Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

288-290

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Paulus Apostel, Épitre aux Romains 1959

Rezensent:

Michel, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

287

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

288

Anfrage an die Synode der EKiD zur atomaren Bewaffnung
(die bekannten 10 Thesen enthaltend) erwachsen ist. Man tut
gut, die Vorträge nicht von den 10 Thesen, sondern umgekehrt
diese von den Grundsatzreferaten her zu beurteilen.

Zum Verständnis der Bergpredigt sind nach Schmauch folgende
Beobachtungen entscheidend:

1) Sie darf nicht von Christus gelöst werden, weil sie nur
in dieser Relation richtig interpretiert wird. 2) Das Meister-
Jüngerverhältnis ist durch das Lehren bestimmt, in dem Christus
das Gebot der Metanoia als Hinkehr auf das kommende und als
solches angekündigte Reich in konkreten Lebensbezügen entfaltet
. 3) Das Tun dieser Lehre (darum am Anfang die Seligpreisungen
) besteht darin, 6ich die Verheißungen des Lehrers
gegen alle weltliche Ordnung und menschlichen Ansprüche und
gegen allen Augenschein gefallen zu lassen. 4) Weil ein Tun gelehrt
wird, das als solches das Wunder des nahe herbeigekommenen
Himmelreiches ist, darum redet die Bergpredigt in zwei
Fronten gegen alles Schwärmertum und gegen Traditionalismus
und Konservatismus. 5) Das Charakteristikum der Jüngergemeinde
ist ihr Sein in der Welt als Proexistenz für die Welt. —
Gerade weil dieser Vortrag von jeder kurzschlüssigen Frage nach
einer politischen Anwendbarkeit der Aussagen der Bergpredigt
absieht, kann er eine Hilfe sein, den rechten Weg in der Wahrnehmung
der politischen Verantwortung durch die Kirche zu
finden.

E. Wolf versucht in 6einem Beitrag, die Erkenntnisse aus
These V der Barmer Theologischen Erklärung in der politischethischen
Diskussion zur Geltung zu bringen. Die traditionelle
Fragestellung in der politischen Ethik ist nach W. dadurch belastet
, daß „primär nach. Wesen und Sinn des Staates gefragt
wird" (41). Wer von einer Staatslehre her die einzelnen sittlichen
Weisungen meint gewinnen zu können, ist in Gefahr, der
schlichten Forderung des Gehorsams gegenüber Gottes Gebot
auszuweichen. Es ißt nur ein relativer Unterschied, „ob das politische
Handeln durch die Einsicht in die entdeckten Geheimnisse
des ordnenden Schöpferwillens" (31) oder des interimistischen
Erhaltungswillens Gottes bestimmt ist. Ebenfalls kritisch, aber
nicht in dem gleichen Maße wie mit „der neueren lutherischen
Ethik" (36) - er zitiert ausführlich W. Eiert, P. Althaus und
W. Künneth -, befaßt W. sich mit der 60gen. „christologischen"
oder „Aristokratischen" Begründung des Staates. Hier — etwa
bei A. de Quervain (43) — haben entscheidende neue Erkenntnisse
gegenüber den Restbeständen der traditionellen Fragestellung
nach W. die Führung übernommen. Aber da Römer 13 keine
Sinndeutung von Ursprung und Wesen des Staates geben, sondern
nur seine „nackte Faktizität (41) feststellen wolle, müsse
die Ethik sich „entschlossen von dem Weg abwenden", „die Frage
nach der Stellung de6 Christen im Staat durch den Entwurf einer
auf die Wesensfrage bezogenen Staatslehre beantworten" zu
wollen (42). Eine Hilfe könnte die Minimaldefinition von Bar
men V sein, wo alles gesagt wird, was hier gesagt werden
kann (ebd.). W. sieht die Aufgaben einer evangelischen Ethik
darin, „an Stelle einer theologischen Metaphysik des Staates eine
evangelische Lehre von politischen Tugenden zu entwickeln" (53).
Diese Tugendlehre ist nicht „kasuistisch", sondern „schlicht als
Umschreibung eines dem Sein des Christen gemäßen, ihm selbstverständlich
werdenden Sichverhaltens im Bereich des Politischen
" (54) gemeint. Auch wer W. nicht in allen konkreten
Einzelüberlegungen folgen kann, wird in dem Hinweis auf die
Barmer Theologische Erklärung für die gegenwärtige politischethische
Diskussion eine wesentliche Hilfe erkennen.

Eine kritische Frage sei zum Schluß angemerkt. Sie bezieht
sich auf die Aufgabe der Theologie, „das Phänomen des Staates
existenzerhellend" zu interpretieren. Wolf läßt diese als solche
gelten, auch wenn er ihr keine dominierende Stellung einräumt.
Aber gerade wenn man die Aussagen von Barmen V ernst nimmt,
scheint uns — auf der Grundlage eines trinitarischen Offenbarungsverständnisses
— die Beurteilung de6 Staates vom Schöp-
fungs- und Erhaltungswillen Gottes gegenüber der anderen Sicht
vom Heils- und Erlösungswillen her relativ im Recht zu sein.

