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Ausgabe:

1958 Nr. 1

Spalte:

65-66

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

1910 - 1950 1958

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 1

66

Gemeinde und zielt auf die Sammlung und Stärkung der Gemeinde
! Damit ist einem individualistischen Bekehrungsschema
kräftig gewehrt! Mit dem allen hat sich Sch. aber erst den Weg
gebahnt zur Behandlung der „Eigenart der Predigt Tholucks"
(Kap. 3). Er sieht sie vor allem in der Verwendung der Psychologie
als Hilfsmittel, in der Kunst der Meditation und in der
seelsorgerlichen Ausrichtung. Mit dem ersten Punkt ist die
eigentlich kritische Frage berührt. Ist die These haltbar: „Th's
Predigt ist von einer echten, biblisch ausgerichteten Glaubenspsychologie
durchdrungen"? Gibt es das überhaupt, eine Psychologie
des Glaubens, der Sünde, des Gewissens? Spottet nicht der
Glaube aller psychologisierenden Methoden? Droht hier nicht
eine Umklammerung und Überfremdung, die mindestens ebenso
gefährlich ist wie die von Th. mit Recht bekämpfte des Idealismus
? Wird nicht in dieser Psychologie gerade die Zeitbedingtheit
der Predigten Tholucks sichtbar, die uns den Zugang zu
ihnen so viel schwerer macht als etwa zu Luther? Und „Psychologie
der Sünde"? Liegt die Not der heutigen Predigergeneration
wirklich darin, daß zu allgemein, zu lehrhaft-dogmatisch
von der Sünde gezeugt wird? Liegt sie nicht tiefer, nämlich darin
, daß wir nicht recht von Gesetz und Evangelium, Evangelium
und Gesetz zu sagen wissen — daß wir uns (mit Tholuckl) viel
zu lange bei einer Beschreibung der Sünde aufhalten, statt davon
zu sagen, daß die Sünde vergeben, überwunden, ihre Macht gebrochen
ist und wird!? Müssen wir daher gegen die Verwendung
der Psychologie als Hilfsmittel der Predigt unsere Bedenken anmelden
, so ist umsomehr auf das zu hören, was Tholuck uns zur
Frage der Meditation zu sagen hat. Hier liegt offensichtlich ein
besonderer Notstand in der heutigen Predigtsituation vor.
Sch. betont mit Recht, daß vieles, was heute als Meditation angeboten
wird, kaum hinausgeht über die theologische Interpretation
exegetischer Ergebnisse oder dogmatischer Gedanken. Aber
„biblische Meditation ist Gespräch des Menschen mit Gottes
Wort und seinem Inhalt, ist Gespräch vor Gott auf Gott hin,
vor Gottes Ohr unter Gottes Auge", sie hat Begegnungscharakter
und zielt auf Beichte und Anbetung. Meditation ist Gebetshilfe
— Gebet wird Meditation, und Meditation wird Gebet. Die
aus der Meditation geborene Predigt nimmt die Hörer ins Gebet
, im wörtlichen Sinne des Worts — sie macht sie selbständig
und selbsttätig vor Gott im Gebet. Der meditative und der seelsorgerliche
Charakter der Predigt Th.s hängen aufs engste zusammen
. Als der große und begnadete Seelsorger lebt Th. in der
Erinnerung fort, und es ist nicht zuviel gesagt: „Th. war der
Entdecker und erste Vertreter einer wahrhaft christlichen Stu-
dentenseelsorge." Davon zeugen dankbar seine Schüler, denen
Sch. ein besonderes Kapitel widmet: Dryander Vater und Sohn.
Ahlfeld, Kögel und, last not least, Heinrich Hoffmann, dessen
Predigten zu den Besten gehören, was uns das 19. Jahrhundert
als Erbe hinterlassen hat. — In einem Anhang hat Sch. Gebete
und ein Predigtbeispiel zusammengestellt — besonders die Gebete
eröffnen den unmittelbaren Zugang zu Tholuck, dem Beter,
Seelsorger und Prediger.

Kaiserswerth R. Frick

MISSIONSWISSENSCHAFT

Myklebust, Olav Guttorm: The Study of Missions in the Theo-
logical Education. An historical inquiry into the place of world
evangelisation in western Protestant ministerial training with parti-
cular reference to Alexander Duff's chair of evangelistic theology.
Vol. Di 1910-1950. Oslo: Forlaget Land og Kirke 1957. 413 S.
gr. g° = Avhandl. utg. av Egede Inst. 7. N. Kr. 29.50.

