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Ausgabe:

1959 Nr. 3

Spalte:

228-230

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Bibliotheca Missionum ; 12.Chinesische Missionsliteratur 1800 - 1884, N. 1 - 1217 1959

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 3

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Erkenntnis, die Geschichte der Forschung in den letzten hundert
Jahren — das Buch wendet sich ausdrücklich auch an die Historiker
, denen reiches und gut gesichtetes Material dargereicht
wird —, die experimentellen Ergebnisse der amerikanischen Schule
(Rhine), die Abstoßung falscher und der Versuch rechter Hypothesen
. Um den Fortschritt der Erkenntnis zu sichern, wird das
noch völlig Dunkle aus der Behandlung ausgeschieden, so die
Materialisationen im Experiment mit Medien. Um so eindringender
ist das Bemühen um Telepathie und Psychokinese, wobei sich
die Bemerkung für den Kenner erübrigt, daß diese bevorzugende
Auswahl unter dem Eindruck der Erfolge Rhines und seiner Schule
zustande gekommen ist; die Vorposten der Forschung sind eben
hier am weitesten vorgeschoben. Amadou ist mit Rhine auch in
der Reduzierung der spekulativen Theorien einig, mit denen der
Leser gleichwohl bekannt gemacht wird. Die Hauptenergie ist auf
die Erweiterung der Tatsachenforschung und darum auf die
Möglichkeiten des Experimentes gerichtet. Natürlich müssen die
biologischen, physikalischen und philosophischen Theorien, die
im Brennpunkt des gegenwärtigen erkenntnistheoretischen Ringens
stehen, diskutiert werden. Der schon informierte Leser mag
hier manches vermissen oder Kürzen bedauern. Z. B. sähen wir
die vitalistische These Drieschs, die er zur Erhellung parapsychologischer
Phänomene aufgestellt hat, gern reicher und vielseitiger
erwogen als es geschieht. Aber wo blieben nicht offene Wünsche!
Jedenfalls haben wir es Amadou als hohts Verdienst anzurechnen
, der Hypothesenfrage nicht ausgewichen zu sein. Wir werden
hervorheben dürfen, was dem Theologen besonders wichtig
sein könnte.

Seinem Grundanliegen entsprechend sucht Amadou nach
einem Erkenntnisprinzip, für das das Gesetz von Ursache und
Wirkung konstitutiv ist; wer Wissenschaft wolle, müsse das Gesetz
bejahen, das allen übrigen Zweigen der Wissenschaft zugrunde
läge. Dem hat kein Geringerer als C. G. Jung widersprochen
, dessen Hypothese der Synchronizität eingehend behandelt
wird. Hier wird eine Kausalbeziehung zwischen einem wahrnehmenden
oder handelnden Subjekt und einem paranormal erkannten
oder bewegten Objekt geleugnet, ohne daß das Walten
des blinden Zufalls behauptet würde. Die außersinnliche Wahrnehmung
geschähe auf einer Ebene, auf der die Wechselwirkung
von Ursache und Wirkung nicht mehr zu gelten brauchte, weil die
Phänomene transparent in bezug auf Raum und Zeit seien. Wohl
stammten die beiden Gliedketten der Koinzidenz für sich allein
genommen aus einem Kausalnexus, die Koinzidenz selbst aber
folge aus einem Prinzip neben oder über der Kausalität. Jung
denkt an gemeinsame Partizipation an einem Archetypus in einer
Früh- und Vorwelt universeller Entsprechungen oder — was dasselbe
ist — an ein prälogisches System der Analogie, aus dem die
alte Menschheit magische Kenntnisse geschöpft hätte. Wir erinnern
daran, daß auch Gabriel Marcel im Ringen mit der Para-
psychologie in große Nähe zu Levy-Bruhl geraten ist. Für Amadou
sind Jungs Gedanken nicht nachvollziehbar. Wohl schreibt
auch er, daß uns das paranormale Faktum als eine der unzähligen
Botschaften des Unbewußten erschiene (443). Das Unbewußte
aber muß nach seiner These dem psychischen Universum zugerechnet
werden, 60 daß auch die paranormale Erkenntnis nie am
Kausalgesetz vorbeikäme. Von daher wird auch die Stellungnahme
zur christlichen Wunderfrage mitbestimmt. Wir pflichten bei,
daß auf die Wunderthese nur nach der restlosen Erschöpfung
aller wissenschaftlichen Möglichkeiten zurückgegriffen werden
dürfe. Der Christ zeige dafür Verständnis, — es wird ihm nachgerühmt
, daß er die Ansprüche der Wissenschaft liberal respektiere
, weil der religiöse Wunderbegriff nicht das Abnorme
im Naturgeschehen, sondern das Zeichenhafte für den betroffenen
Menschen betone, durch das hindurch es sich als Zeugnis
von der Anwesenheit göttlicher Macht und Güte auswiese. Zu
unserer Freude wird die Stimme eines lange als Exorzist tätigen
Priesters zitiert, er sei in seiner ganzen Wirksamkeit „auf keinen
einzigen sicheren Fall von Teufelsintervention gestoßen"
(438). Gleich erfreulich das Wort: „Für den Menschen, der die
Naturgesetze erforscht, stellt das unerklärte Faktum eine Art
Mahnruf zur Demut dar" (441). Die vorsichtige Frage, ob wir
einem neuen System der Welterklärung entgegenzusehen hätten,
wird nur mit dem Hinweis auf Biologie und Psychologie beantwortet
, die so tiefgreifend gewandelt seien, daß der Einbau der
parapsychischen Phänomene erwartet werden dürfe. In diesem
Zusammenhang fällt das Wort vom „Einstein der Parapsycholo-
gie", dem man den Weg bereite, indem man immer zahlreichere
und immer bessere experimentelle Resultate anhäufe (.463).
Schließlich möge man nicht die Warnung des Schlußwortes überhören
, sich an „Atavismen, archaische Prozesse noch vor dem
Stadium der Individualisierung und der Verstandesentwicklung
des Homo sapiens und Homo faber" hinzugeben (473). Die Zukunft
des Menschen liege „keinesfalls in einer Rückkehr zu den
infantilen Verhaltensweisen seiner Ahnen". „Das Besondere des
Menschen ist, daß er alle Arten des .Halbschlafes' von sich geworfen
hat" (473). Wer an der Erforschung des Aberglaubens
interessiert ist, findet im Buch viele Hilfen für ein grundlegendes
letztes Verstehen, aber auch die wirkungsvollsten Warnungen
vor Rückfällen.

