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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

309-311

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schmaus, Michael

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der Kirche 1959

Rezensent:

Schultz, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

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unbefangenen Blick durch alle historische Kritik „doch die entscheidenden
Züge der Person und der Geschichte Jesu keineswegs
unsicher gemacht" (42) werden, daß die Grundzüge von Jesu
Haltung wie die Grundgedanken seiner Verkündigung sich durch
alle Schichten der Überlieferung hindurch durchgehalten haben
(42 f.). „Die echte Geschichtlichkeit des Jesusbildes in seinen
Grundzügen drängt sich jedem auf, der mit diesem Bilde umgeht
" (44). — Diese Gedankengänge genügen für das hier vorliegende
Problem offensichtlich nicht. A., der in dem Ganzen
«einer Studie die eigentliche Aufgabe an diesem Problem — unter
Abweisung der zu glatten einseitigen „Lösungen" B.s und G.s —
mehr stellt als selbst befriedigend löst, gibt in den zuletzt angedeuteten
Gedankengängen immerhin Ansätze zu einer echten
Bewältigung.

MUnstor/Westf. Ernst Kinder

Schmaus, Michael, Prof.: Katholische Dogmatik. III. Band, 1. Halbband
: Die Lehre von der Kirdie. 3. bis 5., völlig umgearb. Aufl.
München: Hueber 1958. XVI, 934 S. gr. 8°. DM 34.— ; Lw. 37.50.

Mit dem vorliegenden Band liegt nunmehr das dogmatische
Gesamtwerk von Schmaus (mit Ausnahme der Bände IV, 2 und
V) in 5. Auflage vor. Der Verfasser betont mit Recht, daß dieser
Band in seiner Neubearbeitung nur noch wenig mit seiner ersten
Fassung gemein hat. Durch die kirchlichen Äußerungen der letzten
zehn Jahre und die daraus entstehenden theologischen Diskussionen
habe 6ich die ekklesiologische Lage „völlig verändert".
In der Zusammenfassung dieser Bewegung und der Auseinandersetzung
mit ihr soll jetzt die Lehre von der Kirche „nach ihrem
eigenen Sclbstvcrständnis unverkürzt und klar" herausgearbeitet
werden. Noch stärker soll jetzt die Auseinandersetzung mit der
evangelischen Theologie vorgetragen werden, als deren Kernpunkt
sich immer deutlicher die Kirchenfrage erweise. „Die katholische
Theologie ist es den protestantischen Brüdern schuldig,
ihnen die katholische Wahrheit ohne Abstriche und Umschweife
zu sagen .. ." (VII). Ein Gespräch mit der protestantischen Theologie
sei in Deutschland wichtig und unentbehrlich, und in der
Tat wird dies Gespräch durch das ganze Werk durchgeführt. Es
verlohnt sich, anhand seiner Gliederung die wesentlichsten
Punkte dieses Gesprächs hervorzuheben und zu beleuchten.

Schm. trägt 6cinc Lehre von der Kirche in drei Problem-
kreisen vor: der erste Krei6 bewegt 6ich um die Entstehung der
Kirche, der zweite behandelt ihr gottmenschliches Gepräge, der
dritte ihre Aufgabe in der Welt, wobei diese Kreise nicht un-
verbunden nebeneinander stehen, sondern sich gegenseitig bedingen
und incinanderliegen. Für ihre inhaltliche Bestimmung
«ei das Werk des heiligen Thomas von Bedeutung.

Der erste Teil führt aus, daß die Kirche nicht aus der Ge-
«chichte oder aus der Schöpfung hervorgegangen «ei, nicht vom
Menschen stamme, sondern ihren Ursprung in dem dreipersonalen
Gott habe. Alle anderen Organisationen stammen von „unten"
Nur die Kirche Christi sei ein „weit- und geschichtstranszenden-
tes Gebilde" (57), das schon vor Christus war, was das Alte
Testament bezeugt, und das dann von Gott vollendet wurde
durch seinen menschgewordenen Sohn. Die vollendete Kirche ist
also eine Stiftung Jesu Christi, was nun durch eine ausführliche
Fxegese des Neuen Testamentes und der kirchlichen Tradition
„bewiesen wird" im Gegensatz zu der protestantischen oder
"liberalen" Theologie, vertreten durch Ernst Troeltsch, Sohm.
Holl. Kümmel und viele andere, wonach die Kirche mit den Werken
des irdischen Jesu in keinem direkten Zusammenhang stehe
Ur"d Christus da6 Reich Gottes, aber nicht eine sichtbare Kirche
gewollt habe. Diese These wird dann von Schm. untermauert
durch die Lehre von der apostolischen Sukzession und der Berufung
des Petrus als Grundlegung des Primat6, wiederum w
Kontroverse mit der protestantischen Theologie, die, wie u. a.
£• Brunner, die einmalige Sonderstellung der Apostel hervorhebe
oder die Echtheit der in Frage stehenden Texte anzweifle
{Mt Ausnahme von Bultmann, der der Meinung sei, Matthaus
habe den genaueren Bericht vgl. S. 161) oder nachzuweisen vergehe
, daß der Kanon die apostolische Autorität übernommen
ha*>c (Cullmann).

