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Ausgabe:

1959

Spalte:

271-273

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Forschungen und Berichte von den Staatl. Museen zu Berlin ; 1.1957 und 2.1958 1959

Rezensent:

Bethe, Hellmuth

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Theologische Literatairzeitung 1959 Nr. 4

272

Es geht uns zum Schluß um anderes. Da wir uns nicht darin
täuschen werden, daß ein Teil der schwedischen Konvertiten
weiter auch aus dem protestantischen Erbe lebt, ist das Schweigen
über marianische Sonderlehren Roms beachtlich. Wohl finden wir
dies Schweigen in der gesamten Konvertitenliteratur unseres
Zeitalters, soweit es sich um Konvertiten des deutschen, nicht
romanischen Sprachgebrauchs handelt, also nicht um Bekehrte
innerhalb der katholischen Kirche, sondern um Übergetretene.
Falls das Schweigen nicht durch die Herausgeber der Kurzbiographien
gewünscht war — bei Stolpe scheidet diese Möglichkeit
aus —, wird es langsam verdächtig, ja für die katholische Kirche
peinlich. Warum bekennt man sich nicht zu hochcharakteristischen
Formen katholischer Frömmigkeit und Dogmatik der Gegenwart
?

Wichtiger aber ist uns anderes. Im deutschen katholischen
Schrifttum der Gegenwart stößt man auf ein hochgestimmtes
Interesse an der ökumenischen Bewegung, in der man eines
der bedeutendsten kirchengeschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts
sieht. Eine Folgerung daraus ist eine neue Darstellung
der protestantischen Welt und ihres Glaubens, welche die alten
propagandistischen und polemischen Vergröberungen ausscheidet,
eine religiöse und psychologische Einfühlungskraft von hohen
Graden aufbringt und die Glaubenspotenzen in der andern Kirche

ALLGEMEINES: FESTSCHRIFTEN

Maedebach, Heino, Völker, Hans-Herbert, u. Klaus Wessel:
Forschungen und Berichte, hrsg. von den Staatlichen Museen zu Ber
lin. Bd. I u. II. Berlin: Akademie-Verlag 1957/1958. 152 S. m. Abb.
u. 156 S. m. Abb. u. 1 Taf. 4°. Lw. DM 34.- u. 33.-.

Große Museen von internationalem Rang pflegen seit Jahrzehnten
eigene, periodisch erscheinende wissenschaftliche Veröffentlichungen
herauszugeben. Die durch Bodes Wirken weltberühmt
gewordenen Staatlichen Museen in Berlin besaßen bis
zu der durch den zweiten Weltkrieg erzwungenen Stillegung
nahezu des gesamten wissenschaftlichen Schrifttums zwei angesehene
Publikationsorgane: das „Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen
" und dessen Beiblatt, die „Berliner Museen". In
ihnen erschienen zahlreiche, meist im Zusammenhang mit Berliner
Museumsobjekten stehende Abhandlungen, Berichte über
die Arbeit der verschiedenen Abteilungen der Museen, Notizen
über Ausstellungen, Ausgrabungen, Expeditionen, Veröffentlichungen
, Führungen, Personelles u. a. Nach 1945 gab es zunächst
keine Möglichkeit einer Orientierung über die Tätigkeit und die
Pläne der 1951 wieder staatlich gewordenen Berliner Museen
durch ein amtliches Organ. Die Herausgabe der hier angezeigten
ersten beiden Bände einer unter dem Titel „Forschungen und
Berichte" erschienenen neuen Veröffentlichung6reihe der „Staatlichen
Museen zu Berlin" konnte daher von vornherein des Interesses
der alten und neuen Freunde der Berliner Museen im In-
und Ausland gewiß 6ein.

Den äußeren Anlaß für die Herausgabe der 1957 und 1958
im Akademie - Verlag Berlin erschienenen Bände bildete der
80. Geburtstag des hochverdienten, kürzlich verstorbenen Generaldirektors
der Staatlichen Museen und Nestors der deutschen
Kunstwissenschaftler Ludwig Justi. Von ihm ist in Band 1 ein
charaktervolles Altersbildnis nach einer Photographie, in Band 2
ein lithographiertes Porträt von Eduard Münch aus dem Jahre
1927 reproduziert, im ersten Band außerdem ein von Helga Weiß-
gärber zusammengestelltes Verzeichnis von Justis Schriften
abgedruckt. Justi selbst erscheint in Band 2 als Verfasser von
zwei, sehr persönlich gehaltenen nachgelassenen Studien („Eduard
Münch" und „Der Humanismus und die vatikanischen Kunstsammlungen
"). Sämtliche sonstige Forschungsbeiträge in den
beiden Bänden stammen von wissenschaftlichen Mitarbeitern der
Staatlichen Museen und legen Zeugnis davon ab, daß in Berlin
neben namhaften älteren Museumsfachleuten tüchtige Nachwuchskräfte
am Werk sind.

