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1959 Nr. 5

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

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geistig wacher junger Mensch typischerweise damals lernen und
erfahren konnte, sondern er muß es sehen mit der besonderen
Hellsichtigkeit, Überwachheit und Leidensnot seiner jüdischen
Existenz. Nur einige Andeutungen von dem Bildungsweg: Die
große väterliche Bibliothek, aus der der Tertianer sowohl die
10 000 Seiten der Schlosserschen pragmatistischen Weltgeschichte
durchliest, als auch die ganze Bibel („Ich habe sie von Anfang an
als das genommen, was sie auch wirklich ist: ein Dokumentar-
buch des Handelns Gottes mit dem Menschen und mit der Welt"
(S. 22)), der straffe Leistungszwang des preußisch-humanistischen
Gymnasiums und dann doch die einzigartige Gelegenheit, die der
damalige Volksbildungsminister Becker geschaffen hatte: einem
einseitig Hochbegabten durch eine wissenschaftliche Jahresarbeit
ohne mündliche Prüfung die Reifeprüfung möglich zu machen. —
A. Deißmann erklärte als Gutachter sich bereit, Sch. sofort zum
Doktoranden anzunehmen! — Im Zusammenhang mit bündischer
Jugendarbeit durchlebt Sch. radikalen religiösen Sozialismus. Die
Gestalt des Bruderhofgründers in Sannerz in der Hohen Rhön,
Eberhard Arnolds, wird mit Liebe gezeichnet. In der Fülle geistiger
Auseinandersetzungen im Berlin der ausgehenden Zwanzigerjahre
führt auf der einen Seite der Dilthey-Schüler Groethuysen
(„Der Mensch erkennt sich nur in der Geschichte, nie durch
Introspektion") zur verstehenden Ideengeschichte, auf der anderen
Seite Romano Guardini „zu einer neuen Form christlichen
Glaubens, wie er heute allein zeitgemäß geworden ist: zu dem
Glauben in der Reflexion, deren beständige Leistung (! des Rez.)
darin zu bestehen hat, im Tragen von Zweifeln auszuhalten",
(S. 71) — ein bezeichnend dialektisches und gesetzliches
Guardini-Verständnis, diesseits von dessen eigentlicher Meinung.
Besonders 6ei dem Verfasser gedankt für die ausführliche Erinnerung
an den 1934 ins Exil gedrängten, hochbedeutenden Joachim
Wach (1955 f), der 1932 Sch.s Dissertation bei der Leipziger
philosophischen Fakultät als ein — seltenes — opus eximie dignum
zur Annahme brachte. Aber die von der Fakultät beschlossene
Förderung unterblieb 1933 infolge der politischen Gleichschaltung
. Auf die „abenteuerliche" Zeit der Versuche, unter dem
Hitler-Regime etwas wie eine bündisch geformte und so ihr Lebensrecht
verteidigende Judenheit zu erhalten, auf die Exilszeiten,
sowie auf die auch noch recht abenteuerlichen Zeiten des ersten
Wiederaufbaus kann hier nicht näher eingegangen werden. Aus
der Fülle interessanter Begegnungen sei nur auf die mit Hans
Blüher (1955 f) hingewiesen: eine Begegnung von gespenstischer
Unwahrscheinlichkeit und daher von unvergleichlicher
historischer Atmosphäre, — und von beide „ehrlichen Non-
konformisten" ehrendem Range.

Auf die aufschlußreichen Dokumente zur Jugendbewegung
aus den Jahren 1927 bis 1947 im Anhang des Buches sei hingewiesen
.

Das Buch klingt eigentümlich resigniert aus, gleichsam ermattet
vom Erlebten, und mit dem ausgesprochenen Wunsch nach
„halkyonischen", windstilleren Jahren und Zeiten, — im Grunde
wohl mit dem Ausdruck eines tiefen Verlangens nach Frieden in
jedem Sinne.

Pönitz bei Leipzig Friedrich Ha u fe

IH ermann, Rudolf:] Solange es „Heute" heißt. Festgabe für Rudolf
Hermann zum 70. Geburtstag. Überreicht v. P. Althaus, E. Barnikol,
H. Beintker, H. Bornkamm, F. Buschbeck, W. Elliger, J. Haar. G.
Haendler, O. Haendler, G. Holtz, H.-J. Iwand, E. Jenssen, A. Jcpsen.
W. Koepp, G. Krause, F. Lau, W. Nagel. A. Nygren, R. Prentcr,
L. Rost, Roderich Schmidt, E. Schott, F. Tschirch u. G. Wehrung.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1957]. 304 S. gr. 8°. DM 20.—.

