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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

311-312

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Buri, Fritz

Titel/Untertitel:

Weg des Glaubens 1959

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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Seite 1

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311

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

312

In dem dritten und letzten Abschnitt erörtert Schm. die
Sendung der Kirche in der Welt. Dabei stellt er zunächst fest,
daß die Kirche keine Sendung habe für die unmittelbare Gestaltung
des Irdischen. So seien die Lenker der Staaten in der Ordnung
ihrer Angelegenheiten frei, „und das nicht bloß mit Zustimmung
, sondern selbst mit Unterstützung der Kirche". Freilich
bedeutet das nicht eine völlige Trennung von Kirche und Staat.
Wenn der Staat totalitäre Macht ausübe und keine anderen Gemeinschaften
dulde, dann hätte die Kirche die Aufgabe, Widerstand
zu leisten und den Sinn und die Grenzen der staatlichen
Gewalt zu proklamieren (662). Der Kirche 6ei die Sorge für die
himmlischen, dem Staat die Sorge für die irdischen Dinge anvertraut
. „Beide haben in ihrem Bereich jeweils die höchsten Vollmachten
, beide haben auch ihre Grenzen. Sie werden durch die
Natur von Staat und Kirche und die ihnen gestellten Aufgaben
bestimmt" (666).

Die Kirche ist Heilsgemeinschaft und Heilsanstalt. Wieder
sieht Schm. hier einen tiefgehenden Unterschied zwischen katholischem
und protestantischem Glauben. „Nach evangelischer Vorstellung
. .. wird das Heil allein von Gott verwirklicht. Nach der
katholischen Lehre schaltet Gott die Kirche ... in sein eigenes
Heilshandeln ein." Der Protestantismus hingegen ist der Meinung
, daß die Einschaltung der menschlichen Aktivität Gottes
Ehre beeinträchtige (689). Für ihn ist die kirchliche Tätigkeit
bloße Wortverkündigung, eine heilsmittlerische Funktion nach
der Formel „Gott allein", während im katholischen Bereich die
Formel gilt „Gott und der Mensch bzw. Christus und die Kirche"
(696). Und noch einmal wird die göttliche Herkunft des Kirchenamtes
hervorgehoben, 6eine Weihegewalt, Hirtengewalt und
Lehrgewalt, sowie die Bedeutung der kirchlichen Rechtsgewalt,
die als kirchliches Glaubensgesetz auf innere Unterwerfung zielt
„unter die von der Kirche verkündete Offenbarungswahrheit"
(722). Die von diesem Amt getragene Kirche ist Kirche des Wortes
und de6 Sakramentes, und nicht nur wie beim Protestantismus
Kirche des Wortes (344). Bei Luther die Zurückdrängung, ja
Ausschaltung des Glaubensinhalts zugunsten einer Überspitzung
der persönlichen Entscheidung (789). In der katholischen Kirche
die unfehlbare Glaubensverkündigung, die ihren objektiven
Grund in der Unfehlbarkeit der Kirche und ihres Oberhauptes
hat und darum den rechtlichen Charakter eines Glaubensgesetzes
trägt (812). „Außerhalb der Kirche kein Heil" (821).

Der protestantische Leser auch dieses Werkes von Schm. ist
oft angenehm berührt von der im allgemeinen sachlichen Kritik
des Verfassers. Er muß oft feststellen, daß der Verf. von jenen
Problemen, mit denen die lutherische Kirche ringt, wie Geschichtlichkeit
, Individualismus, Glaube als persönliche Begegnung u. a.
fruchtbar angeregt ist, sich mit ihnen auseinandersetzt und ihnen
sogar etwas Raum gibt in dem eigenen Bereich, daß also die
frühere sture Ausschließlichkeit6haltung der katholischen Kirche
in mancher Beziehung bei Schm. aufgelockert ist, daß lutherische
Theologen, vor allem auch des neutestamentlichen Faches zum
mindesten gehört werden. Bei sachlicher Prüfung des Ganzen muß
er dann aber doch erkennen, daß die genannten durch den
Protestantismus sichtig gewordenen Mächte nur die Erscheinung
berühren, aber nicht das Wesen ergreifen, daß also das Ganze
doch getragen bleibt von der griechischen Thematik von Wesen
und Erscheinung und sich in ihr unveränderlich und wandellos
geborgen fühlt.

Kiel Werner Schultz

Buri, Fritz, Prof.: Weg des Glaubens. Basel: Ernst Reinhardt [1958]
124 S. 8°. Kart. DM 5.80; Lw. DM 7.80.

Der Verfasser der großen, bisher noch nicht vollendeten
Dogmatik, die er „als Selbstverständnis des christlichen Glaubens
" versteht, spricht hier zu Laien, denen er einen Überblick
über das Ganze der christlichen Lehre geben möchte. Er tut es,
indem er zugleich verkündigt und unterrichtet. Knappe Schriftworte
— meisterlich ausgewählt — sind den kurzen, übersichtlichen
Abschnitten vorangestellt; indem sie ausgelegt werden,
entsteht, Stück um Stüde, ein eindrucksvolles Gesatntbild der
christlichen Lehre. Erstaunlich, wie knapp, wie einfach, wie durchsichtig
, wie anschaulich hier geredet wird. Der Autor versteht

sich auf die „Kunst des Weglassens". Wer geneigt ist, sich über
Lücken zu beklagen, mache sich klar, welchen praktischen Zweck
das Büchlein verfolgt. Vorbildlich ist diese Laiendogmatik gerade
darin, daß sie die Kürze nicht durch eine Konzentration der
Rede erreicht, die der Eingängigkeit und Verständlichkeit Abbruch
tut. Wohltuend, wie wenig doktrinär hier gesprochen wird;
der Leser wird nicht durch theologisches Eifern verletzt.

