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1958 Nr. 12

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

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tullian und Klemens, behandelt dann nach der „Herrschaft des Severus"
unter dem Stichwort „Die Kirche in der Friedenszeit" verhältnismäßig
knapp noch Origencs und schließt in einem letzten Kapitel „The Third
Christian Century", das bis zum Konzil von Nicäa und Eusebios reicht,
das Buch ab — ohne Rückblick, ohne Zusammenfassung und ohne
rechtes Resultat. Die Gestaltungskraft des Autors hat also ihre Grenzen,
und man wird darüber hinaus fragen dürfen, ob ein Versuch, die ersten
zwei Jahrhunderte der Kirche in dieser Weise „erzählend" zu bewältigen,
überhaupt gelingen konnte. Sind die Quellen dazu nicht in der Tat zu
lückenhaft? Verlangt der Gegenstand nicht mit einer gewissen Notwendigkeit
eine stärkere geistige Durchdringung und entsprechende
sachliche Gruppierung?

Die Vorzüge des Werkes sollen indessen nicht übersehen
werden: hier ist für die wissenschaftlich Gebildeten immerhin
eine angenehm lesbare Darstellung entstanden, die viel Material
enthält und wirklich an die Quellen heranführt. Für einen
Anfänger ist es u. U. in der Tat das Richtige, die Geschehnisse
nach den Quellen erst einmal stofflich kennen zu lernen, statt
gleich mit Diskussionen und „Problemen" überschüttet zu werden
— und an solche Leser hat der gelehrte Erzbischof bei seiner
umfassenden „Einführung" gewiß nicht zuletzt gedacht.

Heidelberg H. v. Campen hausen

B a r b e 1, Joseph: Zur „Engelchristologie" bei Novatian.

Trierer Theologische Zeitschrift 1958 S. 96—105.
R o n d e t, Henri: Notes d'exegese Augustinienne. Psalterium et Cithara.

Recherches de science religieuse 46, 1958 S. 408—415.
Rüther, Theodor: Die eine Kirche und die Häresie bei Klemens

von Alexandrien.

Catholica 12, 1958 S. 37—50.
Steinwenter, Artur: Aus dem kirchlichen Vermögensrechte der

Papyri.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Reditsgeschichte 7 5 (Kanonist.
Abt. 44), 1958 S. 1—34, Nachtrag S. 569.
Wolf, Gunther: Gloriosissimus papa. Ein Beitrag zur Geschichte des älteren
Episkopats.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 7 5 (Kanonist.
Abt. 44), 1958 S. 3 50-3 52.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Widmer, Bertha, Dr.: Heilsordnung und Zeitgeschehen in der Mystik
Hildegards von Bingen. Basel und Stuttgart: Helbing & Lichten-
hahn 1955. VIII, 286 S. = Basler Beiträge zur Geschichtswissensdiaft,
hrsg. von E. Bonjour und W. Kaegi, Bd. 52.

Kommt diese Anzeige verspätet, so kam das Buch in gewissem
Sinne verfrüht. Denn inzwischen haben die Eibinger Chorfrauen
Marianna Schräder und Adelgundis Führkötter ihre Untersuchung
über „Die Echtheit des Schrifttums der hl. Hildegard
von Bingen" (1956) veröffentlicht und die kritische Ausgabe der
Schriften vorbereitet; sie haben nicht nur die von W. (S. 16 ff.)
bezweifelte Echtheit der Xingua ignota', der Xitterae ignotae'
und der medizinisch-naturwissenschaftlichen Schriften1 gesichert,
sondern vor allem für die Beurteilung der Briefe eine feste Grundlage
geschaffen. Gerade die Briefe, die W. nur zögernd-unentschieden
zu verwenden wagt, sind aber für Hildegards Gedanken
über das „Zeitgeschehen" wichtig und aufschlußreich; sie werden
bei genauerer Untersuchung W.s Darstellung in mancher Beziehung
ergänzen und verdeutlichen können. Ihr aber kommt es
vornehmlich auf Hildegards Gedanken über die „Heilsordnung"
an, wie sie sich in den drei großen Visionsschriften darstellen.
Und darüber gibt das Buch in der Tat lehrreiche, wertvolle Aufschlüsse
, eine wesentliche Ergänzung zu der Untersuchung von
Hans Liebeschütz über „das allegorische Weltbild der hl. Hildegard
von Bingen" (1930). Denn während dort vornehmlich auf
die kosmologischen Motive und Bezüge in Hildegards visionärem
Weltbild und auf deren Quellen geachtet wurde, fragt W. nach
ihrer Vorstellung vom Zeitenlauf und von der Heilsge6chichte,

*) Heinrich Schipperges (Bonn), zur Zeit der beste Kenner
dieser Schriften und ihrer Überlieferung, hat inzwischen ein neu entdecktes
Fragment einer Elementenlehre aus Hildegards Gedankenkreis veröffentlicht
(Sudhoffs Archiv 40, 1956, S. 41—77) und ihre „Heilkunde",
das Buch von dem Grund und Wesen und der Heilung der Krankheiten,
nach den Quellen übersetzt und erläutert (Salzburg 1957).