Am Schluß des 1. Bandes sind die Namen der wissenschaftlichen
Angestellten bei den Staatl. Museen zu Berlin nach dem

in Reinheit aufzuzeigen sucht. Das geschieht nicht etwa bevorzugend
bei Luther und anderen Großen, sondern beim Protestantismus
schlechthin und wirkt kraftvoll bis in das allgemein bildende
Schrifttum hinein. Ein besonders schönes Beispiel ist
„Herders Kleines Bildungsbuch" (4. Auflage 1957), in dem über
„Evangelisches Christentum in ökumenischer Sicht" in hoch erfreulicher
Weise berichtet wird. Die kritische Frage, mit der wir
diesen Aufsatz beschließen, lautet: Führt man im Konvertitenunterricht
die Lernenden in die6e Gefilde? Läßt man sie meditierend
die ihnen noch nie begegnete protestantische Glaubenswelt
durchschreiten? Man müßte es tun, wenn man den eigenen
guten Einsichten gehorsam wäre, wird es aber unterlassen, weil
dann manche Suchenden nicht katholisch würden. Wer eine Fremdsprache
erlernt, erwartet von seinem Lehrer die liebevolle Berücksichtigung
und Indienstnahme der Muttersprache. Wer aus
fremdem Land kommend sich unter uns niederläßt, erwartet die
durch keinen Unglimpf und keine Karikatur verzerrte, sondern
von ehrlicher Achtung getragene Hochschätzung seines Mutterlandes
, seiner Kultur und seiner Menschen. Die deutsche katholische
Theologie, die heute ein hochstehendes konfessionelles
Gespräch mit dem Protestantismus unterhält, wird auf das Konvertitenproblem
Einfluß nehmen müssen. Es scheint noch nicht im
erwünschten Maß geschehen zu sein. Wir warten darauf.

Stand vom Mai 1957, am Ende des 2. Bandes Berichte über die
Aufbauarbeit der einzelnen Museumsabteilungen mit Literaturangaben
veröffentlicht. Die „Forschungen und Berichte" verfolgen
also ähnliche Ziele wie früher das „Jahrbuch" und die
„Berliner Museen".

Im Rahmen dieser Besprechung ist es aus räumlichen Gründen
unmöglich, auf die mehr als 20 Beiträge von Autoren aus
fast allen Abteilungen der Staatl. Museen im einzelnen einzugehen
. Es sollen nur diejenigen erwähnt werden, die für die Leser
dieser Zeitschrift besonders wichtig sein dürften.

In Band 1 ist zunächst auf den Aufsatz von Klaus Wessel
„Ein kleinasiatisches Fragment einer Brüstungsplatte" hinzuweisen
. Es handelt sich bei dem Fragment um ein seltenes, aus der
Mitte des 5. Jahrhunderts stammendes Beispiel spätantik-oströmischer
Marmorplastik mit Darstellung einer Petrusszene. Im
selben Band behandelt Heino Maedebach unter dem Titel „Ein
schwäbischer Kruzifixus aus dem dritten Viertel des XII. Jahrhunderts
" einen 1955 in der Werkstatt der Shulpturenabteilung
von Übermalungen befreiten romanischen Lindenholzkruzifix und
bringt diesen in Verbindung mit Kruzifixen im Germanischen
Nationalmuseum Nürnberg, im Bayerischen Nationalmuseum
München und im Aschaffenburger Museum (Gentilhaus). Qualitativ
übertrifft das Berliner Stück bei weitem die zum Vergleich
herangezogenen Kruzifixe. Ebenfalls in Band 1 bespricht und
verzeichnet Werner Timm unter dem Titel „Die Einklebungen
der Lutherbibel mit den Grünewaldzeichnungen" die 1952 in
einer zweibändigen Bibelausgabe des Druckers Hans Lufft in
Wittenberg (1541) entdeckten 52 Blätter. Die Lutherbibel befand
6ich ehemals im Besitz des Grünewald nahestehenden, aus Mainz
stammenden, später nach Halle übergesiedelten und dort 1570
verstorbenen Seidenstickers Hans Plock. Sie enthält außer vier
schwer zu deutenden Grünewaldzeichnungen (Gottvater mit den
Gesetzestafeln, 2 Mosesblättern und einem Johannes) hauptsächlich
Kupferstiche und Holzschnitte, darunter solche mit Bildnissen
Friedrichs des Weisen, Melanchthons, Luthers, Karls V, Johann
Friedrichs von Sachsen, des Erasmus von Rotterdam, des Kardinals
Albrecht und Christians II. von Dänemark. Allein um der
Grünewaldzeichnungen willen werden die Einklebungen der Lufft-
schen Bibel in Zukunft eine 6tarke Anziehungskraft auf Forscher
und Kunstfreunde ausüben.

In Band 2 veröffentlicht Ursel Schönrock eine neuerworbene
„Thronende Madonna um 1300". Die aus Pappelholz geschnitzte
und noch teilweise im Schmuck der originalen Fassung erhaltene
Skulptur gehört einem in Spanien verbreiteten Madonnentyp an
und dürfte spanischer Herkunft 6ein. Die Verfasserin betont den
provinziellen Charakter des Werks. In der Tat zeigt es nicht
ganz die sonst gewohnte Qualität der Berliner Museumsobjekte.