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Ausgabe:

1959 Nr. 3

Spalte:

204-205

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wolf, Ernst

Titel/Untertitel:

Barmen 1959

Rezensent:

Fresenius, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 3

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legenheit, seine Freiheitsideen zu verkünden. Die Freiheit der
Presse führte zur Gründung der ersten katholischen Blätter, der
Wr. Kirchenzeitung, des Volksblattes „Aufwärts", dessen eifriger
Mitarbeiter Werner wurde. Der leidenschaftliche Kämpfer stieß
aber in seinem Streben auf Widerstände; es war der Episkopat,
der sich gegen die Freiheit der kirchlichen Organe wehrte, weil er
selbst alle Macht in seiner Hand vereinigt wissen wollte.

Als Werner im Herbst 1848 zum Abgeordneten für den Melker
Wahlkreis in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt
wurde, betrat er die politische Arena. In den Briefen an seine
Freunde in St. Pölten spiegelt sich seine lebhafte Teilnahme an
dem politischen Treiben in Frankfurt, den Beratungen über die
Grundrechte, die Stellung der Schule zu Kirche und Staat, dessen
Aufsichtsrecht über das Unterrichtswesen er, mit Ausnahme des
Religionsunterrichtes, voll anerkannte. Er lernte Ignaz Döllinger
kennen, bewegte sich in ultramontanen und großdeutschen Kreisen
. Mit steigendem Schmerze sah er, daß der österreichische
Standpunkt in der deutschen Frage sich nicht würde durchsetzen
lassen und nach dem Welckerschen Antrag am 12. März 1849,
dem preußischen König die deutsche Kaiserkrone anzutragen,
zum Scheitern verurteilt war. Immer hatte Werner noch auf eine
Wendung gehofft, am 20. April legte er sein Mandat nieder.

Er kehrte nach St. Pölten in die Lehranstalt zurück, mit deren
Leitung ihn Bischof Feigerle 1853 betraute. Es waren nicht die
glücklichsten Jahre seines Lebens, denn er eignete sich schlecht
für die wirtschaftlichen Belange seiner Stellung, wenn er auch
durch Einführung von Vorlesungen über kirchliche Baukunst und
Malerei und rhetorisch-homiletische Übungen Gutes schuf. 1856
legte er sein Amt zurück. Bischof Feigerle, der ihn sehr schätzte,
machte ihn 1862 zum Prodirektor und damit zum obersten Aufseher
über die Anstalt und zog ihn zur Lösung mancher Aufgaben
heran, wie sie der Abschluß des Konkordates (1855) mit sich
brachte. Die letzten Jahre seines Lebens litt Werner unter seinem
6ich verschlimmernden Lungenleiden, an dem er am 17. Februar
1866 starb.

Der 2. Teil des Buches ist der literarischen und wissenschaftlichen
Leistung des katholischen Theologen gewidmet, die
ihre Krönung in der Bekämpfung des Hermesianismus fand. Seine
Gegenschrift erschien 1845 unter dem Decknamen Myletor und
dem Titel „Der Hermesianismus vorzugsweise von seiner dogmatischen
Seite dargestellt und beleuchtet." Sie ist in Brietform
abgefaßt und deshalb kein systematisch aufgebautes Werk, wie
der Inhalt der Briefe zeigt, die vom Verf. ausführlich besprochen
werden. Es wird die Lehre von der Gnade, der Rechtfertigung,
der Taufe und der Sakramente, der Erlösung und Genugtuung
Chri6ti, des Urzustandes des Menschen, der Sünde und Erbsünde
behandelt, ehe zum Zentrum, zum Gottesbegriff des Hermes, vorgestoßen
wird, der „durchaus verfehlt" genannt wird und aus
dem alle Irrtümer des Bonner Theologen fließen: denn die Vernunft
ist in den Mittelpunkt alles Seins gerückt und übernatürliche
Wahrheiten könne man nicht durch die Vernunft erfassen;
daraus ergäbe sich auch die völlig verkehrte Auffassung von
Schrift, Tradition und Lehramt der Kirche.

Der Verf. legt Werners Kritik eingehend dar, nicht ohne
diese selbst wieder einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
Alle diese Ausführungen sind durch Literaturangaben weitgehend
unterbaut. Werners Buch gehört in die Reihe jener Schriften,
durch die die katholische Theologie den Einbruch des Rationalismus
abzuwehren suchte. Den Schlußstrich unter diese Polemik
hat J. Kleutgen gezogen.

Die letzten Kapitel des Buches 6ind Werners Aufsätzen über
Ehefragen (Unauflöslichkeitsproblem), kirchenrechtlicjie (Synodalinstitut
), kirchengeschichtliche (Reise des Apostel Paulus nach
Spanien) und dogmengeschichtliche (Ablaß) Probleme gewidmet.

Abschließend kann man sagen, daß die von dem Verf. mit
großem Fleiße und Sachkenntnis geschriebene Arbeit gerechtfertigt
ist durch die ansprechende, 6ich selbst treu gebliebene Persönlichkeit
des Helden und daß sie hält, was sie im Untertitel
zu sein verspricht: ein Beitrag zur Geistes- und Theologiegeschichte
Österreichs im 19. Jahrhundert.

Wien Grete Mecenseffy

McNe i 11, John T.: Modern Christian Movements. Philadelphia:
The Westminster Press [1954]. 197 S. 8°. $ 3.50.