in die sie ihre eigene Gegenwart einordnet. Sie ist zwar „keine
Historikerin" und gehört nicht eigentlich zu den „Geschichtsdenkern
". Sie bezieht auch alles Zeitliche auf das Ewige. Veränderlichkeit
und Zeitlichkeit gelten ihr als Folge der Sünde, —
beginnend mit dem Sturz der Engel, der auch das Firmament erst
in Bewegung bringt, und mit Adams Fall, — aber doch nicht nur
als Korruption, sondern als „Ausdruck göttlicher Gerechtigkeit
und Liebe, die dort, wo der Mensch die Bewegung des Abfalls
zur Unordnung beginnt, in einer ausgleichenden Gegenbewegung
Harmonie und Ordnung wieder herstellt und damit der Welt die
Beständigkeit bewahrt" (S. 125). In der Geschichte wird der
Mensch erprobt, und wenn Hildegard auch meinte, daß ihre Gegenwart
diese Probe schlecht bestehe, vertraute sie doch auf die
künftige Bewährung des populus spiritualis. In diesem weiten
Rahmen zwischen Schöpfung, Sündenfall, Menschwerdung Gottes
und Erlösung sieht und wertet Hildegard den Weg des Menschen
durch die Zeiten. Bei aller Vorliebe für den Begriff rationalitas
liegt ihr allerdings jede Systematisierung der Zeitenordnung
fern. Sie macht auch von den überlieferten Zeitalterlehren ziemlich
wenig Gebrauch. Sie hat insbesondere das christliche Zeitalter
, in dem die Kirche sich vollenden muß, aber nichts wesentlich
Neues mehr zu erwarten ist, wenig gegliedert und konkretisiert
. Was sie aber über ihre eigenen vilissima tempora und
über die nahe bevorstehende Zeit des „Abfalls" und des Antichrist
mahnend denkt, müßte sich durch die Auswertung der
Briefe und durch den Vergleich mit entsprechenden Gedanken
ihrer Zeitgenossen wohl noch besser verdeutlichen lassen. W.
weist zwar gelegentlich auf Rupert von Deutz und Hugo von
St. Victor, auf Anselm von Havelberg und Otto von Freising,
Gerhoh von Reichersberg, Joachim von Fiore u. a. hin; sie hütet
sidi mit Bedacht, dort oder anderwärts unmittelbare „Quellen"
Hildegards zu suchen; eher glaubt sie an bewußte Abgrenzung
gegenüber Abälard (und Arnold von Brescia), als habe Hildegard
dessen „Scito te ipsum" ihr „Scire vias Domini" entgegengesetzt.
Im Ganzen aber beschränkt sie 6ich auf eine verständnisvolle
Nachzeichnung und Erläuterung der bisher wenig beachteten Zeitvorstellungen
in Hildegards Visionen. Das wird der weiteren
Forschung sehr hilfreich sein, wenn sie sich auf Grund einer kritisch
gesicherten Textüberlieferung ein klareres Bild von Hildegards
Bedeutung und Wirkung in ihrer Zeit erarbeiten will.

MUnster/Westf. Herbert Grundmann

B r i n c k e n, Anna-Dorothee von den: Studien zur lateinischen Wclt-
chronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising. Düsseldorf:
Triltsdl 1957. 249 S., 6 Taf. 8° DM 12.80.

Eine Quellenkunde, die zuerst den geistesgeschichtlich Interessierten
anspricht, gab es m.W. bisher nicht. Der hier behandelte
Problemkreis geht dazu auch den Theologen an: die Verf. untersucht
das Geschichtsbild der Chronisten vor allem im Blick auf
die Schemata, an denen sie ihre Welt- und Geschichtsbetrachtung
orientieren, und diese haben in der christlichen Lehre — mit ihrer
besonderen historischen Tendenz — ihren Ausgangspunkt. Mit
den verschiedenen Abhängigkeiten, Varianten und Entwicklungsstufen
in der „Verwendung" der Weltalter und Weltreiche werden
wir bekannt, indem wir von Chronik zu Chronik (zeitlich
geordnet) geführt werden. Bei dem in jeder Beziehung weit gespannten
Rahmen — so sind z.B. auch ungedruckte Quellen herangezogen
— kann jeweils nur ein Überblick gegeben werden. Wenn
auch knapp, wird aber jede Chronik als Ganzes gesehen. Natürlich
muß dabei vieles Bekannte wiederholt werden, das wird aber
dadurch aufgewogen, daß die Arbeit so nicht schematisiert und
überspitzt und nicht dazu verleitet. Daß eine tiefere Durchdringung
im einzelnen — wie sie etwa Rod. Schmidt in der Zeitschrift
für Kirchengesch. 67, 1955/56 für die Herkunft der aetates-
Schemata anregt oder wie sie für eine verwandte Frage die
Hallesche Diss. von W. Thiersch (1952) über das Vergangenheitsbild
der Historiographen der Ottonenzeit gibt — möglich wäre,
kann kein Vorwurf für eine Arbeit sein, die einen guten und
soliden Überblick bietet, dessen Benutzbarkeit noch durch Register
, umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis und die
beigegebenen graphischen Tafeln (I geogr. Verteilung der Chroniken
, II Abhängigkeitsverhältnisse untereinander, III und VI Beginn
und Abfassungszeit und die behandelten Zeiträume, IV und