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Ausgabe:

1959 Nr. 4

Spalte:

263-272

Autor/Hrsg.:

Holtz, Gottfried

Titel/Untertitel:

Schwedische Konvertiten 1959

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 4

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Der Eindruck eines Verstodcungsgerichtes, der im 17. Jahrhundert
bei der Orthodoxie noch eschatologisch begründet worden ist,
bleibt in den Missionskreisen bis heute durch die Erfahrungen
der bisher wenig erfolgreichen Missionsversuche weithin nicht
mehr eschatologisch, sondern in missionsgeschichtlichen Erfahrungen
begründet, bestehen.

Zweihundertundfünfzig Jahre nachdem Gottfried Arnold
seine Gedanken über Mohammed und den Islam niedergelegt hat,
sind wir Zeugen einer neuen Ausbreitungswelle des Islam in
Afrika1". In diesem Jahrhundert hat der Islam wohl 100 Millionen
neue Anhänger gewonnen. Diese Ausdehnungsbewegung

18) Vgl. Giselher Wirsing, Wandlungen im Islam, Zeitwende,
Jg. 22, H. 7.

ist noch keineswegs zum Stillstand gekommen. Die arabischislamische
Welt ist erneut in Bewegung geraten. Die Situation
ist heute noch so ernst wie zur Zeit Gottfried Arnolds. Es ist
nur die Frage, ob die evangelische Christenheit sich dadurch beunruhigen
läßt wie einst zu den Tagen des Schreibers der Kirchen-
und Ketzerhistorie. Jahrhunderte kommen, Jahrhunderte gehen.
Zukunftsprognosen 6ind billig. Weder Optimismus noch Pessimismus
dürfen bestimmend werden. Alle menschlichen Berechnungen
auch der bestgemeinten Missionsstrategie schlagen immer
wieder fehl. Unseres Amtes ist es, alle uns angetragenen Missionsmöglichkeiten
in unermüdlicher Treue auszukaufen und dem
Herrn der Geschichte und seiner Christenheit auf Erden gläubig
und zuversichtlich zu vertrauen.

Schwedische Konvertiten

Von Gottfried H o 11 z, Rostock

D. Ernst Sommcrlath zum 70. Geburtstag

Die Achtung der evangelischen Theologie vor der reich entwickelten
katholischen Konvertitenbiographik scheint äußerst
gering zu sein. Gründe dafür sind reichlich vorhanden, so die Abneigung
gegen geistliche Propaganda, Seelenfang und seelische
Indiskretion, die vielen theologischen Verkürzungen und Vergröberungen
, die gerade unserer Literatur eigen sind, nicht zuletzt
die zahllosen theologischen Widersprüche, die unausgeglichen
in benachbarten Biographien stehen bleiben und den kritischen
Leser ärgern. Man versteht, daß man evangelischerseits
je länger desto mehr auf das Wagnis verzichtete, ein konkurrierendes
Schrifttum zu schaffen. Der Gleichgültigkeit dürften
jedoch Grenzen gesetzt sein. Nachdem wir uns andernorts über
die Konversionen im angelsächsischen und französischen Raum
ausgesprochen haben1, gelte hier unsere Aufmerksamkeit schwedischen
Konvertiten, deren autobiographische Berichte neuerdings
auch in deutscher Sprache erschienen sind2.

Der katholische Einfluß in Schweden ist schwach. Erst 6eit
1860 herrscht Freiheit für alle Konfessionen. Sie war angebahnt
durch die Toleranz der Aufklärung, die 1782 das apostolische
Vikariat für Schweden, 1783 den katholischen Gottesdienst in
Stockholm, 1837 ebendort den ersten katholischen Kirchenbau zugestanden
hatte. Aber erst seit 1875 ist dem volljährigen schwedischen
Lutheraner der Übertritt zu anderen Religionsgemeinschaften
gesetzlich freigegeben. Die Geschichte der Konversionen
im eigenen Lande ist also erst kurz. Es wird kein Zufall sein, daß
alle 10 Konvertiten, denen wir im Buch Sven Stolpes begegnen,
aus der Schicht der Intelligenz stammen; weder das Bauerntum
noch das Handwerk noch die Arbeiterschaft sind vertreten. Die
Gründe dafür werden schwerlich allein in literarischer Un-
gewandtheit zu suchen sein. Die Masse der Bevölkerung 6teht
dem Katholizismus offensichtlich sehr fremd gegenüber. Wir
hören darum auch gelegentlich, daß der Katholik im Lande vereinsamt
sei. Darum ist weiter verständlich, daß die Biographien
oft ins Ausland führen, vor allem nach Frankreich. Besonders
Benediktinerabteien im Ausland üben Anziehungskraft aus, —
unter den deutschen ist es Beuron.