Da Deutschland in der parapsychologischen Forschung relativ
wenig geleistet hat, muß es nun neidlos hinnehmen, daß ihm
ein so gehaltvolles, zum Weiterforschen rufendes Werk von
einem Franzosen gesdienkt wird. Wir haben nicht nur zu beklagen
, daß gemeinsame wissenschaftliche Bande zerrissen, sondern
daß notwendige Kontakte bisher kaum gesucht sind.

Rostock Gottfried Iloltz

MISSIONSWISSEN SCHAFT

Bibliotheca Missionum. Begonnen von P. Robert Streit
O.M.I., fortgeführt von P. Johannes Dindinger O.M.I. 12. Bd.:
Chinesische Missionsliteratur 1800—1884, n. 1—1217. Freiburg: Herder
1958. XVIII, 745 S. 4° = Veröff. d. Internationalen Instituts für
Missionswissenschaftlidie Forschung. DM 45.—.

Von der Bibliotheca Missionum, die — veröffentlicht vom
Internationalen Institut für missionswissenschaftliche Forschungen
— von P. Robert Streit O.M.I. begründet und vom 6. Bande
an von seinem nun auch (am 31.7. 1958) gestorbenen Ordensbruder
Johannes Dindinger fortgeführt wurde, liegen zur Zeit die
Bände 12 und 15 bis-21 vor. Die ersten elf Bände sind vergriffen,
sollen aber neu aufgelegt werden; die Bände 13 und 14 sind in
Vorbereitung. Die Bände 15 bis 20 enthalten die afrikanische
Missionsliteratur von 1053—1940, Band 21 diejenige Australiens
und Ozeaniens von 1525—1950.

Der vergriffene Band 7 bringt die chinesische Missions-
literatur von 1700—1799. Der vorliegende, den Confessoribus et
Martyribus in Sinis gewidmete Band ist seine Fortsetzung, und
die Bände 13 und 14 werden seine Bestandsaufnahme zu Ende
führen. Sein Vorwort weist darauf hin, daß auch in Band 11 „sehr
viel Stoff über die chinesischen Missionare enthalten ist, besonders
über die chinesischen Märtyrer", und nennt die Fundstellen.
Man beachte 6eine weitere Mitteilung: „Durch einen Fliegerangriff
auf Freiburg sind die Manuskripte unserer Chinabände
zerstört worden. . . Wir haben die Mühe nicht gescheut, die verbrannten
Bände wiederherzustellen und beginnen nun mit deren
Veröffentlichung."

Wie jeder Band der Bibliotheca Missionum, so nötigt vollends
unter dem Eindruck dieser Mitteilung die vorliegende Zusammenstellung
einer in breiter Streuung vorhandenen Literatur
noch dem, der flüchtig in 6ie hineinschaut, höchste Bewunderung
ab. Jahr für Jahr werden hier alle in Betracht kommenden Veröffentlichungen
, auch die am entlegensten Ort erschienenen Aufsätze
, oft mit kurzer Inhaltsangabe, registriert. Welch ein
Sammelfleiß, wieviel Kenntnis und Beobachtungsgabe und welch
ein zäher Wille, allen Schwierigkeiten zum Trotz zum Ziel zu
kommen, sind hier am Werk! Autoren-, Personen-, Sach- sowie
Orts-, Länder- und Völkerverzeichnisse ermöglichen nicht nur
rasche Orientierung, sondern helfen, missionsgeschichtlich bedeutsame
Ereignisse und missionstheoretisch wichtige Probleme,
sei es in einem bestimmten Jahr, sei es durch einen längeren Zeitraum
hindurch, festzustellen, zu verfolgen und zu ihren literarischen
Niederschlägen Zugang zu finden. Das Vorwort weist
kurz auf die mancherlei tragischen Geschehnisse hin, die auch die
katholische Mission in China im 19. Jahrhundert belaster und
ihre Arbeit gehemmt haben, u. a. auf den Opiumkrieg, die „un-