Einer der führenden Kirchenhistoriker Nordamerikas gibt in
dieser Vorlesungsreihe eine eindrucksvolle Charakteristik der
neuzeitlichen Kirchengeschichte durch eine skizzierende Darstellung
ihrer großen Bewegungen, wie sie sich angelsächsischer, insbesondere
nordamerikanischer Betrachtung darbieten. An der
Spitze 6teht der englische Puritanismus; ihm folgt der deutsche
Pietismus, an den sich die evangelistische Bewegung von Howel
Harris, Wesley und Whitefield schließt. Der nächste Abschnitt
gilt dem Traktarianismus oder der Oxfordbewegung, dem Anglo-
katholizismus moderner Prägung. Darauf folgen die Vorläufer
der ökumenischen Bewegung, unter denen John Dury den Ehrenplatz
erhält. Das Schlußkapitel ist dem modernen römischen
Katholizismus gewidmet. Das Ganze trägt den Charakter des
Überblicks, in dem die Ergebnisse der angelsächsischen kirchengeschichtlichen
Forschung zu den behandelten Themen dargeboten
und durch eigene kluge Reflexionen des Verfassers berichtigt
werden — ist er doch vor allem hinsichtlich der Vorläufer der
ökumenischen Bewegung selbst als Forscher tätig geworden. Das
Ganze ist für den deutschen Leser und Benutzer vor allem dadurch
bedeutungsvoll, daß es die von seinem Schema so stark abweichende
Orientierung und Gruppierung zeigt. Darüber hinaus
ist es ein wichtiges und bewegendes Zeugnis von der Überzeugung
des Verfassers, daß in der neuesten Zeit der christliche
Glaube wieder wesentlich stärker als Geschichtskraft hervortreten
wird. Dem entspricht es, daß der Säkularisationsvorgang in seinem
Gewicht gegenüber der europäischen, insbesondere deutschen
Betrachtungsweise, wesentlich eingeschränkt wird. Er erscheint
hier als Objekt, nicht als Subjekt der Kirchengeschichte. Das
Buch lädt von der Thematik und von der Orientierung her zu
eingehender Diskussion ein, die dann freilich in verschiedenen
Bereichen, vor allem im deutschen Pietismus und bei den Vorspielen
der ökumenischen Bewegung, nach breiterer und tieferer
Quellengrundlage und Quellenauswertung verlangt. In der vorliegenden
Gestalt vermag es nur als Anregung zu dienen.

Berlin Martin Schmidt

Wolf, Ernst: Barmen. Kirche zwischen Versuchung und Gnade. München
: Kaiser 19 57. 166 S. = Beiträge zur Ev. Theologie, theologische
Abhandlungen, hrsg. von E. Wolf, Band 27. Kart. DM 9.80.

Es ist eine sehr wichtige und nötige Arbeit, die uns der
Göttinger Kirchenhistoriker hier vorlegt und die er dem Andenken
an die Pfarrer Fritz Müller, Dahlem, D. Martin Albertz,
D. Herrn. Albert Hesse, D. Heinrich Held gewidmet hat. Der
Arbeit liegt eine öffentliche Vorlesung zugrunde, die er im
Wintersemester 1956/57 gehalten hat und deren Wortlaut für
den Druck nur geringfügig geändert worden ist. Neu hinzugekommen
sind die Anmerkungen, in denen der Verfasser die
Fülle des ihm zugänglichen Materials dankenswerterweise vor uns
ausbreitet. Über seine Absicht schreibt Wolf im Vorwort die
folgenden 6ehr ernsten und beachtenswerten Worte:

„Es handelt sich darum, dem Theologiestudenten von heute, dem
im allgemeinen der Kirchenkampf im Dritten Reich so fremd ist wie er
seinen damaligen Kommilitonen lebendig und für die eigene Arbeit bestimmend
war, wenigstens einen Einblick in Ort und Bedeutung der
theologischen Mitte des Kampfes, der Barmer Theologischen Erklärung,
zu geben und ihm nicht länger vorzuenthalten, wa6 er kennen und bedenken
sollte. Dies um so mehr, als auf der einen Seite die Darstellung
des Kirchenkampfes und seine Berücksichtigung in den akademischen
Vorlesungen trotz einzelner beachtlicher Leistungen noch stark gehemmt
ist, nicht so sehr durch Mangel an Quellen als vielmehr durch mannigfache
Rücksichtnahmen, durch kirchenpolitische Verdächtigungen jedes
Versuch; einer Analyse, nicht zuletzt durch begreifliche Wünsche einer
Selbstrechtfertigung; auf der andern Seite steigert sich der beklemmende
Eindruck, als ob über diese Epoche der neuesten Kirchengeschichte
Deutschlands bewußt der Schleier eines allmählichen Vergessens
gebreitet werde zugunsten der vordergründigen Wiederbelebung
von Intentionen und Positionen, die vor 1933 maßgebend zu werden
versuchten.

„Barmen" ist so heute bereits ein dunkles, wenn nicht gar unbekanntes
Wort geworden, ein Stück Vergangenheit, bei dem sich aufzuhalten
geradezu als hinderlich empfunden wird. Man kann zwar darüber
reden, aber man läßt 6ich auf „Barmen" selbst lieber doch nicht
ein. Mir scheint das vor allem die Folge davon zu sein, daß die Barmcr