Zur Vororientierung sei noch gesagt, daß den Autoren vom
Herausgeber keine Richtlinien gegeben waren. Dadurch wurden
Auflockerung und große Freiheit erreicht, wie sie uns aus der
nächst verwandten Literatur unbekannt sind. Der Beitrag der
Journalistin Gunnel Vallquist (169—192) mußte vom Herausgeber
gleich zweimal kritisch glossiert werden, um vor Mißdeutungen
geschützt zu sein. Es dürfte sich glücklich ausgewirkt
haben, daß der Herausgeber Romanschriftsteller und Journalist
ist, kein Theologe, von denen wahrscheinlich keiner den Mut zu
solcher Unbekümmertheit aufgebracht hätte.

') Gottfried Holtz, Konversionen in katholischer Beleuchtung,
Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts, Juli/August 1958,
S. 61 ff.

2) Stolpe, Sven: Warum wir katholisch wurden. Berichte schwedischer
Konvertiten. Heidelberg: Kerle [1958]. 202 S. 8°. Lw. DM 9.80.

I. Die Autoren

Wir unterscheiden drei Gruppen: Die schöngeistigen Literaten
, die sozialkriti6chen Geister, die Theologen.

Zur ersten Gruppe rechnen wir Birgit Tengroth, Lillie Björnstrand
, Ingegerd Stadener, von den Männern Ölof Molander und
den Herausgeber.

Birgit Tengroth ist nicht mit einem Originalbeitrag
vertreten, wird aber so ausführlich zitiert (11 ff.), daß sie als
mitbeteiligt gelten muß. Ihr Bekenntnis steckt in ihrem Roman
„Genießen Sie Ihr Leben, Madame!". Man muß erstaunt sein,
daß ausgerechnet Zitate aus einem derart oberflächlichen und
wertlosen Buch den Auftakt für Stolpes Zusammenstellung bilden
. Der erste wirklich autobiographische Beitrag stammt von
Lillie Björnstrand (23 ff.) und ist ebenfalls eine Enttäuschung
für den, der darin ernsthafte Gedanken über die Konversion
der Verfasserin vermutet. Auch Ingegerd Stadener
(115 ff.) kann im Ernst Aufmerksamkeit nicht verlangen. Sie ist
Romanschriftstellerin und setzt sich durch ihren Beitrag dem Verdacht
aus, die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit verloren
zu haben. Religionspsychologische und konfessionskund-
liche Erkenntnisse wird man kaum daraus gewinnen. Olof
Mol ander (83 ff.) wird uns als der „bedeutendste Regisseur
der nordischen Länder in diesem Jahrhundert" vorgestellt. Seine
Ausführungen enthalten zuviel Schlagworte und grobe Vereinfachungen
zugunsten der neuen und zuungunsten der alten Konfession
, um wirklich Eindruck zu machen.

Mit Abstand sei dann hier der Herausgeber Sven Stolpe
genannt (125 ff.). Er ist Romanschriftsteller und Zeitungskriti-
ker. Sein Beitrag hat im Gegensatz zu den vorhergehenden
Qualität. Er gibt einen sorgfältigen Bericht von seiner
religiösen Entwicklung. In seiner Erziehung hat „jeder Funke
lebendiger Religiosität gefehlt". In einem Sanatorium der Schweiz
erfolgte die Bekanntschaft mit einem jungen katholischen Priester
. Die stärkste Förderung erfuhr Stolpe in Paris durdi Männer
des Renouveau catholique. Dann folgte ein Zwischenspiel mit
Manfred Björkquist in der Sigtuna-Stiftung; das „geordnete
christliche Leben" dort beeindruckte ihn, ebenso die Bekanntschaft
mit den Büchern Söderbloms. Noch in diesem evangelischen
Stadium geschah der Durchbruch zum Glauben, unerklärlich, unerwartet
, ohne jede Krise. Die konfessionellen Einflüsse auf ihn
wechseln zunächst in nervösem Rhythmus. So kam evangelischerseits
noch eine Phase der Oxford-Gruppenbewegung mit persönlicher
Begegnung mit Frank Buchman hinzu. Dann aber geht der
Weg von Caux nach Paris, nachdem schon in früheren Jahren in
Paris die Wendung zum Thomismus — über die Schriften J. Maritains
— geschehen war. „Ich 6ehnte mich nach dem Objektiven,
dem Festen und Sicheren."

Man tritt in eine andere Welt, wenn man den beiden sozialistischen
Frauen folgt, die wir wohl mit Simone Weil vergleichen
können. Anna Lenah E 1 g s t r ö m (33 ff.), Romanschriftstellerin
, Journalistin und Kritikexin, entstammt einer Familie