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Ausgabe:

1958 Nr. 12

Spalte:

853-854

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bonsdorff, Max v.

Titel/Untertitel:

Herman Råbergh 1958

Rezensent:

Israel, Friedrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

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sehenden Geist Wohl aber ist Frandce im Kirchenvolk verstanden
worden wie der hohe Absatz der Predigttraktate und anderer
Schriften Franckes beweist. Geschichtliche Nachwirkungen
sieht B. in der Deutschen Christentumsgesellschaft. B. schließt
sein Buch mit dem Hinweis: „Damit übergibt diese erste ökumenische
Bewegung eine doppelte, selbst nicht befriedigend gelöste
Aufgabe an die Zukunft: den Bruderschafts- und den Wahrheitsgedanken
so miteinander zu verbinden, daß ein Anliegen das
andere fördert."

Darf man so bei Francke von einer ökumenischen Bewegung
sprechen? Sicherlich ist es ein Auftakt, wenn B. auf den Bruderschafts
- und Missionsgedanken Franckes hinweist. Ist damit aber
die Bezeichnung Ökumene gerechtfertigt, wie wir sie heute gebrauchen
, und wie wir sie in den beiden Gedankenkreisen: Einheit
der Kirche und ihre Stellung zu den sozialen und politischen
Fragen verbinden? Sicherlich ist der entscheidende Ausgangspunkt
der ökumenischen Bewegung, die Mission, wie er in Edin-
burg (1910) deutlich wurde, bei Francke vorhanden. Hat nicht
der Verfasser den bruderschaftlichen Gedanken und das missionarische
Wirken Franckes zu stark nach der ökumenischen Seite
hin gebogen? So kommt es zu überschwenglichen Schilderungen,
die in Sprache, Aufbau und Kapitelüberschriften ihren Niederschlag
gefunden haben. Damit hängen auch Wiederholungen zusammen
wie z. B. „Dabei bewährt sich Halle als eine großartige
Pflanzstätte wahrhaft ökumenischer Gedanken und Haltung"
S. 139 und fast wörtlich S. 156. Auch Wortbildungen wie voraufklärerisch
S. 31, verrationalisierte S. 44, Sentimentalismus
S. 44, Vorbereiter S. 52, hineingeheimnist S. 56 weisen in diese
Richtung.

Die Fülle des Stoffes hat zu mancherlei Exkursionen geführt,
welche den Gang der Darstellung unterbrechen und eine Straffung
derselben vermissen lassen. Man sollte auch nicht allzu
6parsam mit Jahreszahlen umgehen. B. deutet die zur Sonne fliegenden
Adler im Giebelfeld des Hauptgebäudes der Franckeschen
Stiftungen unter dem Jesajawort 40, 31 mit den Worten: „Hier
sind die Barockweiten seines geistigen Adlerfluges (Franckes)
greifbar." Die Adler gehen doch auf die ursprüngliche Bestimmung
des Gebäudes als Gasthaus „Zum Schwarzen Adler" zurück
, Francke hat die Adler dann biblisch gedeutet.

Noch einige Hinweise: Zu S. 147 dem Zitat G. Arnolds über
G. A. Francke fehlt die Stellenangabe. Zu Kap. I, Anm. 15 wäre
hinzuzufügen, daß A. Nebe im Jahrb. f. Brandenburgische KG. 30
(1935) S. 115 ff. Auszüge aus dem Sammelband D 107 gegeben
hat.

Es fehlt dem Buch nicht nur eine Inhaltsübersicht, sondern
auch ein Literatur-, Personen- und Sachverzeichnis, welches den
Gebrauch des Buches erleichtern würde. Für einige Bildbeigaben
hätte man eine bessere Wiedergabe gewünscht.

Berlin Wolter Delius

Bonsdorff, Max v.: Hcrman Räbcrgh, en förgrundsgestalt i Fin-
Iands kyrka. B. I: Hans väg tili akademisk Lärostol. Helsingfors: För-
bundet för svenskt församlingsarbete. 1957. 3 52 S., 16 Bilder, gr. 8".

In Finnland wählen die Pfarrer ihre Bischöfe, oft einen früheren
Universitätslehrer, den sie vom Studium her kennen. So
wurde der Professor der Kirchenge6chichte an der Universität
Helsingfors Bischof von Borgä, wozu auch die Hauptstadt Helsingfors
gehört. Sein Schüler und zweiter Nachfolger Max von
Bonsdorff zeichnet ein breit angelegtes Lebensbild des geliebten
Lehrers, dessen erster Band bis an die Schwelle der Professur
führt.

In sechs Abschnitten ist das Buch aufgebaut. Das Erbe dei
Väter und Mütter: in jahrelanger Arbeit hat Verf. Archive und
Briefsammlungen durchforscht. Jugendjahre in Abo: Geboren 1838
als vierter Sohn eines Rechtsanwalts, der 1859 Bürgermeister in
Nystad am bottnischen Meerbusen wird, gibt Herman Räbergh
auf dem schwedischen Gymnasium Proben des Mutes zur Wahrheit
und Gerechtigkeit. Die älteren Gymnasiasten durften den
Gefangenen predigen, den Männern in der Schloßkirche, den
Frauen im Spinnhaus. 1858—67 legt er den mühsamen Weg eines
Studenten in Helsingfors zurück, erst zum Magister, der etwa
einem deutschen Doktor der Philosophie entspricht, dann zum

Kandidaten der Theologie. Ordiniert 1867, diente er in den Notjahren
1867/68 in der Hauptstadt als Pfarrer. Der fünfte Abschnitt
: „Im Ausland" nimmt ein Viertel des Buches ein: Stockholm
und Upsala, Kopenhagen, Leipzig und Dresden (21 Seitent),
Erlangen, Reise nach Italien, Tübingen, Basel, Straßburg. Sechster
Abschnitt: Dozent an der Universität Helsingfors, 1862 Professor
.

