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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

275-276

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Melanges bibliques 1959

Rezensent:

Stamm, Johann Jakob

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275

Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

276

Material aller Erziehung, die menschliche Natur, ohne Illusion
vor 6ich sehen, um alle seine Gegenmittel dem wirklichen Zustand
des Menschen anpassen zu können". Erziehung ist „richtige Auswahl
aus dem gesamten Material angeborener Tendenzen, ist
besonnene Anwendung des Naturgesetzes, daß durch Gebrauch
oder Nichtgebrauch bestimmte Kräfte zum Absterben oder zu
erhöhter Funktion gebracht werden können". Daher die Wendung
Foersters von der Intellektschule zur Charaktererziehung.
Martin Buber bestätigt den Kern des pädagogischen Lebenswerkes
Foersters, wenn er sagt: „Erziehung, die diesen Namen verdient,
ist wesentlich Charaktererziehung" (Dialogisches Leben, 1947,
S. 293).

Das letzte Drittel der Schrift enthält 21 „Stimmen der
Weltöffentlichkeit" zum Wirken Foersters. Sie bezeugen alle die
ungewöhnliche Breite und Tiefe der Wirksamkeit Foersters. Es
kommen Redakteure, Pfarrer verschiedener Konfessionen, Schriftsteller
, Pädagogen, (wie der Pädagoge Prof. Weniger, Göttingen),
Juristen (wie der Völkerrechtslehrer Prof. Max Huber, Zürich),
Philosophen (wie Martin Buber, Jerusalem), Politiker (wie der
Kultusminister Prof. Frieden, Luxemburg) zu Worte — Zeugnisse
aus Deutschland, England, Frankreich, Schweiz, Holland, Brasilien
, Jerusalem etc., Zeugnisse von verschiedener weltanschaulicher
und politischer Herkunft, Christen, Protestanten, Katholiken
, Juden, Humanisten, Monisten. Ein Sozialist bekennt:
„Heute wissen wir und heute kann es jeder sehen, daß Foerster
ein Genie menschlicher Real-Politik war... Wir lernten das Politische
als einen Teil menschlicher Bildung und Selbsterziehung
zu sehen, die Ganzheit von Einzelleben und Gesellschaft..."

Das Heft schließt mit einem Verzeichnis der Werke Foersters
. Es sind 33 größere Veröffentlichungen, von denen 6 6eit
1945 in Neuauflagen erschienen — dazu das umfangreiche
Memoirenwerk „Erlebte Weltgeschichte 1869—1953", (Nürnberg
1953).

Leipzig Dedo Müller

[Robert, Andre:] Melanges Bibliques rediges en l'honneur de Andre
Robert. Paris: Bloud & Gay [1957]. 580 S., 2 Taf., 1 Kte. gr. 8° =
Travaux de l'Inst. catholique de Paris 4. ffr. 2.000.—.

Andre Robert hat von 1928 bis 1954 am Institut Catholique
in Paris als Lehrer des Alten Testaments und der orientalischen
Sprachen gewirkt. Er wurde durch seine exegetischen Arbeiten
und vor allem seit 1940 durch seine leitende Tätigkeit an der
Herausgabe des „Supplement au Dictionnaire de la Bible" bekannt
. Kurze Zeit nach seinem Rücktritt vom Lehramt ist Robert
im Mai 1955 gestorben. Der vorliegende Band ist seinem Gedächtnis
gewidmet. Er enthält am Anfang ein Bild des Verewigten
, gefolgt von einer Darstellung seines Lebens und einer LUte
seiner Veröffentlichungen. Den Hauptteil de6 Bandes bilden 57
Aufsätze, deren Verfasser aus beiden Konfessionen und, bei
einem selbstverständlichen Schwergewicht Frankreichs, aus den
verschiedensten Ländern kommen. Die Wissenschaft des jungen
israelischen Staates ist durch je einen Aufsatz von Shemouel
Yeivin (Die israelitische Landnahme in Galiläa und die Kriege
mit Jabin von Hazor) und Abraham Malamat (Militärische Rationenzuteilung
in Papyrus Anastasi I und in der Bibel) ausgezeichnet
vertreten.

Außer den eben genannten Aufsätzen enthält der erste,
dem Alten Testament und seinen Nachbargebieten gewidmete
Teil noch 29 weitere Arbeiten, während im zweiten, das Neue
Testament und seine Nachbargebiete beschlagenden Teil deren
26 vereinigt sind, von denen sechs — u. a. von Nöt6cher, van der
Ploeg und Rowley verfaßte — Qumrän-Fragen zum Gegenstand
haben. Aus dem Neuen Testament werden synoptische, johan-
neische und paulinische Probleme erörtert, ein Aufsatz befaßt
sich mit Apk. 12, und einige Beiträge am Schluß führen über den
neutestamentlichen Rahmen hinaus in den Bereich der Patristik.
Das ist eine Weite des Gesichtsfeldes, wie sie Andre Robert entsprach
, der, wie der Lebenslauf zeigt, in seinen jüngeren Jahren
Moraltheologie und Philosophie gelehrt hat.

