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Ausgabe:

1959 Nr. 3

Spalte:

202-203

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Pritz, Joseph

Titel/Untertitel:

Franz Werner - ein Leben für Wahrheit in Freiheit 1959

Rezensent:

Mecenseffy, Grete

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 3

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Die von A. Wandruszka edierten Berichte des Nuntius
Commendone — in ihren wichtigsten Teilen bereits durch St. Ehses
in Concilium Tridentinum, Band VIII (1919), herausgegeben --
sind anläßlich einer Mission entstanden, die einerseits der Einladung
norddeutscher und nordeuropäischer Fürsten zur 3. Trien-
ter Konzilsperiode, anderseits einer umfassenden Bestandsaufnahme
der kirchlichen Verhältnisse in den bereisten Gebieten
dienen sollte. Da6 erste Vorhaben scheiterte rasch, um so wichtiger
v/urde das zweite. Die Berichte des Nuntius vermittelten der
Kurie einen noch heute aufschlußreichen Einblick in die damalige
konfessionelle Lage Deutschlands, z. T. auch Frankreichs. Illusionslos
beobachtete Commendone das Umsichgreifen des Calvinismus
, mit sicherem Blick erkannte er aber auch die in der
Führungslosigkeit der deutschen Protestanten und in den konfessionellen
Spaltungen zwischen Calvinismus und Luthertum
liegende Chance für den Katholizismus. Aufgrund seiner Reiseerfahrungen
arbeitete der Nuntius eine — in der vorliegenden
Publikation vollständig im Wortlaut wiedergegebene' — Schlußrelation
aus, die neben durchgreifenden innerkirchlichen Reformen
die Verteidigung und den Gegenangriff des Katholizismus
mit Hilfe der Jesuiten sowie politischer Bündnisse der katholischen
Fürsten empfahl. Auch die Wiederherstellung de6 Gesamtkatholizismus
durch Waffengewalt wurde hier grundsätzlich bejaht
, wenngleich zunächst zurückgestellt. Es liegt auf der Hand,
Wie sehr die Politik der Kurie in den nächsten hundert Jahren
diesen Empfehlungen Commendones entsprach.

Gegenüber der Bearbeitung Wandruszkas können einige
Einwände nicht verschwiegen werden2. Zunächst ist hier dem
Prinzip von Auswahl und Regestierung in einem Maße gefolgt,
das der Benutzung der Nuntiaturberichte als historischer Quelle
kaum noch förderlich sein dürfte. Man wird daher nach wie vor
die älteren Teileditionen bzw. die handschriftliche Überlieferung
heranziehen müssen. Leider hat W. eben diese Überlieferung nur
unvollständig angegeben, ohne daß übrigens ein leitender Gesichtspunkt
für Angabe oder Nichtangabe (besonders der Barbe-
rini-Hs.) erkennbar würde. Die vorhandenen Zitate 6ind darüberhinaus
nicht selten durch das Fehlen der Folio-Angabe entwertet.
Auch die Zuverlässigkeit der Regesten läßt gelegentlich zu wünschen
übrig; man vergleiche z. B. den Wortlaut der Relation über
die Lektoren des kanonischen Rechts in Wittenberg bei Ehses
158 f. mit W.s Rege6t Nr. 10! Geographische Fehlidentifizierungen
kommen gleichfalls vor; z. B. ist im Regest Nr. 41 von verpfändeten
Kirchengütern des „Peinelandes" die Rede: In Wahrheit
handelt es sich lediglich um das bescheidene Amt Peine,
dessen Güter während der 60g. Stiftsfehde (1519—1523) vom
Hildesheimer Domkapitel teilweise verpfändet worden waren.

Der Hauptwert der Publikation W.s dürfte in der erstmals
vollständigen Edition des als „Anhang" gedruckten Reiseberichts
des F. Ruggieri, eines Begleiters des Nuntius, liegen. Man erfährt
hier auf 114 Seiten (von insgesamt 170 Textseiten des gesamten
Bandes!) eine Fülle insbesondere kulturgeschichtlich interessanter
Einzelheiten.

Die von H. Krämer aus dem Nachlaß von I. Ph. Dengel
herausgegebenen und eingeleiteten Berichte des Nuntius Biglia
aus den Jahren 1570/71 spiegeln das Bild einer in Deutschland
verhältnismäßig ruhigen Zeit. Bezeidinend ist, daß auf dem langdauernden
Reichstag von Speyer, der im Mittelpunkt der Relationen
des Nuntius steht, die Religionsfragen kaum zur Sprache kamen
Diese Ruhe war aber keine Ermattung, eher - jedenfalls
auf katholischer Seite - eine Ruhe der Sammlung, Klärung und
Festigung Dabei wurden bereits tridentinische Einflüsse wirksam,
z. B. in den Verhandlungen um die Leistung der professio fidei
durch den Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg. Anderseits
war der Protestantismus - zumal in den deutschen Erblanden der
Habsburger - noch durchaus im Vordringen. Kaiser Maximilian II-
schließlich war in der auf den Konfessionalismus abzielenden
Entwicklung ein im Grunde bloß retardierendes Moment - das
wird aus den Berichten gelegentlich sehr deutlich. Von der inner-

i., ^ Früherer Druck bei Döllinger, Beiträge zur Politischen, Kirch-
"Oien und Kulturgesdiichte ... III (1882), 310-316.
(ii ,V^' die kritischen Bemerkungen von K. Repgen, Historisches
Jahrbuch 75 (1956), 213-220.

sten religiösen Haltung des Kaisers dürfte Biglia im übriger wenig
gewußt haben; auch unter diesem Gesichtspunkt ist doch bezeichnend
, daß der Nuntius offenbar nie etwas von der Religions-
assekuration von 1571 erfuhr.

