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Ausgabe:

1958 Nr. 2

Spalte:

148

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Arno

Titel/Untertitel:

Es begann in Tranquebar 1958

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 2

148

ahnen von Gottes Weg zum Kreuz" (S. 9). Das wird hier in kurzen
Auslegungen einer existenziellen Interpretation herausgeholt,
um dann in stiller, betender Meditation — so hat es D. in seiner
Diakonissenanstaltsgemeinde Neuendettelsau gemacht — vom
Einzelnen für sich weiter bewegt zu werden, und schließlich im
zusammenfassenden Gebet, das jeder dieser Andachten angefügt
ist, auszuklingen. Was hier in einer wohlgesetzten und wahrhaft
geistlichen Sprache gesagt und gebetet ist, ist spürbar durch
eigenes gründliches Meditieren hindurchgegangen. Es gehört
gerade auch in seiner Art, im großen Durchblick das AT für das
NT homiletisch fruchtbar werden zu lassen, zum Besten gegenwärtiger
evangelischer Erbauungsliteratur.

Einen sehr anderen Weg beschreiten wiederum F. B u r i s
„Meditationen über das erste und letzte Buch der Bibel". Sie
enthalten Zusammenfassungen von gehaltenen Predigten, ihren
„Gedankengang" und ihre „wesentlichen Gesichtspunkte" als
„Gedankenstütze und als Hilfsmittel zu nochmaligem Meditieren
" für die Gemeinde (S. 177). Sie wollen damit zugleich auch
„Anleitung zum Verständnis" der in Reihenpredigten behandelten
biblischen Bücher sein und eine „positive Einstellung des
Verfassers zur biblischen Mythologie" zum Ausdruck bringen.

In 34 Themen wird die Genesis, in 27 Themen die Apokalypse
abschnittweise behandelt. Die historisch kritischen Probleme
der Exegese bleiben dabei völlig im Hintergrund. Es geht
B. vielmehr um eine existenzielle Interpretation des Sinngehaltes
gerade auch der „mythologischen" Texte für die heutige
Gemeinde. Über den mythologischen Charakter der Bilder der
Offenbarung Joh. werden wir nicht in Zweifel gelassen. „Aber
wir können die Wahrheit dieser Bilder erfahren, wenn wir uns
durch sie zu einem uns entsprechenden Verständnis unseres Lebens
und Erlebens anleiten lassen. Als Mittel zur Sinndeutung
verwendet werden sie auch für uns Wahrheit" (S. 153). „In den
Gestalten des Messias mit der Sichel und des Engels mit der
Hippe kommt zum Ausdruck, daß wir reifen und Frucht bringen
sollen, daß wir verantwortlich sind für das, was wir aus unserem
Leben machen" (S. 153). Es ist keine Frage, daß B. auch
von der Ebene seines theologischen Liberalismus her eine Fülle
kerygmatischer Gehalte des ersten und letzten Buches der Bibel
freizulegen imstande ist. Daß sein Stil der Existenzialinterpre-
tation gelegentlich wieder in der Allegorese landet (z. B. das
über die „Himmelsfeste" Gesagte S. 15 ff.) oder auch zu sehr
kühnen und nicht immer sachgemäßen Übertragungen reizt (z.B.
Gottes Zornesschalen und die fliegenden Teller S. 154 ff.) darf
nicht übersehen werden. Aber im Gegensatz zu der mißverständlichen
Kampfparole der „Entkerygmatisierung" in „Kerygma
und Mythos II" ist in diesen „Meditationen" ein positiver Zugang
zum Mythos mittels des „lebendigen Wortes" gesucht und
vielfach gefunden worden. —

Von katholischer Seite erschienen in Neuauflage, erweitert
durch einen zweiten Zyklus von Fastenpredigten, die Predigtgedanken
„Christusbotschaft", von A. D o n d e r s, in zwei
Bänden von Alois Leenen herausgegeben. Diese Entwürfe des
früheren Münsteraner Dompropstes und Homileten (gest. 1944)
sind thematisch gegliedert und rhetorisch vorgeformt im Sinne
des „contemplata aliis tradere". Sie sind aus der Christusbotschaft
des NT „geschöpft", „wie sie uns in der Liturgie des
Kirchenjahrs zur Verkündigung vorgelegt wird" (I S. 5). D. ist
um Gegenwartsnähe, um „Zeitechtheit" ohne Verlust an der
Substanz bemüht. Nächst dem Evangelium ist als „Quelle der
Predigt" „das Leben, dies unerschöpfliche, gerade uns Seelsorgern
stets aufgeschlagene Buch" empfohlen. Das gibt den Entwürfen
ihre Fülle und Anschaulichkeit und auch ihr seelsorgerliches
Gepräge. Selbstverständlich beherrscht die Allegorese die
Auslegung, und in die Botschaft der Bibel ist die ganze spätere
katholische Kirche hineingetragen. Das kommt besonders stark
in dem neu hinzugefügten 2. Fastenzyklus zum Ausdruck. Angeregt
von SeTtillanges (O. Pr.) Buch „Ce que Jesus voyait"
(Paris 1924) wird nun alles unter dem Gesichtspunkt „Ausblicke
des Gekreuzigten vom Kreuz herab'' behandelt (L
S. 178 ff.): auf Jerusalem, den Tempel, den Abendmahlssaal, die
Schar seiner Feinde, auf die Seinigen, auf Tod und Grab und in
österlicher Fortsetzung auf Himmel und Glorie. In diesen kontemplativ
erdichteten Jesusvisionen hat nun alles Platz: Rom als

das kommende „neue Jerusalem", das Priestertum, die Prozessionen
des Fronleichnamsfestes, die Häresien, die „Voltaire
alterund neuer Zeiten" (I 190) und der „Bolschewismus"!

