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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

298-299

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Thieme, Hans

Titel/Untertitel:

Die Ehescheidung Heinrichs VIII und die europäischen Universitäten 1959

Rezensent:

Prüser, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

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ständnis für die mannigfachen Versuche der Calvinforschung . ..,
die Theologie des Reformators von einem inhaltlichen Elemente
ßeiner Lehre her zu begreifen" (S. 245), d. h. für die Versuche,
von denen im 1. Kap. kritisch die Rede war, aufgebracht werden
solL

Diese Statistik ist zwar nicht unbeträchtlich. Dennoch
bleibt sie — ob es sich um einzelne Neuformulierungen, um
kleinere oder größere Zusätze (Streichungen finden sich nur
ziemlich selten, am meisten auf S. 66 ff. der Erstauflage, d. h.
im Zusammenhang der Lehre von der „Fürsehung") oder um
Umstellungen (bes. in Kap. 15, 4 ff.) handelt — hinter dem Befund
von Veränderungen bei weitem zurück. Offenkundig ist
doch das ganze Buch noch einmal gründlichst erarbeitet worden,
und wenn man darauf achtet, wo sich denn die meisten Neuerungen
finden, so ergibt sich eindeutig: in 2/2 („Schrift und
Geist") und 2/3 („Die Frage nach der natürlichen Gotteserkenntnis
"), in 4'l („Die Schöpfung") und 4/2 („Die Füreehung"), in
12/l („Die Erwählung in Christus") und in 15 („Das weltliche
Regiment"). Abgesehen von der Berücksichtigung der neueren
Literatur besteht (thcologiegeschichtlich bzw. dogmatisch) der
Hauptbeitrag der Zweitauflage also darin, daß einerseits das
hcrmcncutischc Problem und bes. das der natürlichen Theologie
bei Calvin 60wie seine Lehre von Gott dem Schöpfer, von der
Schöpfung und von dem, was in der neueren Theologie z. T. mit
dem Stichwort der „SchöpfungsoTdnungen" bezeichnet wird, und
andererseits 6eine Prädestinationslehre eine weitere Bearbeitung
erfahren haben. Diese Zweiseitigkeit dürfte wiederum nicht
nur durch die wissenschaftliche Debatte bzw. durch die Aktualität
der Problematik überhaupt bedingt 6ein. Vielmehr handelt
es sich um eine echte Sachbezogenheit ursprünglichster Art,
nämlich um Themen, die jeweik und beide zusammen nur dann
recht aufgegriffen werden, wenn dies von ihrer gemeinsamen
Mitte her geschieht: der Offenbarung Gottes in Christus — die
ihrerseits (mit entscheidender Konsequenz für alle Unterthemen!)
gerade nicht „Gegenstand" der Theologie sein, sondern auf die
alle Theologie nur hinweisen kann (aber auch einzig und allein
hinweisen muß, will sie überhaupt „Theologie" sein).

So jedenfalls stellen sich die Dinge nach N.s Calvininterpretation
dar, und damit kommen wir zur wichtigsten Feststellung
hinsichtlich der Zweitauflage dieses Buches. Verf. selber sagt:
„Bei dem allen bin ich in meiner Grundauffassung von dem theologischen
Wollen Calvins nur bestärkt worden" (S. 5), d. h. beim
weiteren Studium der Quellen und der Literatur hat sich ihm der
christozentrische (und doch nicht etwa die Christologie zu einem
..Prinzip" machende) Charakter der Theologie Calvins nach allen
Richtungen hin bestätigt. Eben davon ist die Zweitauflage nun
erst recht bestimmt.

Blickt man von daher auf die Besprechung der Erstauflagc
zurück, die E. Mülhaupt s. Zt. in der ThLZ (64, 1938, 320-32^
unternommen hat, 60 kann man nur sagen: die z.T. herbe Kritik,
die dort geübt worden ist, hat Verf., wie die Intensität seiner
weiteren Studien zeigt, keinesfalls in den Wind geschlagen; ebenso
wenig aber hat er sie 6ich zueigen machen können — im Gegenteil
! Freilich sind die von Mülhaupt fixierten Fragen auch damit
noch nicht etwa völlig erledigt. Gerade um N.s sorgsamer
Argumentation willen wird sich die Calvinforschung noch weiter
m't ihnen zu beschäftigen haben, und schließlich bleiben auch
die Fragen akut, die sich auf die Bestimmung de6 Buches als
••Einführung in die Theologie" beziehen.

Hätte zu einer Einübung in die Theologie nicht z. B. auch dieses
gehört, daß da, wo auf Luther, das Luthertum und deren Theologie
Bezug genommen wird, diese mit gleicher Genauigkeit dargestellt würde
w'e die Calvins? Leider ist das auch bei der Zweitauflagc nicht immer
<jer Fall. Der Satz über das allgemeine Priestcrtum, der doch wohl auf
™ lutherische Ämtcrlchre zielt (Erstauflage S. 194, Zweitauflage
* 2°2), ist unverändert stehen geblieben bzw. die Verzeichnung, die er
enthält, wird auch durch die neue Anmerkung (15) nicht behoben. Der
Vergleich mit CA V zu Beginn des Kapitels über die Sakramente
's- 201 f. bzw. 210 f.) wirkt auch weiterhin zumindest unklar (übrigens
j|u<h. was die Darstellung der Theologie Calvins selber anbetrifft, vgl.
b- 204 f. bzw. 213); und der (auch in der Zweitauflage - S. 223, BW-
aufläge S. 215 - nicht modifizierte) Angriff auf die Lehre von der
""anducatio impiorum trifft an dieser vorbei (weil sie nämlich Christus
gerade nicht als „ein totes Etwas" versteht).

