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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

305

Kategorie:

Religions- und Kirchensoziologie

Autor/Hrsg.:

Held, Paul

Titel/Untertitel:

Quäker im Dienst am Nächsten 1959

Rezensent:

Fuchs, Emil

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305

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

306

Held, Paul: Quäker im Dienst am Nächsten. Die Bedeutung des
Quäkertums für die englische Sozialgeschichte im 18. und 19. Jahrhundert
. Basel: Fr. Reinhardt o. J. 180S. 8°. Lw. DM 9.50.

Das Buch, gibt eine zuverlässige und an den Quellen orientierte
Darstellung der Tätigkeit und Bedeutung der Quäker
innerhalb aller Versuche zur Reform gesellschaftlicher Notstände
in den beiden ersten Jahrhunderten ihres Bestehens. Es ist gut
und richtig, daß diese Tätigkeit hier eingeordnet in die Gesamtheit
solcher Versuche erscheint, 60 daß eine einseitige Überschätzung
dessen, was Quäker taten und wollten, vermieden ist.

Trotzdem tritt sehr deutlich hervor, was in dieser Geschichte
das immer wieder Bewegende und Aufrüttelnde ist. Immer wieder
erheben sich aus der „Gesellschaft der Freunde" — 60 nann
ten 6ich die Quäker selbst — einzelne Männer oder Frauen, die
gerufen vom Geiste Gottes, wie sie es selbst erfuhren, die Nöte
und Fragen ihrer Zeit tiefer schauten und opferbereiter zu überwinden
suchten, als es ihren Zeitgenossen gegeben war. So kam
es zu Pionierleistungen, die zunächst scheiterten und doch als
Aufrufe wirkten, an die sich Bewegungen anschlössen, in denen
die Zielsetzungen weitergeführt und schließlich erreicht wurden.

William Penns Staatsgründung in Pennsylvanien war ein Ruf
über Jahrhunderte hinweg, John Bellers und William AIlan6 Versuche
sozialer Reformen und Gestaltungen, die Erziehungsarbeit
der Quäker und einzelner aus ihrer Mitte haben bahnbrechend
gewirkt, ebenso ihre erstaunliche Haltung in der Sklavcnfrage.
Besonders bemerkenswert scheint mir die Geschichte des „Re-
treat" in York. Aus der Tiefe christlichen Geführtseins erkannten
Menschen die unbedingte Falschheit der Behandlung der Irren,
die man einfach nur in hilfloser Grausamkeit zu isolieren wußte.
Sie fanden den Weg der Behandlung und Heilung durch Verstehen
und Liebe und öffneten der medizinischen Wissenschaft einen
Weg, den sie bis heute noch nicht zu Ende gegangen ist.

Es waren das alles Pionierleistungen. Sie konnten erst zu Erfolg
führen, wenn sie von gesellschaftlich tragenden Kräften aufgegriffen
und wcitergestaltet wurden. Aber diese Pionierleistungen
waren eben doch auch dazu notwendig, daß Aufgabe und
Lösungsmöglichkeiten erkannt und gefunden wurden.

So 6teckt in dieser Geschichte der Sozialarbeit des Quäkertums
zugleich ein Sichtbarwerden dessen, was im Sozialleben der
Menschheit Religion — und vor allem christliche Haltung — bedeuten
kann — bedeuten müßte — wo sie in tiefer, echter Hingabe
an den Ruf Jesu Christi die Verantwortung für den Mitmenschen
und die Gesellschaft auf sich nimmt.

Alle diese Gestalten und Bewegungen behalten ihre Bedeutung
als immer wieder an uns heranklingende Mahnungen, das
in uns wirksam werden zu lassen, was unser Glaube uns an
Kiäften geben will. Für das theologische Denken ist diese Geschichte
des Quäkertums immer wieder die sehr klare Mahnung,
das Erfassen der ewigen Wahrheit so zu vollziehen, daß et aus
der theoretischen Klarheit heraus immer auch seinen machtvollen
Ruf zur Bewältigung der Wirklichkeit des Lebens deutlich werden
läßt.

Leipzig EmilFuch«

Ach Inger, Hans: Materialien zur Ethik der sozialen Sicherungen.
Zeitschrift für evangelische Ethik 1958, S. 65—72.
IP p c I, Cornelis Johannes: Christliche Existenz in der modernen
wissenschaftlichen und technischen Welt.
Zeitschrift für evangelische Ethik 1958, S. 129—1 54.

•.11*1« Jacques: Über die soziologischen Voraussetzungen des modernen
Menschen.

Evangelische Theologie 17, 1957 S. 516—528.
funkt, Alex: „Woche der Siedlung". Christen übernehmen die Initiative
zur Gestaltung des öffentlichen Gemeinschaftslebens in einer
Siedlung.

Monatschrift für Pastoralthcologie 46, 1957 S. 390—397.
G°ldschmidt, Dietrich: Die Herkunft der Theologiestudenten.
Einige soziologische Überlegungen.