Das Büchlein setzt 6ich nicht ausdrücklich mit anderen
Standpunkten auseinander. Es läßt aber seine theologische Linie
klar erkennen. Gerade das gibt ihm seinen Reiz, daß das theologische
Wollen sich in seiner praktischen Bedeutung kundtut —
es schreibt der Professor der Systematischen Theologie, der zugleich
Pfarrer am Münster zu Ba6el ist. Welches ist der theologische
Standort?

Man erkennt natürlich den reformierten Theologen. Weniger
an der Abendmahlslehre („Die Gabe ist etwas, das vor und unabhängig
von ihrem Empfangenwerden zubereitet wird und besteht
", 118) obwohl auch hier die calvinistische Grundposition
immer wieder durchschlägt, als vielmehr in der Lehre von Evangelium
und Gesetz und im Ansatz der Ethik (tertius usus legis),
hinsichtlich deren ein lutherischer Rezensent allerlei Bedenken
anzumelden hätte. Besonders zur Auslegung von 2. Kor. 3 wären
Fragen zu stellen; der „Buchstabe" wird bei B. nicht als das
tötende Gesetz verstanden, sondern als das geschriebene Schriftwort
schlechthin. — Sodann kann man an Buris Laiendogmatik
studieren, worin die Stärke und Schwäche einer existcntialen
Interpretation bestehen. Ein wirklich liebenswürdiger Liberalismus
, der nirgends zerstört und ausscheidet, sondern alle Schriftaussagen
aufnimmt und zur Botschaft an uns werden läßt. Besonders
gewinnend, wie die praktische Seite des Glaubens an den
Schöpfer sichtbar gemacht wird: „Das Wahre, das man nicht als
richtig beweisen, aus dem man aber leben kann — das ist's, worum
es im Glauben geht" (39). Persönliche Verantwortung vor
Gott — hier hat der Glaube an den Schöpfergott seine Spitze.
Aber es gibt auch Stellen, an denen man widersprechen muß: so
etwa bei der „Himmclfahrtsgeschichtc", die dem Verf. als Beispiel
für das rechte Verständnis von biblischen Aussagen dient.
Ganz richtig: wir sollen nicht mit leeren Händen dastehen und
dem zum Himmel gefahrenen Herrn nachsehen. Aber die Himmelfahrt
ist nicht nur ein Zeichen; und es ist auch nicht wahr, daß
in Acta 1 das äußere Geschehen „transformiert" sei ,,in das
innere Geschehen eines vom Heiligen Geist erfüllten und geleiteten
Zeugendienstes" (15). Die richtige Erkenntnis, daß eine
theoretische Haltung der christlichen Glaubenserkenntnis unangemessen
ist, darf nicht das „Extra nos", das heilsgeschichtliche
Faktum wegräumen. Am energischsten sei diese Kritik
geltend gemacht hinsichtlich der Auferstehung Je6u: sie besteht
nicht (wie B. meint) in einer neuen Deutung des Karfreitagsgeschehens
, sondern sie ist da6 eschatologische Faktum, das die
neue Deutung des Karfreitags erst ermöglicht und nach sich zieht.
Ähnlich wäre auch über die Stellen zu urteilen, in denen es um
die letzten Dinge geht: so wahr das Eschaton auch schon gegenwärtig
ist — nicht nur bei Johannes, sondern auch bei Paulus
(z.B. Kol. 3, 1) —, so wahr ist an einer nicht minder entschiedenen
teleologischen Eschatologie festzuhalten.

Wir dürfen die Reihe der kritischen Anmerkungen nicht
fortsetzen. Wird man auch gegen das Verfahren, die Aussagen
der christlichen Lehre weithin als übertragene Rede, als Gleichnis
für das Nicht-Aussagbare zu verstehen, Bedenken anmelden
müssen, so wird man doch von Buri viel lernen können hinsichtlich
der Vergegenwärtigung und Übersetzung biblischer Aussagen
. Nicht zuletzt darin, daß hier mit dem Menschen wirklich
— menschlich geredet ist.

Dölzig/Leipzig Gottfried Voigt

Eiert, Werner: Der Ausgang der altkirdilidien Christologie. Eine
Untersuchung über Theodor von Pharan und seine Zeit als Einführung
in die alte Dogmcngcschidite. Aus dem Nachlaß hrsg. von Wil"
heim Maurer und Elisabeth BergsträßeT.'Berlin: Lutherische»
Verlagshaus 1957. 363 S.. 4 Ktn.-Skizzen, gr. 8°. Lw. DM 22.50.

Der mit größter Behutsamkeit und Achtung vor der Arbeit
des Verstorbenen herausgegebene Band enthält die Teile eines