In den Briefen aus dem Ausland zeigt sich Räbergh als kluger
Beobachter und Kritiker des Universitätsbetriebes und des
kirchlichen Lebens. In Leipzig war ihm Kahnis „die Krone aller
Professoren". Als 200 Paar Füße einmal scharrten, sagte Kahnis,
der aus dem damaligen Schlesien stammte: Meine Herren, es ist ja
deutlich zu hören, daß die Sachsen gute Protestanten sind. Da
hatte er die Lacher auf seiner Seite. Räbergh war ihm geistesverwandt
. — Franz Delitzsch hatte den Herrn mit dem Blick des Glaubens
geschaut. Was Räbergh hier gelernt hatte, verwendete er
später im Dienst der DiakonLssenanstalt in Helsingfors (S. 233).
Über Pastor Friedrich Ahlfeld an der Nikolaikirche schrieb er an
seine Braut: Auch Du hast ihn schon predigen hören, denn Pastor
Murmann in Helsingfors hat seine besten Predigten von Ahlfeld.

In Erlangen waren ihm die Vorlesungen des Professors von
Zczschwitz wahre Erquickungsstunden. Er bedauerte, daß Herzog,
der verdiente Herausgeber der Realenzyklopädie für protestantische
Theologie und Kirche von den „lutherischen" Studenten
gemieden wurde, weil er reformierter Ketzer war. Dagegen war
ihm Löhes Neuendettelsau zu „katholisch".

Von J. T. Beck in Tübingen gibt er ein anschauliches Bild
(S. 275—288). Die wissenschaftliche Bildung seiner Zeit verglich
dieser mit einem Frosch, der auf ein Standbild gehüpft ist und
vor Vergnügen quakt, weil er meint, er sei höher als alles andere.
Die Theologen sind Enten, die hintereinander her marschieren
und schreien, und wenn eine im Teiche untertaucht, hüpfen die
andern nach und machen es ebenso.

In Basel und Straßburg arbeitete Räbergh nach den Quellen
über den Gottesfreund Nikolaus von Basel. Wenn auch Denifle
1875 nachwies, daß Rulmann Merswin in Straßburg der große
Gottesfreund ist, so bleiben die Forschungen Räberghs wertvoll,
fühlte er sich doch zu der Frömmigkeit der Gottesfreunde hingezogen
. — Möge es dem Verfasser gelingen, bald den II. Band
zu veröffentlichen.

Zu berichtigen: S. 37, Z. 6 v. u. masken. S. 205, Z. 6 v. u. fortfor.
S. 276, Z. 11 v. u. Alb (im Unterschied von den Alpen).

Leipzig Friedrich Ostarhild

O u 11 e r, Albert C.: The Christian Tradition and the Unity we seek.

given as Richard Lectures at the University of Virginia in Charlottes-
ville, Virginia. London: Oxford University Press 1958. XII, 165 S.
8°. 12 s. 6 d.

Outler, Professor an der Southern Methodist University in
Dallas, Texas, sieht in der ökumenischen Bewegung das größte
Ereignis der modernen Kirchengeschichte. Wenn auch die „Flitterwochen
" der Bewegung vorbei sind und jetzt die schweren Probleme
der Lehreinheit zur Lösung anstehen, so ist doch der Wille,
in der Bewegung beieinander bleiben zu wollen, entscheidend
für die gegenwärtige Situation. Ein historischer Überblick über
die bisherigen Versuche kirchlicher Einigung ergibt drei Modelle:

1. den Rückgriff auf Restbestände gemeinsamen Bekenners;

2. den Appell an eine gemeinsame autoritative Entscheidungsinstanz
(Konzil, Bibel); 3. die irenische Berufung auf den consen-
sus quinquesaecularis. Diese Versuche haben alle nicht zur Einheit
der Kirche geführt. Dem gegenüber setzte der moderne
Ökumenismus bei der vorgegebenen Gemeinschaft der Kirchen
in ihrem Herrn Jesus Christus ein. Es gibt eine gemeinsame Geschichte
der christlichen Koinonia, an der alle Kirchen teilhaben.
Outler räumt auf mit einigen theologischen Illusionen: so kann
niemand die Schrift in unmittelbarem Zugang zum Text auslegen,
ohne die Tradition der Kirche zu berücksichtigen, in der er steht.
Ebenso illusionär ist der Rekurs auf das gegenwärtige ereignishafte
Wirken des Hlg. Geistes in der religiösen Erfahrung des
einzelnen Christen. Freilich will damit Outler nicht einem reinen
Historismus das Wort reden, sondern betont gleichzeitig das unmittelbare
Wirken des Geistes im Medium der Geschichtlichkeit