Die schnell wachsende Buchproduktion hat zur Folge gehabt
, daß in den vergangenen Jahren — vor allem in Deutschland
und Schweden — auch eine steigende Anzahl von Festschriften
erschienen ist. Dies ist zweifellos erfreulich. Die Tatsache
, daß wir heute mit den Festschriften als einer besonderen
Kategorie theologischer Literatur zu rechnen haben, sollte jedoch
zu kritischen Überlegungen Anlaß geben, die sich mit dem
besonderen Charakter dieser Sammelwerke zu befassen haben.
Eine Festschrift erhält ihr Gepräge nicht durch den Jubilar, dem

sie überreicht wird, sondern durch die Aufsätze, die in ihr vereinigt
sind. Man kann noch einen Schritt weitergehen und sagen,
daß sie ihren Stil — oder Mangel an Stil — durch den Heraus
geber oder das Redaktionskomitee erhält. Nur von sehr wenigen
Festschriften kann gesagt werden, daß sie einen bleibenden
Wert besitzen, weil in ihnen Beiträge von hoher Qualität und
wissenschaftlicher Bedeutung enthalten sind. Eine Festschrift
kann positive Beiträge zur Forschung oder zu einer theologischen
Debatte liefern, indem man für die gesamte Festschrift
ein bestimmtes Thema wählt, das dann in den Aufsätzen von
verschiedenen und einander ergänzenden Aspekten her behandelt
wird. Nach Ansicht des Rezensenten sollte jede Festschrift
irgendein klares Prinzip besitzen, das ihr eine gewisse
innere Ordnung und Einheit gibt. Die bloße Aneinanderreihung
einer Vielzahl von Aufsätzen über völlig disparate Themen und
ihre Zusammenstellung zu einem Buch führt zwangsläufig dazu,
daß die betreffende Festschrift bald in Vergessenheit gerät. Das
Buch wandert in die Bibliotheken. Da aber der Titel einer solchen
Festschrift keinen Aufschluß über ihren Inhalt gibt und geben
kann, bleiben dann oftmals auch jene Beiträge unberücksichtigt,
die in diesem oder jenem Zusammenhang Beachtung verdient
hätten. Nur wenige Forscher haben die Zeit, Festschriften daraufhin
durchzublättern, ob sie möglicherweise Beiträge enthalten,
die für die eigenen Untersuchungen von Belang sind.

Beurteilt man die vorliegende Festschrift „Solange es .heute'
heißt" von diesen Grundsätzen aus, so muß man sie leider der
ständig wachsenden Gruppe von Festschriften zurechnen, denen
der Stil fehlt. Der Titel, so heißt es, „wurde als biblische Anspielung
und zugleich als Hinweis auf das Zeitproblem gewählt,
das in der Arbeit des Jubilars eine zentrale Stelle hat". Gewiß
läßt sich der Titel auf diese Weise motivieren. Wer aber kann
ahnen, daß die mit diesem Titel bezeichnete Festschrift Aufsätze
über „Die innere Handlung in Lessing6 Miss Sara Sampson"
(H. Bornkamm), Reflexionen über das Verhältnis von „Religion
und Sprache" (F. Tschirch), Studien über „Beichte und Psychotherapie
" (O. Haendler) oder über die Beziehungen zwischen
Theologie und Philosophie (R. Prenter) enthalten sind? Wer erwartet
einen Aufsatz über das Thema „Der platonische Mythos"
(W. Koepp) oder „Luther und der Volksaberglaube" (G. Holtz)
zu finden? Im Anschluß an einen Aufsatz über „Die Torgauer
Hochzeit 1536", in welchem die Besiegelung des Bundes zwischen
Pommern und Sachsen in der Zeit der Reformation behandelt
wird, hat der Verf. (R. Schmidt) bisher unveröffentlichte Briefe
abgedruckt, welche dieses historische Ereignis beleuchten. Zur
Publikation dieses Aufsatzes wäre wohl das Archiv für Reformationsgeschichte
der geeignete Ort gewesen.

Insgesamt enthält die Festschrift 24 Beiträge über die verschiedensten
Themen, die hier natürlich nicht alle erwähnt werden
können. Ihre Reihenfolge wird, da kein anderes Ordnungsprinzip
vorliegt, durch die Namen der Verfasser bestimmt. Hätte
man nicht die Aufsätze über Luther und die Reformation zu einer
Gruppe zusammenfassen können?

Außer den bereits genannten Aufsätzen verdienen die Beiträge
von F. Lau und E. Schott über das Naturrechtsproblem Beachtung
. P. Althaus weist in einem instruktiven Aufsatz nach,
daß K. Barth und „die exklusiv-christologische Dogmatik" wichtige
neutestamentliche Aussagen (wie z. B. Rom. 3,20 u. 2, 14 f.)
umdeuten oder ignorieren müssen. Interessant und gut 6ind
ferner die Ausführungen von E. Jensen, „Das Licht der Vernunft
in der Theologie Richard Hookers". Hooker (gest. 1600) hat in
der Geschichte des Anglikanismus eine wichtige Rolle gespielt,
was bisher oft übersehen worden ist. Durch 6ein Werk „The
Laws of Ecclesiastical Polity" hat er wahrscheinlich mehr als
irgendein anderer Theologe dem Anglikanismus sein spezifisches
Gepräge gegeben.

Lund/Schweden Gunnar H i 11 er d al

Noth, Martin: Gustav Beyer f.

Zeitschrift de« Deutschen Palästina-Vereins 74, 1958 S. 4—6.
— Carl Steucrnagel t-

Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 74, 1958 S. 1—3.