Nachrichten" bringt S. 331 nur einen Verweis auf
S. 39, Anm. 2. Auf Plinius und seine Historia Naturalis kommt
Bardtke sachgemäß übrigens auch 6onst des öfteren zu sprechen,
indem er S. 15 das wiedergibt, was Plinius über die von den
Heilwirkungen des dem Toten Meer abgewonnenen Asphalts
zu sagen hat, und S. 18 f. erwähnt, daß Plinius mit Vespasian in
Palästina gewesen sei und damals auch die Gegend des Toten
Meeres besucht haben müsse, während das von anderen, darunter
Diodor von Sizilien — so! oder Diodorus Siculus statt Diodor von
Siculus —, die das Tote Meer in ihren Schriften erwähnen, nicht
feststehe.

Sehr gehaltreich sind, um das schließlich wenigstens noch
kurz zu erwähnen, die den „Texten" und „Nachrichten" vorangeschickten
Untersuchungen, aus denen wiederum die — durch
frühere Arbeiten des Verfassers vorbereiteten - Darlegungen
über die Siedlungsgeschichte der Qumrän-Gegend und die hier
gegebenen Existenzmöglichkeiten besondere Hervorhebung verdienen
. Bleibt man bei dem Fehlen von zuverlässigen Nachrichten
da auch weithin auf Kombinationen angewiesen, so bedeutet
es doch schon eine Bereicherung unserer Erkenntnis, daß neue, so
bisher nicht gestellte Fragen aufgeworfen werden und die Richtung
gezeigt wird, in der ihre Beantwortung aller Wahrscheinlichkeit
nach zu finden ist. Alles in allem: Der vorliegende Band
reiht sich seinem Vorgänger würdig an und weckt im Leser den
lebhaften Wunsch: Vivant sequentesl

Halle/Saale OttoEiflfeldt

Schubert, Kurt: Die Gemeinde vom Toten Meer. Ihre Entstehung
und ihre Lehren. München-Basel: Ernst Reinhardt 1958. 144 S. 8°.
Kart. DM 5.50; Lw. DM 7.50.

Das Buch enthält, wie das Vorwort sagt, bearbeitete Vorlesungen
für Hörer aller Fakultäten. Diesem Zweck muß man
also die Erwartungen anpassen, mit denen man es zur Hand
nimmt. Man wird urteilen dürfen, daß es sich seiner Aufgabe nicht
ungeschickt entledigt. Alles, was man die Qumrän-Archäologie
und -paläographie nennen könnte, sowie die geschichtlichen
Voraussetzungen und die Geschichte der Qumränsekte selbst
werden in 7 kurzen Kapiteln auf ganzen 32 Seiten erledigt, während
der Hauptteil des Buches der Schilderung von Leben und
Lehre der Sekte (Kap. VIII—X, 65 S.) und ihres Verhältnisses
zum Urchristentum (Kap. XI, 30 S.) und zum Rabbinismus (Kap.
XII) gewidmet ist. Eine kleine, im Blick auf die Leser getroffene
Auswahl von Qumränliteratur, eine bequeme Übersicht über die
bisher vorliegenden Editionen von Qumrän-Texten und ein
Verzeichnis der eigenen Qumränveröffentlichungen des Verfassers
schließen das Buch ab.

Bei der kompendiösen und auf weitere Kreise berechneten
Art der Darstellung müssen Verallgemeinerungen, Glättungen,
Vereinfachungen schwieriger Zusammenhänge und dunkler Tatbestände
in Kauf genommen werden. Das Vorwort verweist den
kritischen Leser dafür auf die wissenschaftlichen Untersuchungen
des Verfs., die im Anhang genannt sind1. Allein, die Forderung,

') Bedauerlich aber ist es, daß er es ebda, ablehnt, den Text durch
Anmerkungen zu ergänzen, in denen auf die Arbeiten anderer hinzuweisen
gewesen wäre, denen er doch viele der von ihm vorgetragenen
Hypothesen (z. B. in Kap. XI) verdankt. Er hätte sich auf diese Weise
selbst von der Verantwortung für manches Fragwürdige entlastet.