In der ThLZ 1956, Nr. 4, haben wir den ersten, 1955 erschienenen
Band des Werkes von M. angezeigt. Wie damals, so
können wir auch jetzt nur unserer Bewunderung dafür Ausdruck
geben, mit welcher Sorgfalt und Weite des Blickes der Verf.
auch hier wieder gearbeitet hat. Das Bild, das er von den Gelegenheiten
missionswissenschaftlicher Lehrtätigkeit an theologischen
Fakultäten, Hochschulen und Seminaren gibt, umspannt
den Zeitraum von 1910—1950, geographisch England und Irland,
die USA sowie Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Holland.
Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Ein Anhang beschäftigt
sich mit der missionswissenschaftlichen Lehrtätigkeit in
Kanada, Südafrika, Australien und Neuseeland. Es ist eine wahrhaft
ökumenische Arbeit. Sie setzt sich aus zahllosen Einzelangaben
zusammen, wie sie uns in gleicher erschöpfender Übersicht
bisher nicht zur Verfügung standen. M. hat sich, wie er
im Vorwort bemerkt, in über 1500 Briefen mit fast 300 Korrespondenten
die Unterlagen dafür beschafft. Das gewährleistet,
wie die Nachprüfung seiner Berichte über die Verhältnisse in
Deutschland ergibt, seiner Darstellung ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit
.

Das Ergebnis seiner Untersuchungen, in einer Tabelle mit
Anmerkungen zusammengefaßt, ist, daß es im Jahre 1950 an
Universitäten bzw. Instituten mit universitärem Charakter 71
Professuren für Missionswissenschaft gab, von denen 44 diesem
Fachgebiet ausschließlich, d. h. ohne Verbindung mit einer Lehrtätigkeit
in anderen Disziplinen, gewidmet waren. Von den in
Deutschland in Frage kommenden Lehrstühlen waren vier — in
Halle, Hamburg, Mainz und Tübingen — Ordinariate für Missionswissenschaft
, die anderen fünf — in Erlangen, Kiel, Leipzig,
Marburg und Münster — Honorarprofessuren oder mit anderen
Fächern (Neues Testament, Vergleichende Religionswissenschaft,
Systematik, Kirchengeschichte) verbunden. Das ist auch heute
noch die Lage, mit der Ergänzung, daß in Heidelberg ein Ordinariat
hinzugekommen ist. Sie ist gegenüber anderen europäischen
Ländern — England z. B. hat nur am Free Church College
in Edinburgh, und auch da nur mit anderen theologischen Fächern
gekoppelt, die Möglichkeit missionswissenschaftlicher Unterweisung
— ausgesprochen günstig; verglichen mit den 51 Möglichkeiten
in Amerika, bleibt sie im Rückstand.

Myklebust's Arbeit ist aber nicht nur das Werk eines Statistikers
, sondern ein theologisches Werk, das in den äußeren
Angaben, die es über den äußeren Bestand der Missionswissenschaft
an theologischen Hochschulen macht, Ergebnisse einer
theologischen Entwicklung sieht, die immer stärker und bewußter
auf die Einordnung der Missionswissenschaft in den akademischen
Lehrbetrieb hingedrängt hat und dies heute noch tut.
M. schildert, ausgehend von den Anstößen, die auch in dieser
Beziehung von der Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910
ausgegangen sind, jene Entwicklung während der Jahre 1910 bis
1945, um dann unter Berücksichtigung der fundamentalen
Wende, die die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für die Weltmission
gebracht hat, die Jahre 1945 bis 1950 gesondert zu behandeln
. Abschließend stellt er einerseits die „Allgemeinen Faktoren
", andererseits die „Besonderen Aspekte" jenes Prozesses
heraus. Die vier „Allgemeinen Faktoren" sind für ihn die „Vorstellung
von der Mission als Angelegenheit der Kirche", die
»Idee der Theologie als einer Wissenschaft für die Praxis", das
„Hervortreten einer weltweiten christlichen Bruderschaft" und
das „Anwachsen des wissenschaftlichen Studiums der Religionen
"; besondere Aspekte ergeben sich ihm theologisch in der
„Beziehung der Missionswissenschaft zum biblischen Realismus",
denominationeil im Blick auf die „Presbyterianische Überlieferung
" und geographisch im Blick auf die USA. So ist ein Werk
entstanden, das weit über das Sondergebiet der Missionswissenschaft
hinaus die gesamte Theologie angeht.

Im deutschen Leser erweckt es einige Wünsche: 1. Es möge
endlich einmal über die Grenzen der Länder und Kontinente
hinaus zu einer Zusammenarbeit der Missionswissenschaftler
kommen, die in anderen theologischen Disziplinen, immer wieder
sichtbar in internationalen Kongressen, Tradition ist und die
immer noch notwendige wissenschaftstheoretische und logische
Grundlegung der jungen Wissenschaft fördern könnte; 2. es
möge sich endlich in breitestem Umfang die von den übrigen
Disziplinen an den Universitäten als Norm geforderte akademische
Fachausbildung des missionswissenschaftlichen Nachwuchses
durchsetzen; 3. es möge sich in Deutschland, nachdem die
Fakultäten mit der Forderung der Einordnung der Missionswissenschaft
als selbständige Disziplin in ihren Lehrplan vorangegangen
sind, nicht nur — wie bisher — in einzelnen, sondern
in allen Kirchenleitungen die Erkenntnis Geltung verschaffen,
daß die Missionswissenschaft als Prüfungsfach in beide theologische
Examina hineingehört.

Tübingen Gerhard Ro s enk ra n z