Im alttestamentlichen Teil sind die orientalistischen Nachbargebiete
verschiedentlich vertreten. Contenau handelt über
kryptographische Schreibungen bei den Mesopotamiern, Large-

ment über die Arche in sumero-semitischer Tradition, Massart
über polare Wendungen im Ägyptischen und Drioton über die
Weisheit des Amenemope. Letzterer kommt durch die sprachliche
Analyse ausgewählter Abschnitte zur Vermutung, der in
Frage stehende Text sei nicht genuin ägyptisch, vielmehr sei er
jüdischen Ursprungs und aus dem Hebräischen oder Aramäischen
übersetzt worden.

Bei den rein alttestamentlichen Beiträgen ist selbstverständlich
die Exegese einzelner Verse oder Abschnitte mehrfach vertreten
. Stücke der Genesis bilden den Gegenstand in Studien von
Albright, Junker, de Fraine, Driver und Eißfeldt. Der durch sein
Werk über den 119. Psalm bekannte Alfons Deißler schreibt im
Zusammenhang mit jenem über den „Anthologischen Charakter
des 33. Psalms". — Pautrel untersucht anhand von Ps. 50, 14 den
Begriff des Lobopfers. Auvray analysiert den Prolog des Jesus
Sirach, und Jacob legt feinsinnig die Sonderart des „Lobes der
Väter" aus dem gleichen Buche dar.

Außer den schon erwähnten Aufsätzen von Yeivin und Malamat
gehören in den Bereich der Archäologie und der Geschichte
Arbeiten von Elliger, Vincent, Hauret, Cazelles, Le Moyne, Kornfeld
und Noth. Letzterer untersucht 2. Sam. 7, wo er im Blick
auf die ägyptische „Königsnovelle", über Rost hinausgehend,
einen größeren vorsalomonischen Grundbestand annehmen möchte.

Die Literatur- und Gattungsgeschichte ist vertreten durch
eine Arbeit von Zimmerli (über das 60g. prophetische Erweiswort
) und durch Studien von Descamps und Tournay. Davon gilt
die erstere der gattungsmäßigen Gliederung der Psalmen und die
letztere einigen Musik-Ausdrücken im Psalter. Zur Textkritik
äußert sich Schildenberger in einem wertvollen Beitrag.

Dem Gebiet der alttestamentlichen Theologie sind schließlich
die folgenden fünf Beiträge zuzuzählen: Garcia Cordero, Das
Heilige in Israel; Lefevre, Der Ausdruck „an jenem Tage" im
Jesaja-Buch; Ringgren, Wesentliche Züge der Psalmenfrömmigkeit
; Coppens, Hasidim-Psalmen und Bonsirven, Das Königreich
Gottes nach dem Alten Testament. Darunter kommt, wie mir
scheint, dem Aufsatz von Ringgren eine besondere Bedeutung zu.
Sein Verfasser 6tellt fest, Kultus und (individuelle) Frömmigkeit
seien keine Gegensätze: denn „der Kult ist eine Äußerung der
Frömmigkeit, und die Frömmigkeit kommt her vom Kult und
nährt sich an ihm".

Der vorliegende Band ehrt das Andenken von Robert auf
würdige Weise. Er ist zugleich ein schönes Dokument ökumenischer
Zusammenarbeit in der Bibelwissenschaft.

Bern Johann Jakob Stamm

Zinzendorf- Cedenkbudi. Hrsg. von Ernst Benz und Heinz
Renkewitz. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1951]. 202 S., 5 Taf.
8°. Kart. DM 7.90.

Angesichts des Rückgangs der brüdergeschichtlichen Forschung
, der schwierigen Erreichbarkeit der früheren großen Monographien
und der veränderten kirchlich-kirchengeschichtlichen
Bewußtseinslage war es ein Verdienst, diesen Sammelband zum
250. Geburtstag des Grafen Zinzendorf herauszubringen. Er enthält
zwei wertvolle frühe Beurteilungen, Lessings Gedanken über
die Herrnhuter (1750) und Herders Charakteristik aus den
Adrastea (1802), die leicht der Vergessenheit anheimfallen, aber
als zeitgenössische Stimmen für eine gerechte Würdigung unentbehrlich
6ind. Im übrigen gibt Heinz Motel eine kurze Biographie
, die den ruhelosen Drang vorwärts in diesem trotz aller
fallengelassenen Pläne zielklaren Leben eindrucksvoll herausarbeitet
. Hans Walter Erbe schildert den Grafen als Menschen
des Barock, durch seine frühere Untersuchung über Zinzendorf
und den frommen hohen Adel seiner Zeit dafür trefflich vorbereitet
. Sein Aufsatz läßt sich am besten durch zwei wörtliche
Zitate kennzeichnen: „Immer strahlte Weite und Großzügigkeit von
ihm (sc. Zinzendorf) aus und eine ganz unsentimentale kühle Herzlichkeit
" (S. 60). „Ein halbes Jahrhundert später hat in Frankreich
ein anderer Graf und Aristokrat — Graf Mirabeau — als Führer
des Bürgerstandes die Revolution gegen den Adel eröffnet, die
zur Vernichtung des Adels führte. Es ist vielleicht charakteristisch
für Deutschland, daß hier ebenfalls ein Graf die soziale Frage
des Jahrhunderts auf engem Raum bereits im voraus ohne allen