Diese von Christus selbst gestiftete Kirche ist nun, wie der

zweite Teil ausführt, die Erscheinungsweise des Christus. „Sie ist
das Bild des Christus in seiner Schwäche und des Christus in
seiner Herrlichkeit, augenfälliger das Erste mehr als da6 Zweite"
(202). Sie ist der Christus als Mensch und als Gott. Das bedeutet
nicht, daß Christus und Kirche zur Substanzeinheit verschmelzen,
zu einer ontologischen Einheit zusammenfallen. Vielmehr besteht
zwischen beiden eine Bewegungseinheit, in der — es ist als wenn
Schleiermacher spräche — die Einzelnen ihre Eigenpersönlichkeit
vollauf bewahren (28 8). Die Kirche hat trotz ihrer innigen Verbundenheit
mit Christus Eigensein. Sie ist in Christus vorgegeben
wie der Baum im Samenkorn. Wie der Gottmensch selbst
sichtbar gewesen ist, so ist „die Sichtbarkeit der Kirche für das
katholische Kirchenveretändnis wesentlich" (391) im Gegensatz
zu dem spirituali6tischen Kirchenverständnis des Protestantismus.
Zwar werde die Sichtbarkeit der Kirche bei den Protestanten
nicht geleugnet. Aber e6 fehle der lutherischen Vorstellung da«
von Christus eingesetzte Kirchenamt. „Im heutigen Protestantismus
wird die These von der Kirche als einer pneumatischen
Persongemeinschaft am zugespitztesten vertreten von K. Barth,
E. Brunner, R. Bultmann und W. Künneth" (392). Die Kirche
sei nun nicht mehr eine bleibende sichtbare Gemeinschaft, sondern
ein Ereignis, das «ich jeweils vollzieht, wenn zwei oder drei
im Glauben an Christus versammelt seien. „So wird an dem
Problem der Sichtbarkeit der Kirche der tiefste Gegensatz zwischen
der katholischen und der protestantischen Kirchenvorstellung
sichtbar. Er beruht letztlich auf einer gegensätzlichen Interpretation
Christi und seines Verhältnisses zur Kirche" (392).
rür den katholischen Menschen ist „das Sichtbare so eng mit dem
Wesen der Kirche verbunden, daß es nicht von ihm ablösbar
ist" (400), oder wie man ergänzend vielleicht sagen darf, daß es
mit dem Wesen identisch ist. Daraus folgt dann notwendig, „daß
die christlichen Gruppen außerhalb der katholischen Kirche nicht
den Charakter von Kirchen haben" (431).

Andererseits folgt aus der Sichtbarkeit der Kirche ihr
Gestaltwandel, ihre Teilnahme an der Zeithaftigkeit und Ge-
«chichtshaftigkeit. Aber das vollzieht sich nur in der vordergründigen
Schicht und berührt nicht ihren Kern. In ihrem inner-
c'e? Kern ist sie „immer heilig" (451). Denn ihre Festigkeit und
Sicherheit ist verankert in ihrem Lehr- und Kirchenamt, das zuletzt
aber in der Unfehlbarkeit des Pap6tes begründet ist. Audi
der Inhalt des von Christus gestifteten Kirchenrechts ist unwandelbar
. Im Bereich des Sichtbaren herrscht nur das mensch-
f.? ^ecbt der Kirche, da« auf da6 relative Naturrecht zurückgeführt
wird. Aber die Kirche hat von Christus die Vollmacht,
Recht zu setzen. Das sei von Luther verhängnisvoll unterschätzt
worden (460). Die Rechtggestalt der Kirche sei darum aber von
so großer Bedeutung, weil in ihr auch das Gebot der Liebe aufgefangen
«ei. Denn auch die Liebe i6t Gesetz und Maßstab alle*
Befehlen« und Gehorchens (387, 471). — Der „Kernbereich" des
kirchlichen Primats könne durch keine geschichtliche Entwicklung
verändert werden (487). Auch der Rechtscharakter habe seinen
tiefsten Grund in der Herkunft von Christus. Die päpstliche
Vollgewalt könne daher auch nicht, wie Luther geglaubt habe,
zum Verderben der Kirche ausschlagen (492).

Konstitutiv sind die Wesenseigenschaften der Kirche. Von
ihnen 6teht an erster Stelle ihre Einzigkeit. Schm. lehnt die Formulierung
„Katholizismus" und „Protestanismus" als Mißverständnis
ab. „Es gibt nur eine einzige Kirche, die sich in legitimer
Weise von Christus ableitet. Sie ist identisch mit der
römisch-katholischen (548 f.). Das Hauptanliegen der Kirche
müsse daher die „Wiedervereinigung der im Glauben Getrennten
sein." Auch die Einheit in der Kirche wird hervorgehoben. Aber
es wird nachdrücklich betont, daß sie verschieden sei vom Kollektivismus
. In der Gemeinschaft der Getauften bewahre jeder sein
Selbst, wie auch die ontologisch pneumatische Einheit in Christus
6ich in der persönlichen Gesinnung des Einzelnen realisieren
müsse (5 8 3). Von hier aus gesehen zeigt sich die Gesetzlichkeit
der Kirche in ihrem im Wandel der Zeiten immer reicher werdenden
Leben aus Christus ak eine notwendige Selbßtentfaltung
der Kirche, die Luther verkannt habe, „wenn er das Prinzip 6oIa
scriptura aufstellte" (616) und im Verfolg dieses Prinzips zu den
Anfangsformen der Urkirche zurückkehren wollte.