Monatschrift für Pastoraltheologie 46, 1957 S. 468—473.
Gfieier, D.: Ergebnisse einer Meinungsbefragung über Ehe und
Familie.

Trierer Theologische Zeitschrift 1958, S. 301-305.

Karnetzki, Manfred: Von der religionslosen zur sozialen Interpretation
der Bibel.

Die Zeichen der Zeit, 1958, S. 164—169.
Karrenberg, Friedrich: Sozialgcschichte der industriellen Arbeitswelt
und die Christenheit.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1958, S. 73—90.
Liege, P.-A.: Le combat moderne du croyant.

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 897—904.
O e t e r, Ferdinand: Die Familie, Randerscheinung oder Zentrum der

menschlichen Gesellschaft?

Zeitschrift für evangelische Ethik 1958, S. 91—97.
Thiel icke, Helmut: Probleme des Wohlfahrtsstaates.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1958 S. 193—211.
T h r a e d e, Klaus: Sind wir sprachlos geworden?

Monatschrift für Pastoraltheologie 47 1958 S. 71—79.
Vilmar, Fritz: Soziologie als Heilsgcschichte. Eugen Rosenstock-

Huessys Kritik der Theologie und Kirche.

Junge Kirche 18. 1957 S. 376—386.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

A 1 t h a u s, Paul: Da» sogenannte Kerygma und der historische Jesus.

Zur Kritik der heutigen Kerygma-Theologie. Gütersloh: Bertelsmann
1958. 52 S. 8° = Beiträge zur Förderung christlicher Theologie,
hrsg. v. P. Althaus, H. Dörries u. J. Jeremias, 48. Bd. DM 4.80.

Althaus nimmt hier die Auseinandersetzung mit Bultmann
und Gogarten an einem besonderen Punkte auf, nämlich deren
„Lösung des Kerygmas und damit der Christologie von der Frage
nach dem historischen Jesus" (6). „Wir nennen Bultmanns Theologie
„Kerygma-Theologie", weil sie das apostolische Kerygma
so zum Grunde der Theologie macht, daß dabei der Grund des
Kerygmas selbst in der Gestalt und Geschichte des historischen
Jesus in den Schatten tritt und als theologisch belanglos außer
acht gelassen wird" (10). Demgegenüber vertritt A. mit Entschiedenheit
als unaufgebbares Glaubensanliegen die These, die
sich wie ein Ceterum censeo durch diese ganze Studie hindurchzieht
, daß die wahre „Geschichtlichkeit" der neutestamentlichen
Botschaft notwendig das Moment des Historischen in sich schließt
und daß wir gerade um ihrer echten Verkündigungsmächtigkeit
und existentialen Bedeutsamkeit willen nicht aus dem Fragen
nach dem historischen Jesus entlassen sind. (Mit ihrem kritischen
Befragen des Begriffes „Kerygma" ist diese besonnene und prägnante
Studie, über die Auseinandersetzung mit Bultmann und
Gogarten hinaus, für die heutige Theologie überhaupt wichtig,
in der mit diesem Begriff oft allzu rasch und nur halb durchdacht
operiert wirdl) Wohl ist es nach A. richtig, daß wir „Jesui
nicht anders aU in dem Glauben deT Gemeinde, in der apostolischen
Verkündigung von ihm, also in dem „Kerygma"" haben.
..Hinter dieses zurückgehen zu wollen auf einen „historischen
Jesus" ist ein historisch und theologisch hoffnungsloses und verkehrtes
Unterfangen." „Darüber ist heute fast in der ganzen
Breite der Theologie Einverständnis" (12). „Indessen so gewiß
ein theologisch-dogmatisches Zurückgehen hinter das Kerygma
und seinen Christus uns verboten ist, erhebt sich doch die Frage,
ob die Theologie nicht in anderm Sinne hinter das Kerygma zurückgehen
muß, nämlich es nach seiner Beziehung auf
die Historie, von der es berichtend zeugt, zu befragen
hat" (13). Denn es ist „Bericht und Deutung in einem" (12);
es will in seiner Heilsbedeutsamkeit von einer in Raum und Zeit
geschehenen Geschichte zehren. Darum können und dürfen wir
das Kerygma nicht in eich selbst verabsolutieren, sondern müssen
„die Geschichte im Kerygma suchen" (13, nach G. Bornkamm
). So hatte es Kahler gemeint. Es ist dankenswert, daß
und wie A. zunächst von diesem ausgeht (10 ff.). Bultmann und
Gogarten radikalisieren mit ihrem „Kerygmatismus" fälschlich
nur eine Seite von Kähler; wir müssen heute den Schwerpunkt
auf die andere Seite bei ihm legen, die B. und G. in ihrer „ahistorischen
, ja antihistorischen Haltung" (15) ablehnen: daß nach
Kähler die Evangelien zwar nicht primär Quellen im Sinne
des Historikers sind, aber doch auch Berichte und Quellen!
„Demgemäß ist die historische Rückfrage an das Kerygma auf
seinen historischen Grund unabweisbar und theologisch legitim
" (13).