Ncuendottclsau Wilhelm Anderscn

Huby, Joseph, P. S. J.: Saint Paul, fipitre aux Romains. Traduction

et Commentaire. Nouvelle edition par le P. St. L y o n n e t, S. J.

Paris: Beauchesne 1957. VIII, 643 S. kl. 8° = Verbum Salutis X.
Barrett, C. K.: A Commcntary on the Epistlc to the Romans.

London: A. & Ch. Black [1957]. VIII, 294 S. 8° = Black's New

Testament Commentaries, ed. H. Chadwick. 25 s.

L

In der wissenschaftlichen Reihe Verbum salutis, die sowohl
Kommentare wie auch Monographien zur Entstehung des
Christentums umfaßt, sind Werke erschienen, die internationale
Geltung beanspruchen können. So muß die theologische Wissenschaft
auf den Römerbriefkommentar von J. Huby aufmerksam
werden, dessen 1. Auflage in der Anfangszeit des Krieges erschien
, schnell vergriffen war und nunmehr eine Neubearbeitung
durch St. Lyonnet erfuhr. Das Vorwort der 1. Auflage, das
J. Huby verfaßte, bekennt sich zur Aufgabe, die ursprünglichen
Absichten und Motive des Apostels wieder herauszustellen, die
in der Folgezeit allzuschnell durch andere ersetzt wurden. Unter
seinen Vorgängern, auf die sich J. Huby immer wieder beruft,
sind Lagrange und Cornely, aber auch Sanday-Headlam und
H. Lietzmann zu nennen. Das neue Vorwort, daß St. Lyonnet dem
Kommentar mitgibt, bestätigt ausdrücklich die weitere Geltung
des Kommentars. Der eigentliche Text ist unverändert geblieben.
Die bibliographische Arbeit wurde weitergeführt. Ein Anhang zur
Exegese von Rom. 5, 12—14 entspricht den Wünschen und Absichten
J. Hubys.

Es ist J. Huby wichtig, daß der Römerbrief wirklich ein Brief
ist und sich an eine lebendige, vielgestaltige Gemeinde wendet.
Man darf ihn nicht spekulativ und theoretisch verstehen oder
seine literarische Form als künstlich ansehen. Paulus spricht auch
hier als Apostel und Missionar, dessen Theologie der Heilsbotschaft
dienen soll. Polemische und apologetische Abzweckung des
Briefe« ist nicht anzunehmen (S. 16—24). Dem entspricht auch
da6 Verständnis des T h e m a s in Rom. 1, 16—17: Das Heil liegt
im Glauben an das Evangelium von Jesus Christus. Wer dem
Evangelium glaubt, hat Anteil an der Gerechtigkeit Gottes und
findet seinHeil in die6emAnteil an derGerechtigkeit. Die Gerechtigkeit
Gottes gibt dem Menschen Anteil an der Vergebung und
an der Freundschaft mit Gott. Der Begriff der Gerechtigkeit umfaßt
nicht nur Vergeltung und Strafe, sondern auch die Treue zur
Verheißung, Barmherzigkeit und Gnade (S. 62 ff. mit Hinweisen
auf G. Schrenk, Theol. Wort. Bd. II). Rechtfertigung
und Heiligung sind nun aber nach J. Huby zwei aufeinander
folgende Stufen desselben Heilshandelns Gottes im Leben
des Christen; 6ie können nicht voneinander getrennt oder
geschieden werden, folgen vielmehr logisch und sachlich aufeinander
(S. 205 f.). Es ist bezeichnend, daß Paulus die Heiligung ala
Befreiung auffaßt: von der Sünde, dem Gesetz, dem Fleisch und
dem Tode (c. 6—8). Das Gesetz macht bekannt mit dem Willen
Gottes, lehrt aber nicht, es zu lieben. Nur wo der Gei6t Gotte«
ist, fehlt die Lu6t zum Sündigen; wo der Geist Gottes nicht ist,
ist auch die Lust zur Sünde da. Wo die Lust zur Sünde fehlt, da
ist Freiheit, wo sie vorhanden ist, da ist Sklaverei (Augustin).
Wichtig ist, daß J. Huby an den entscheidenden Stellen das Zeugnis
der Kirchenväter heranzieht und im Gespräch mit der Lehrentwicklung
der Kiiche bleibt. Auch der protestantische Leser
hört gern auf dies Gespräch de6 Theologen mit der Lchrentwick-
lung seiner Kirche und möchte den Hinweis auf die Geschichte
der Exegese nicht missen. In dem sehr lesenswerten Anhang Abschnitt
II (St. Lyonnet) ist auf die Berührung von R ö m.
5,12 mit Sap. 2,24 hingewiesen: „aber durch den Neid
des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen, den die zu
schmecken bekommen, welche jenem angehören". Offenbar hat
das paulinische Denken an diesem Punkt Berührung mit den
Denkformen der Weisheitsichre (vgl. dazu die Auseinandersetzung
mit der modernen Exegese S. 526, Anm. 1). Sünde und Tod
sind nunmehr unter eschatologischem Vorzeichen zu verstehen,
beschränken 6ich also nicht mehr auf einen Einzelfall oder auf
den leiblichen Verfall. Es geht letzten Endes um die TrenffllBf
von Gott als das Verhängnis der Menschheit. Nach dem Beispiel
des Vaters sündigt das Kind.