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1958 Nr. 12

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

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Die Züricher Dissertation aus der Schule F. Blankes erweist
sich als eine sehr sorgfältige Untersuchung. Zu beanstanden sind
lediglich Unachtsamkeiten bei der äußeren Drucklegung wie der
Gebrauch von „Schwäbischer Städtebund", der ganz und gar kein
Bund der Städte war. Die Arbeit trägt aus weitem Umkreis das
gedruckte Quellenmaterial zusammen und wertet es zu vielfach
ganz neuen Ergebnissen für das Itinerar H.s und seine Theologie
aus. Über die monographischen Arbeiten von Th. Keim (18 56)
und besonders von F. L. Weis (1930) — sonst ist H. nur in Lexikonartikeln
behandelt worden — vermag der Verf. ganz wesentlich
hinauszukommen, nicht allein wegen der inzwischen erschlossenen
Quellen, sondern wegen seiner sehr genauen und
sorgfältigen Analysen, die ganz besonders den Vorreden von H.s
Schriften zugute kommen. Manche Schlüsse gehen notgedrungen
ex silentio. Der Verf. vermag sie aber, da er keinerlei apologetische
Interessen verfolgt, in jedem Falle einsichtig zu machen.
Die tüchtige wissenschaftliche Leistung ist darüberhinaus auch
deshalb von allgemeinem Interesse, weil sie über die Anfänge der
Täuferbewegung neues Licht verbreitet: die Gruppe um Konrad
Grebel in Zürich, die Augsburger Konventikel, das Schleitheimer
Bekenntnis, die Wormser Täufergemeinde, die Augsburger „Märtyrersynode
" und nicht zuletzt H.s Konstanzer Prozeß, der ohne
die Intrigen des Augsburger Rates gar nicht verständlich wäre.
Man muß dem Verein für Reformationsgeschichte dankbar sein,
daß er diese ausgezeichnete Arbeit in die Reihe seiner Veröffentlichungen
aufgenommen hat.

Heidelberg W. P. Fuchs

Algermissen, Konrad: An welchem Tag schlug Luther seine Thesen
an?

Catholica 12, 1958 S. 75—79.
Braun, Rudolf: Zur Militärpolitik Zürichs im Zeitalter der Kappeler
Kriege.

Zwingliana Band X, Heft 9 (= 1958/1) S. 537—573.
D e 1 i u s, Walter: lohannes Bugenhagen.

Die Zeichen der Zeit 1958 S. 131—13 5.
Heckel, lohannes: Marsilius von Padua und Martin Luther.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 75 (Kanonist.

Abt. 44), 1958 S. 268—336.
H o f m a n n, Linus: Die Zugehörigkeit zur Kirche nach der Lehre des

Franz Suarez.

Trierer Theologische Zeitschrift 67, 1958 S. 146—161.
Jedin, Hubert: Domschule und Kolleg. Zum Ursprung der Idee des
Trienter Priesterseminars.

Trierer Theologische Zeitschrift 1958 S. 210—223.

Joe st, Wilfried: Paul Althaus als Lutherforecher.

Luther — Mitteilungen der Luther-Gesellschaft 1958 S. 1—11.

Largiader, Anton: Die Sammlung der Zwingli-Schriften im Staatsarchiv
zu Zürich.

Zwingliana Band X, Heft 9 (= 1958/1) S. 573-579.
Schmidt, Kurt Dietrich: Luthers Ansatz zur Neuordnung der Gemeinden
im Jahre 1523.

Luther — Mitteilungen der Luther-Gesellschaft 1958 S. 14—22.
W a n n e r, Hans: Zu Heinrich Bullingers St.-Nikolaus-Sprüchen.
Zwingliana Band X, Heft 9 (= 1958/1) S. 579-580.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

BA-y reuther, Erich: August Hermann Francke und die Anfänge der
/ökumenischen Bewegung. Leipzig: Koehler & Amelang 1957. XI,
/ 309 S. mit Taf. 8°. Lw. DM 10.50.

Das Buch ist eine Erweiterung der Habilitationsschrift:
A. H. Francke und die Ökumene (1953). Ihr gingen Spezialstu-
dien voraus über Bartholomäus Ziegenbalg (1951), über die Bedeutung
des 17. Jhdt.s für das deutsche Missionsleben (1951),
über Zinzendorf und Pierre Bayle (1955), über den ökumenischen
und missionarischen Aufbruch im Luthertum des 17. Jhdt.s
(1956/7), über A. H. Francke (1956) und gleichzeitig der 1. Band
der auf drei Bände berechneten Biographie Zinzendorfs.