Bonn Joachim Kon rad

MISSIONSWISSENSCHAFT

Lehmann, Arno, Prof. Dr. theol.: Es begann in Tranquebar. Die

Geschichte der ersten evangelischen Kirche in Indien. 2., ergänzte
Aufl. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1956]. 3 52 S., 23 Abb. 8°.
Lw. DM 9.80.

Die 2. Auflage, erschienen 1956, enthält einige inhaltliche
und stilistische Verbesserungen. Die Zahl der Anmerkungen ist
vermehrt; in den Anmerkungen sind die Literaturangaben auf
den neuesten Stand gebracht worden. Daß das Buch, das wir in
Nr. 2 der Theologischen Literaturzeitung 1957 angezeigt haben
(Sp. 150), sobald in neuer Auflage erscheinen konnte, ist ein erfreuliches
Zeichen.

Tübingen Gerhard Ro s en k ra n z

A

R a a f 1 a u b, Fritz: Gebt uns Lehrer! Geschichte und Gegenwartsaufgabe
der Basler Missionsschulen in Kamerun. Basel: Basler Missions-
budih. [1948]. 200 S., 8 Taf., 2 Kt. Kart. sfr. 15.—.

Der ehemalige Basler Missionar und Leiter des Basler Missionsschulwesens
in Kamerun legt mit diesem Buch eine sehr gründliche Darstellung
der Geschichte des Basler Missionsschulwesens in diesem Teil
Afrikas vor. Es wird dabei deutlich, wie die gesamte Missionsarbeit in
Kamerun aufs engste mit der Schularbeit verknüpft war und ist, so
weit, daß zeitweilig die Schularbeit stärker betont schien als die eigentliche
Verkündigung. In einem ersten Teil spricht der Verfasser über
„Allgemeine Voraussetzungen", in einem zweiten behandelt er die
Schularbeit in der deutschen Kolonialzeit, in einem dritten stellt er den
Wandel dar, der sich durch die Unterstellung Kameruns als Mandatsgebiet
unter die englische Verwaltung ergab. Der vierte Teil schließlich
faßt die Hauptprobleme afrikanischer Erziehung zusammen und gibt
einen allgemeinen Ausblick.

Wie kaum irgendwo sonst haben die Afrikaner im Westen des
Kontinents nach Schulen und Lehrern verlangt, um damit die Kluft
zwischen sich selbst und dem „weißen Mann" zu überbrücken. Schulwissen
war und ist weithin die einzige Möglichkeit, zu einer gut bezahlten
Stellung, zu Ansehen und Einfluß zu gelangen. Es ist verständlich
, daß deshalb gerade hier die alte Frage nach der Berechtigung des
Missionsschulwesens und nach seiner Problematik immer wieder aufbrach
. Von den Anfängen evangelischer Missionstheologie bei Warneck
an mit ihrer schrankenlosen Bejahung der Weitergabe europäischen!
Kulturgutes an die afrikanischen und asiatischen Völker bis zu der sehr
skeptischen Haltung bei Hartenstein und den kontinentalen Theologen
der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts sind in Kamerun alle Stadien
durchlaufen worden. Raaflaub sieht sehr scharf und klar und zeigt die
Vorteile, aber auch die großen Gefahren auf, die daraus erwachsen sind.

Über den engeren Kreis dieses Gebietes, das während der Arbeitszeit
der Basler Mission von den Deutschen zu den Engländern wechselte
, gewinnt die Untersuchung Raaflaubs Bedeutung für die Frage
von Mission und Sohule im ganzen Afrika. Überall haben die Regierungen
, ganz gleich, ob selbständig oder noch von Kolonialmächten
abhängig, das Schulwesen selbst in die Hand genommen, das noch vor
etwa 50 Jahren fast vollständig in der Hand der Missionen lag. Damit
sind naturgemäß die Erziehungsziele stark verrückt worden. Der Mission
ging es vor allem darum, die Menschen fähig zu machen, selbst
die Heilige Schrift zu lesen. Das höhere Schulwesen ergab sich dann
aus der Notwendigkeit, afrikanische Lehrer und Pastoren auszubilden.
Gewiß spielte die schon erwähnte Freudigkeit, abendländische Kultur
weiterzugeben, manchmal auch mit hinein. Bei den Kolonialregierungen
ging es jedoch in der Schulfrage ausschließlich um das letztere. Manchmal
waren in den Anfangszeiten die Gründe zur Schulbildung von Seiten
der Kolonialregierungen sogar primitiv und einseitig nur darauf
ausgerichtet, möglichst fähige Helfer für die Kolonialmacht auszubilden
.

Trotz aller Kritik an den Schulsystemen und Lehrplänen, die leider
eine direkte Übertragung der europäischen Systeme sind, gibt es
doch keine Möglichkeit, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Die
gebildeten jungen Afrikaner wollen sidi in ihrer Schulausbildung und
ihrem Studium in nichts von europäischen jungen Leuten unterscheiden
. Um so wichtiger ist es aber für die Mission und Kirdie, den
christlichen Faktor in der Erziehung klar herauszustellen; denn nirgendwo
sonst als in der christlichen Gemeinde kann der Afrikaner das
wiederfinden, was ihm durch den Einbruch westlichen Denkens zerstört
worden ist: die Ganzheit des Lebens, die er im Heidentum besaß. Dort