Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 2

Spalte:

103-105

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wort und Dienst, Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel

Titel/Untertitel:

4. Bd. 1958

Rezensent:

Kruska, Harald

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

103

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 2

104

Existenzromanen an den Schluß gestellt sein. „Ich will euch das
Geheimnis der Träumerei verraten: die Deutung ist früher als
der Traum, und wir träumen schon aus der Deutung."

Aber das Buch läßt doch die eine große Frage ganz un-
bewältigt, so daß sie sich dem Leser mit gebieterischer Gewalt
zum Schlüsse förmlich aufdrängt: Kann man der Besonderheit
Kierkegaards gerecht werden, wenn man ihn nur als Romancier
sieht, nur als Träumer und Traumdeuter und phantasierenden
Vorwegnehmer der Möglichkeiten des eigenen Lebens? Man
vermißt hier doch eine wenigstens andeutende Ganzheitsschau
vom religiösen Anliegen seines Lebensauftrages her — sonst
bleibt er innerhalb der Kategorien des nur ästhetischen Daseins.

Die von Eva Schlechta veranstaltete Auswahl aus
allen Bänden der hinterlassenen Tagebücher von Kierkegaard
6teht unter dem Gesichtspunkt „Christentum und Christenheit
"10. Hierbei wird Christentum als die „Wahrheit" gefaßt,
die als „Wahrhaftigkeit" im Leben des Menschen Ausdruck finden
muß. Es geht Kierkegaard deshalb nicht um Wahrheitserkenntnis
, sondern um die kompromißlose Verwirklichung der
geoffenbarten Wahrheit. Er fragt nicht: was ist wahres Christentum
?, sondern: wie ist ein wahrer Christ? Bei dem Begriff Chri-
stenheit ist nicht Kirche oder Gesamtheit der Kirchen verstanden
, sondern das Ergebnis der Verfälschung des Christentums
im historischen Verlaufe seiner Entwicklung, speziell die
in Bischof Mynster verkörperte dänische Staatskirche. Sein dog-

"') Kierkegaard, Sören: Christentum und Christenheit. Aus

Kierkegaards Tagebüchern ausgewählt und übersetzt v. Eva Schlechta
München: Kösel-Verlag [1957]. 438 S. 8°. Lw. DM 15.—.

matischer Standpunkt geht konform der lutherischen Kirche
Dänemarks. Was er angreift, ist das Staatschristentum und „die
zur Ruhe gekommenen Christen". Diesem Bestehenden gegenüber
wird das Gottesverhältnis (Guds-Forhold) geltend gemacht.
Wie antwortet der Mensch auf Gottes Offenbarung als die Anrede
an ihn? Die Frage nach dem Christen ist die Frage nach dem
Verhältnis des Einzelnen vor Gott. Dies ist mit Guds-Forhold
gemeint. Es ist anzuerkennen, daß die Verf. nicht dem Fehler
der katholischen Kierkegaard-Veröffentlichungen verfallen ist,
Kierkegaards Kirchenkritik als Katholisieren zu werten. Man
kann zwar nicht mit der Verf. sagen, daß die katholische Kirche
ihm nie ins Blickfeld kam. Es gibt einzelne Stellen in den Tagebüchern
, wo sich Kierkegaard auf die Klosterethik des Katholizismus
bezieht und dabei sagt, daß die Askese als Ernstnehmen
der christlichen Forderung bewertet werden muß, ohne dabei in
den katholischen Irrtum des Aufstellens einer doppelten Ethik
zu verfallen. Es gibt auch Stellen in Abteilung C der Tagebücher,
wo er die objektive Sicherheit des katholischen Dogmas ablehnt
und die Forderung des beständigen Stehens in Wagnis und Risiko
erhebt. Es ist auch zu fragen, ob die chronologische Abfolge
der Tagebuchzitate nicht wenigstens hätte durch Jahreszahlen
und Einordnung in die Lebensepochen Kierkegaards deutlich gemacht
werden müssen, um der heutigen sehr berechtigten Forderung
der Kierkegaard-Forschung nachzukommen und sichtbar zu
machen, daß Kierkegaards Urteile über das Christentum in den
einzelnen Epochen seines Lebens und Kampfes sich wandelten
und entwickelten. So stehen 854 Zitate zeitlos und monoton
nebeneinander. Das entspricht nicht den Tagebuchnotizen Kierkegaards
, die ja zum großen Teil datiert sind.

ALLGEMEINES

Maas, Paul: Textkritik. 3., verb. u. vermehrte Aufl. Leipzig: Teub-
ner 1957. 34 S. gr. 8°. Kart.'DM 2.30.

Die 2. Auflage dieses Heftes wurde in der ThLZ 1954,
Sp. 107 angezeigt. Sie wird hier mit geringen Änderungen wiederholt
. Hinzugefügt ist am Schluß ein „Rückblick 1956" mit
drei Exkursen „zur Klärung einiger dem Gegenstand eigentümlicher
und bisher nur selten erörterter Begriffe" (Latente Evidenz
, Recentiores-non deteriores, Diagnostische Konjekturen)
und ein Namenregister. Die sehr knapp gehaltene Darstellung ist
offenkundig zunächst und vornehmlich für die Hand des klassischen
Philologen gedacht, wird aber auch dem Theologen, der
sich mit der Edition eines alten Textes beschäftigt, gute Dienste
tun. Daß nach wenigen Jahren eine Neuauflage nötig wurde, ist
bei diesem spröden Stoff besonders überraschend und erfreulich.
Von der vorhergehenden Auflage erschien 1952 zu Florenz eine
italienische Übersetzung.