Nimmt man das Buch jedodi 6treng als das, was es sein
will, als eine Darstellung der Theologie Calvins und damit als
Einführung in die Theologie, 60 kann man es, zumal in seiner
neuen Ausgabe, nur warm zum Studium empfehlen — und zwar
nicht etwa nur deswegen, weil wir eine neuere Gesamtdarstellung
der Theologie des Reformators 6onst überhaupt nicht besitzen.

Naumburg/Saale Horst Lahr

Thieme, Hans, Prof. Dr.: Die Ehescheidung Heinrichs VIII. und die
europäischen Universitäten. Vortrag, gehalten vor der Juristischen
Studiengesellschaft in Karlsruhe am 14. Dezember 1956. Karlsruhe:
C F. Müller Il957j. 23 S. gr..8° = Juristische Studiengesellschaft
Karlsruhe. Schriftenreihe H. 31. DM 1.80.

Unter den Eheaffairen Heinrichs VIII. ist keine von der Bedeutung
gewesen wie gleidi die erste, die nämlich, die auf die
Scheidung der Ehe mit Katharina von Aragon hinauslief. Keine
der anderen ist nach innen und außen von dem großen politischen
Gewicht gewesen wie sie, die fast für ein Jahrzehnt, von 1527
bis 15 36, ganz Europa in Aufregung hielt. Bei keiner von den
übrigen ist die Juristenwelt so nachhaltig bemüht worden wie bei
ihr, und bei keiner der sonstigen Eheverwicklungen Heinrichs sind
die Vertreter der Theologie so sehr in Anspruch genommen worden
wie bei dieser Angelegenheit, die schließlich, kirchenpolitiscb
gesehen, zur Lösung von der Römischen Kirche führte, wenn dies
im Ursprünge auch nicht die bindende Angelegenheit gewesen
[st, die sie nachmals wurde, — nicht durch den König, sondern
durch das Wirken späterer englischer Theologen. Der Blick auf
diese Folgen rechtfertigt eine Besprechung eines in der Grundhaltung
reditsgesdiichtlichen Vortrages in der „Theologischen
Literaturzeitung"; doch ist es keineswegs 60, als habe der in den
Anmerkungen mit allem gelehrten Hilfswerk ausgestattete Vortrag
nur juristische Hörer und, durch seinen Druck, nunmehr auch
Leser im Auge.

Der „Profan"-Historiker freilich könnte sich weniger angesprochen
fühlen: sofern ihm aber die politischen Zeitverhältnisse
gegenwärtig sind, wird er die reditsgesdiichtlichen wie die
theologischen Darlegungen um so besser dem politischen Zeitgemälde
zuordnen können. Denn alles ist weitgehend auch eine
Angelegenheit der Politik gewesen: die Kriege Karls V. in Italien
und mit Frankreich, um nur einiges zu nennen, spielen hinein,
die Konzilspläne des Papstes und des Kaisers, nicht zuletzt auch
die wiederholten Bemühungen Heinrichs VIII. um die eine sehr
vorsiditige Politik treibenden sdimalkaldisdien Bündnisverwandten
. Gerade in ihrem Verhalten zeigt sich das Auseinandergehen
der beiderseitigen Ziele und Meinungen in aller Deutlichkeit. Sie
wollten wohl das politische Bündnis, erst aber, unbeeinflußt von
der Eheangelegenheit, die Einigung im Bekenntnis, die Entwicklung
der englischen Kirche zu einer wahrhaft evangelischen. Da
konnten Verhandlungen über des Königs Ehesdieidung kaum
förderlich 6ein: es ging darum, ihr nachträglich den Anschein
der Berechtigung zu geben, als die englischen Gesandten auf dem
Schmalkaldener Bundestage von 1535/1536 und daran anschließend
in Wittenberg diese jetzt allerdings nidit mehr im persönlichen
Bereich gebliebene Angelegenheit ihres Königs vorbrachten
. Aber die Wittenberger Theologen unter Einschluß des sonst
60 entgegenkommenden Melanchthon blieben bei ihrer Auffassung
von der Ehesdieidung Heinrichs: daß seine Ehe mit Katharina
aus göttlidicm und natürlichem Recht auch dann binde, wenn
sie gegen levitische Gesetze verstoße, von denen es keinen Dispens
gebe: eine Doppclehe war Luther da erträglicher erschienen.
So haben die Wittenberger, sehr zum Ärger des Königs, das Gegenteil
von dem getan, was Heinrich von ihnen wünschte, und
damit auch Katharina in ihrer unnachgiebigen Haltung gestützt.
Es war gerade zur Zeit dieser Verhandlungen, als die Nachricht
vom Tode der Königin in Wittenberg bekannt und mit aufrichtiger
Trauer von den Reformatoren aufgenommen wurde.

Gerade diese Angelegenheit, die Haltung des Wittenberger
Kreises zu den durch die Ehescheidung Heinrichs aufgeworfenen
Fragen, sind mir durch eigene Forschungen bekannt: ich muß bekennen
, daß der Verfasser der vorliegenden Schrift das damit
Zusammenhängende in ausgezeichneter Weise in seinen Gedankengang
eingebaut hat. Seine Abhandlung ist überhaupt, wenn