Der von I. Ph. Dengel zusammengestellte Kern der Edition
ist durchweg sorgfältig gearbeitet. In der von H. Kramer geschriebenen
Einleitung hätte man die Literatur gern in der jeweils
neuesten Auflage zitiert gesehen; da6 ist z. B. bei dem Zitat
von Janssen, Geschichte des deutschen Volkes, unterblieben
(S. XX, Anm. 3. Vgl. dagegen S. 15, Anm. 4!). Um einen bloßen
Druckfehler dürfte es 6ich handeln, wenn der Name des kaiserlichen
Hofrats Gabriel Strein Frh. von Schwarzenau in Gabriel
Stein verschrieben ist (S. XV). Der Name des damaligen Bischofs
von Posen ist einmal (S. XXV) Konarski, ein andermal (Nr. 9)
Konarsky geschrieben; ersteres düifte richtig sein. Das Datum der
Ankunft Maximilians in Speyer ist (S. XXI) falsch angegeben;
es muß heißen: 18. Juni 1570. K.s Skepsis bez. der Priesterweihe
Biglias (S. XII) ist angesichts der klaren Selbstprädikation des
Nuntius (Nr. 42) nicht recht verständlich. Umgekehrt ist in den
Akten (Nr. 43) als bloßes on dit überliefert, daß Biglia am Fleck-
fieber starb — bei K. erscheint es ohne weiteres als Faktum (S. XII).
Die Schlußbemerkung der Einleitung zum toskanischen Titelstreit
(S. XVII) ist nicht unmißverständlich; der Streit wurde auf dem
sog. Regensburger Wahltag 1575 dadurch aus der Welt geschafft,
daß Cosimos Sohn Francesco die seinem Vater erteilte Würde
ablegte und — unter Versagung der Unabhängigkeit vom Reich —
vom Kaiser zum Großherzog von Toskana ernannt wurde. Im
Register vermißt man die Stichworte Augsburger Konfession,
Konfessionisten (war dieses häßliche Wort wirklich unumgänglich
?), Administratoren, Geistlicher Vorbehalt, Professio fidei,
Religionskonzession. Auf S. 17 f. ist entgegen der Angabe des
Registers nicht von den Administratoren Joachim Friedrich von
Brandenburg und Heinrich von Lauenburg die Rede, sondern nur
von den Bistümern Magdeburg und Bremen. Daß jene Administratoren
zu diesen Bistümern gehören, ergibt sich erst aus
S- XXIV, Anm. 1.

Tübingen Horst Rabe

Pritz, Josef: Franz Werner. Ein Leben für Wahrheit in Freiheit. Ein
Beitrag zur Geistes- und Theologiegeschichte Österreichs im 19. Jahrhundert
. Freiburg: Herder 1957. XVI, 302 S. gr. 8° «= Freiburger
Theologische Studien, hrsg. v. J. Vincke, H. 71. DM 21.50.

Das vorliegende Buch schildert im 1. Teil das Leben Franz
Werners, der am 26. Oktober 1810 als Sohn eines Rauchfang-
kehrermeisters in St. Pölten, Niederösterreich, geboren wurde.
Ohne Schwierigkeiten und Kämpfe erfolgte der Aufstieg, der
über das Stiftsgymnasium in Melk, an dem damals Mich. Enk von
der Burg, der Freund Friedr. Halms, lehrte, an die Universität
Wien führte, wo Werner sich nach dem philosophischen Vor-
bereitungskure für das Studium der Theologie entschied. Er trat
in die theologische Lehranstalt in St. Pölten ein, um Priester zu
werden. 1834 wurde er von Bischof Jakob Frint zum Priester geweiht
, der ihn zunächst nach Tulln in die Seelsorge sandte, dann
aber zur Erlangung der theol. Doktorwürde an das von ihm gegründete
Weltpriesterbildungsinstitut zum hl. Augustin nach
Wien. Dort erwarb Werner den Doktorgrad; nach wenigen Monaten
schon wurde er Professor für Kirchengeschichte und Kirchen-
recht an der theol. Lehranstalt in St. Pölten. Als Gegner der
febronianisch-josefinischen Auffassung von der Kirche und unzufrieden
mit den vorhandenen Lehrbüchern schuf er sich selbständig
neue Grundlagen für seine Vorlesungen. Er hatte zwei
bedeutende Schüler, seinen Namensvetter Carl Werner und den
Historiker St. Pöltens Anton Kerschbaumer. 1841 reiste er nach
München, Tübingen und Freiburg; in Tübingen lernte er die
kirchenhistorische Schule kennen, die von Joh. Adam Möhler gegründet
worden war; in Wien beherrschte Anton Günther die
katholische Philosophie und Theologie. Von den Männern in den
süddeutschen Universitätsstädten und dem Güntherkreise ging
der katholische Reformgedanke aus, dem auch Werner anhing.
Die Schutzherrschaft des Staates über die Kirche sollte aufhören.
Werner wurde der Vorkämpfer der kirchlichen Erneuerungsbewegung
in St. Pölten. Das Jahr 1848 gab ihm erstmals Ge-