,j Bonn Heinrich Vogels

Wort und Dienst. Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel anläßlich
ihres 50jährigen Bestehens. Hrsg. v. Helmut Krämer. N. F.
4. Bd. 1955. Bethel: Verlagshandl. d. Anstalt Bethel [1955]. 191$.
8'. Kart. DM 6.75; Lw. DM 8.—.

Als Jubiläums-Band kommt dem 4. Band der seit 1948 wieder
in „neuer Folge" erscheinenden Jahrbücher der Theologischen
Schule Bethel (vgl. zu Band 1-3: ThLZ 1952, Sp. 82 ff.) besondere
Bedeutung zu. Er wird eingeleitet durch den Festvortrag,
den Alfred Adam bei der 50-Jahr-Feier gehalten hat: „Ziel
und Weg der Theologischen Schule 1905—1955" (gern hätte
man auch die Festpredigt von D. Brandt über Römer 12,4—8,
abgedruckt gesehen). Dieses „Ziel" wird näher noch umrissen
durch die Wiedergabe von Friedrich v. Bodelschwinghs Entwurf
zur Errichtung einer Theologischen Schule: „Geplanter Vortrag
auf der Generalsynode 1894". Es lohnt, die Ausführungen Bodelschwinghs
, die mehr als situationsbedingt sind, zu lesen und
zu bedenken. Gleich der erste Satz seines Diktats hat Gewicht:
„Die streitende Kirche kann eben nicht bestehen in träger Sicherheit
und Ruhe und im stolzen Besitz der Herrschaft, und am
allerwenigsten kann sie es ertragen, wenn sie durch irdische
Mächte und äußere Gewalt in einer äußerlichen Herrschaft geschützt
und erhalten wird. Wir verlangen unsererseits nichts
weniger als von oben kommandierte Erziehungsstätten der Orthodoxie
als Dampfmahlmühlen, in denen man mit Hochdruck
gläubige Pastoren sich schaffen will. Aber auf der anderen Seite
müssen wir doch auch unsere Waffen scharf und klar halten, um
uns gegen die hereinbrechenden Mächte des Unglaubens zu wehren
" (S. 15). Bekanntlich ist es erst nach Überwindung großer
Widerstände und Schwierigkeiten zur Gründung der Theolo
gischen Schule am 15. 10. 1905 gekommen. Heute aber wird
nicht nur die „Bethel-Gemeinde" mit Dank auf diese Gründung
zurückblicken. Es ist ja etwas gepflanzt worden, das viel Frucht
getragen hat. Nicht zum wenigsten sind die Grußworte des Festtages
ein beredter Hinweis darauf.

Die weiteren Beiträge 6tehen in einem inneren Zusammenhang
. Sie sind im wesentlichen aus einer Arbeitsgemeinschaft
mit Betheler Ärzten erwachsen und behandeln Fragen des Arzt
und Theologen gemeinsam interessierenden Gebietes. Sie lassen
in ihrer Weise erkennen, was Fritz von Bodelschwingh bei der
25-Jahrfeier als bestimmenden Wesenszug der Theologischen
Schule herausstellte: „Mein Vater hoffte, daß beides sich hier
zu einer untrennbaren Einheit verbinden würde: das Forschen in
Christi Lebenswort und das Dienen in Christi Liebeskraft")
(S. 14).

Die Verfasser und Themen der wertvollen Beiträge sind die
folgenden: Johannes F i c h t n e r, Der Begriff des „Nächsten"
im Alten Testament; Herbert Girgensohn, Heilende Kräfte
der Seelsorge; Heinrich Greeven, Die Heilung des Gelähmten
nach Matthäus; Christian Maurer, Die Begründung
der Herrschaft Christi über die Mächte nach Kolosser 1, 15—20;
Gerhard Schorsch, Das ärztliche Ethos und seine Gefährdung
; Walter Schulte, Die Bedeutung des Schlafes für unser
Leben; Hans Joachim S t o e b e, Seelsorge und Mitleiden bei
Jeremia; Hans-Heinrich Wolf, Krankheit und Tod als Problem
theologischer Ethik in seiner Bedeutung für das ärztliche Handeln
.

Beigegeben ist — wie immer — ein Arbeitsbericht. Er umfaßt
diesmal die Zeit von 1953—1955, erstattet von Hans-Heinrich
Wolf und Helmut Krämer. Der Information dienen weiter
die „Vorlesungsverzeichnisse" der Jahre 1952—1955, die Angaben
der „Vorträge und Gastvorlesungen" in der gleichen Zeit,
die Namen von „Kuratorium und Dozentenkollegium", die „Veröffentlichungen
der Dozenten" (seit dem Erscheinen des letzten