Diese Arbeiten haben, gegründet auf ein sorgfältiges Quellenstudium
, die Voraussetzung und weithin auch den Inhalt des
vorliegenden Buches abgegeben. Der Verfasser nimmt den Ausgangspunkt
seiner Darstellung in einer Skizze, die den Zerfall
der abendländischen Einheit und die Entstehung der ökumenischen

Bewegung zeigt. Er geht vom hohen Mittelalter aus, „in dem er
eine grandiose innere und äußere Geschlossenheit des Abendlandes
unter der geistigen Führung der einen Kirche mit dem
einen gemeinsamen Oberhaupt in Rom" sieht. In Wirklichkeit
wurde die volle Einheitlichkeit des Weltbildes im Mittelalter nie
erreicht. Es zeigten sich nicht erst im Spätmittelalter Risse und
Bruchstellen. Gerade die Kreuzzüge, auf die der Verfasser hinweist
, haben, trotz ihrer Bedeutung für das Abendland, auch zur
Erschütterung jener nach außen hin uns heute imponierenden
Größe und Geschlossenheit beigetragen. Demgemäß kann man
auch nicht mehr im hohen Mittelalter von einem gleichen geistigseelischen
Gepräge reden. Individualismus und Subjektivismus
hatten ihren Einzug gehalten. B. skizziert dann den Säkularisierungsprozeß
vom Corpus Christianum zum Staatenverein, die
Erweiterung des sog. christlichen Abendlandes, die neuen wirtschaftlichen
Impulse, die Entdeckungen usw. bis hin zum Ausgang
des 17. Jhdt.s. In dieser Skizze vermißt man einen Hinweis
auf die Verhandlungen der Reformatoren Wittenbergs mit Heinrich
VIII. von England und Bucers Wirken in England. Hier geht
es bereits um Anfänge der ökumenischen Bewegung. Es wäre eine
wichtige Aufgabe, zu untersuchen, ob von den reformatorischen
Versuchen Linien zu A. H. Francke gehen. Von Bucer gehen 6ie
zum Pietismus.

Nach diesen einleitenden Betrachtungen macht B. die Einflüsse
auf den jungen Francke deutlich, durch die sein späteres
ökumenisches Denken beeinflußt worden ist. Er weist hin auf die
hanseatische Atmosphäre in der Franckeschen Familie und auf
den Geist des Herzogs Ernst d. Frommen in Gotha, unter dessen
Nachwirkungen Francke gestanden habe. Kann man im Hinblick
auf die enge Gesetzlichkeit und den doktrinären Intellektualismus
dieses Fürsten, von dem der Verfasser nichts sagt, allein angesichts
der Sorge Emsts für die außerdeutschen Lutheraner in so
überschwenglichen Worten reden, wie es der Verfasser auf
S. 32 tut? Hier spricht er von „Gotha, „dem Sitz und Zentrum
eines ökumenisch gestimmten Luthertums", von „einer wahrhaft
ökumenischen Atmosphäre", von der „ökumenischen Tradition",
und er nennt Ernst „eine durch und durch lutherisch und ökumenisch
denkende Persönlichkeit". B. schildert dann den Einfluß
Joh. Arndts und Speners auf Francke. Auch von Spener sagt er,
daß bei ihm „der Ruf in ökumenische und gesamteuropäische
Weite und Verpflichtung unüberhörbar" ist, und in seinen Pia
Desideria „liegt das Ferment einer sozialen und ökumenischen
Bewegung". B. glaubt, daß die vom Bruderschaftsgedanken der
Jane Leade beeinflußten Persönlichkeiten am preußischen Hof
Francke „in den Sattel gehoben" haben, als er an die neugegründete
Hallesche Universität berufen wurde. Im Zusammenhang mit
der Kollektenrei6e Neubauers taucht das erste klare Bekenntnis
Franckes zum philadelphischen Gedanken auf. Den Brief H. W.
Ludolfs an Francke (4. 10. 1695) bezeichnet B. als Markstein in
der ökumenischen Geschichte. Ich glaube, daß E. Winter: Halle
als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jhdt. Bln.
1953 Ludolf und Francke nüchterner als B. und daher historisch
besser gesehen hat. B. schildert dann die Begegnung Francke-
Leibniz und streift nur im Vorbeigehen die Rußlandbeziehungen
Franckes. Um so stärker zeichnet er Franckes „Brückenschlag zu
anglikanischen Erweckungskreisen", wobei ihm Ludolf behilflich
ist. Die Sendung Wigers, Mehders und Böhmes nach England werden
dargestellt. Verhältnismäßig kurz wird die Mission Ziegenbalgs
behandelt. Der Verfasser zeigt dann die Auseinandersetzungen
nach Franckes Tod mit dem Herrnhutertum in Pennsyl-
vanien. Hier wird deutlich, wie wenig von den weltweiten Gedanken
Franckes bei seinem Sohn und Nachfolger geblieben ist.
In die Halleschen Arbeitsgebiete dringen die Herrnhuter ein. Sie
nehmen die soziale, missionarische und ökumenische Aktivität
Franckes auf. Hier ist ein wichtiger Hinweis des Buches, daß nicht
erst bei Zinzendorf, sondern bereits bei Francke ökumenisches
Denken vorhanden ist.

In einem weiteren Kapitel behandelt B. die Zusammenarbeit
Dänemarks mit Halle und London. Der Verfasser stellt die
Frage, wieweit der Geist Franckes in Halle und darüber hinaus in
Brandenburg-Preußen unter Friedrich Wilhelm I. sich durchzusetzen
wußte. B. verneint dies im Hinblick sowohl auf die Se-
| minarpläne Franckes als auf den in Brandenburg-Preußen herr-